Nachdem zuerst die Sabaton-Army das Z7 heimsuchte und am Tag
darauf die Gothic- und Symphonic Metal-Fans mit Within Temptation
verwöhnt wurden, gab es am dritten Tag die Götterdämmerung mit
Queensrÿche und Dream Theater. Also gerade drei Tage hintereinander
fand ein prall gefülltes Openair-Programm statt, das immerhin einen
Teil des legendären Flairs der „Metal-Days“ verströmte. Dass es bei
Sabaton entsprechend abgehen würde, war zu erwarten. Der zweite Tag
wurde dann jedoch deutlich spärlicher besucht, während die
Prog-Metal Gemeinde wieder erfreulich mehr Leute anzog. Dazu gehörte
auch meine Wenigkeit, für die nur das Finale relevant war. Das
Wetter spielte an diesem Sonntag allerdings nicht mit, aber
insgesamt konnte der Anlass dennoch in vollen Zügen genossen werden.
Den Anfang machten Influence X, die stilistisch gut zum Headliner
passten, gefolgt von der österreichischen Überraschungsband Mother’s
Cake. Doch bevor sich Dream Theater nicht als zwingend ideale
Openair-Band präsentierten, liessen Queensrÿche keine Wünsche offen
und bestachen mit einer unglaublichen Setliste.
Influence X
Am dritten Tag des "Summer Night Openair" kam das Nass von oben
leider bereits bei der ersten Band. Darum verbrachte ich eigentlich
nicht so viel Zeit im Fotograben und verzog mich bald wieder in die
Halle an unseren Stand zurück. Dadurch entging mir natürlich ein
guter Teil des Auftrittes der Schweizer Ausgabe von Evergrey meets
Dream Theater. Das, was aber in der Kürze an meine Lauscher drang,
klang auf jeden Fall hochstehend. Wenn man die hünenhafte
Erscheinung von Frontmann Ramin Dänzer sieht, würde man ihn ohne
Kenntnis der Sachlage eher in der Ecke der Metalcore-Shouter
vermuten. Doch dem ist seit gut fünf Jahren nicht so, und Influence
X haben mit dem vor zwei Jahren erschienenen full lenght Debüt
«Existence» eine Hammerscheibe abgeliefert, die sich locker auf
Augenhöhe mit internationalen Genre-Releases befindet. Nebst der
ausgebildeten Stimme von Ramin bewegt sich auch die Instrumentierung
mit Rodger Iqbal (g), Vito Städler (keyb), Ralph Zollinger (b) und
Roger Heim (d) auf spürbar hohem Niveau. Zu Beginn waren die
Reaktionen vor der Bühne eher spärlich, aber ich denke, dass sich
die zweifellos sehr talentierte Schweizer Band bis am Schluss über
einen redlich verdienten Applaus freuen konnte. Ich für meinen Teil
werde mich im Mindesten mal um eine CD von «Existence» als Tonträger
bemühen, was offensichtlich gar nicht so einfach zu sein scheint!
Mother's Cake Als nächster Bühnen-Gast
erschien danach ein mir bis dato völlig unbekanntes Trio aus
Österreich, genauer aus Innsbruck. Die drei Jungs sahen in ihrem
eher schlabbrigen Look nicht wirklich "proggy" aus, besonders
Gitarrist und Leadsänger Yves Krismer. Die agile Band stach echt
heraus, da sie mehr auf der Retro-Rock Schiene wandelte. Das Ganze
hatte jedoch nichts mit
drogenvernebeltem Stoner Rock zu tun.
Vielmehr kamen verschiedene Elemente des Rocks zum Tragen, wobei die
progressive Komponente durchaus immer wieder durchschimmerte. Wie
gesagt war es recht schwierig, die Jungs in eine klare Schublade zu
stecken. Einmal klang es wie Led Zeppelin, was vor allem am Gesang
von Yves lag und dann funkte (vom Funk und nicht etwas anderem
her...) es vom Feinsten wie bei Living Color. Wie üblich in einer
Band mit den drei Hauptinstrumenten Gitarre, Bass und Schlagzeug gab
es eigentlich bis auf ein paar ab Band eingespielte Hammond
Orgelklänge keinerlei zusätzlichen Firlefanz und so kam jedes
einzelne Instrument entsprechend dominant zur Geltung. Dazu gehörte
mitunter das sehr energetische Bassspiel von Benedikt Trenkwalder
und das schweisstreibende Powerdrumming von Jan Haussels. Zusammen
liessen es Mother's Cake mächtig krachen und hinterliessen eine
ungeheure Bühnenpräsenz, die jedoch immer wieder durch ruhige Parts
während den Songs aufgelockert wurde. Diese Momente trugen durchaus
gewisse jazzige Züge und selbst die alten Pink Floyd wurden
zwischendurch bedacht. Das Pratteler Publikum reagierte zu Beginn
kaum und wurde so zu sagen regelrecht überfahren. Nach zwei, drei
Liedern wurde die Anteilnahme jedoch mit immer lautstärkerem Applaus
belohnt. Ich für meinen Teil wurde hier voll geflasht und so
erstaunte es nach dem Konzert nicht, dass ich umgehend den
Merchandise-Stand aufsuchte und mich gleich mit dem vorhandenen
Vinyl-Angebot eindeckte. Anders ging das gar nicht und sollte die
Truppe, die nebst Newcomer-Auszeichnungen in der Heimat gar schon in
Australien gespielt hat, wieder mal in unseren Gefilden auftauchen,
wird der Besuch des Konzertes an dieser Stelle wärmstens empfohlen.
Queensrÿche Eigentlich war ich ja vor
allem wegen "Seattle Finest Band" gekommen und dies obwohl der
Ur-Shouter Geoff Tate schon eine Weile auf eigenen und ziemlich
schrägen Pfaden wandelt. Seit dem Einstieg seines vollwertigen
Ersatzes Todd La Torre (Ex-Crimson Glory) vor drei Jahren und dem
letztjährigen, auf gerichtlichen Weg beigelegten Streit um die
künftige Verwendung des Bandnamens, geht es wieder aufwärts. Ein
erstes Zeugnis dieser von vielen Fans begrüssten Neuausrichtung oder
besser gesagt Rückbesinnung auf alte Tugenden waren vor allem die
ersten Konzerte, die ganz im Zeichen der zahlreichen älteren
Kultsongs standen, die schon länger nicht mehr gespielt wurden.
Zudem galt es nun, das in den 90ern verlorene Terrain wieder gut zu
machen. Das probate Mittel, um aus der selbst verursachten
kompositorischen Sackgasse wieder heraus zu finden, wurde 2013 mit
dem schlicht «Queensrÿche» betitelten ersten Album der Ära La Torre
eingeläutet. Als Opener am heutigen Abend wurde mit «Anarchy-X» der
erste von insgesamt fünf Songs ab dem wohl auf ewige Zeiten
prägendsten Album von Queensrÿche gespielt: «Operation Mindcrime»!
Dabei sprechen wir hier ausnahmslos von Klassikern, die bald einmal
drei Dekaden alt sein werden. Doch die Perlen, nach denen die Fans
wirklich lechzen und nach Jahren der livehaftigen
Abstinenz die
grössten Glückgefühle erzeugen, haben dieses Alter schon hinter
sich! Die Rede ist natürlich von unkaputtbaren Kult-Schoten wie
«Nightrider», «Warning» oder «Queen Of The Reich». Gerade hier
bewies Todd einmal mehr, dass er den damalig jungen Geoff Tate zwar
nicht ganz knacken, ihm aber sehr wohl paroli bieten kann, und wie!
Darüber hinaus merkt man einfach, dass die drei Ur-Mitglieder
Michael Wilton (g), Scott Rockenfield (d) und Eddie Jackson (b)
wieder richtig Spass haben. Letzterer durfte zum Glück mit in die
Schweiz (aus-) reisen, nachdem das kurz zuvor beim BYH!!!-Festival
in Balingen (D) ja aus nicht näher formulierten Gründen in die Hose
ging. So konnte der eigentliche Headliner voll aufspielen und
begeisterte auf der ganzen Linie. Auch der zweite Gitarrist Parker
Lundgren, der seit 2009 mit von der Partie ist, hat seinen
Stammplatz im aktuellen Line-Up definitiv gefunden und harmonierte
bestens mit Master Wilton zusammen. Mit «Arrow Of Time» gab es dann
schon mal ein Müsterchen des kommenden neuen Albums «Condition
Hüman», und den bestmöglichen Schlusspunkt setzte «Take Hold Of The
Flame» vom 84er Longplay-Debüt «The Warning». Ein Vierteljahrhundert
nach dem grandiosen Konzert im Zürcher Volkshaus anlässlich der
«Empire»-Tour sind Queensrÿche wieder fest im Sattel und das
hoffentlich noch länger.
Setliste: «Anarchy-X» - «Nightrider»
- «Breaking The Silence» - «I Don't Believe In Love» - «Walk In The
Shadows» - «En Force» - «Warning» - «Silent Lucidity» - «The Needle
Lies» - «NM 156» - «Arrow Of Time» - «Eyes Of A Stranger» - «Empire»
- «Queen Of The Reich» - «Jet City Woman» - «Take Hold Of The
Flame».
Dream Theater Man muss den
Tatsachen ins Auge blicken, auch wenn keineswegs eine "Massenflucht"
eintrat. Will heissen, dass nach Queensrÿche mit Sicherheit ein paar
Leute weniger auf dem Platz standen, um sich die letzte Band des
dreitägigen Anlasses anzuschauen. Fakt ist auch, dass James LaBrie &
Co. längst nicht mehr der hellste Stern am Prog-Himmel sind. Die
Genre-Konkurrenz hat in den letzten Jahren kräftig aufgeholt und die
Szene mit neueren Acts wie Riverside, Haken oder Leprous beglückt.
Nebst dem, dass Dream Theater auch kompositorisch ein paar Federn
lassen mussten, war die von einigen Nebengeräuschen begleitete
Trennung von Ur-Trommler Mike Portnoy nicht wirklich
karrierefördernd. Auch wenn hier über diese an sich üble Geschichte
schon etwas Gras darüber gewachsen ist und der valable Nachfolger
Mike Mangini zweifellos einen guten Job macht, geriet das einstige
Szene-Monument zwischenzeitlich zumindest etwas ins Wanken. Das
Ganze brauchte einfach seine Zeit und mittlerweile sind ja seither
auch schon wieder vier Jahre vergangen. In der Zeit sind zwei neue
Studio-Alben mit Mangini entstanden, die sich technisch nach wie vor
keine Blösse gaben und chartmässig recht ordentlich abschnitten.
Dennoch wird man das Gefühl nicht los, dass die ganz guten Zeiten
wohl vorbei sind.
Nichtsdestotrotz gibt es in der Schweiz und
anderswo noch genügend Fans der Amis, und so wurden diese gebührend
empfangen. Schliesslich gab es ja auch was feiern, denn Dream
Theater befinden sich heuer auf der "30th Anniversary-Tour". Dafür
hatte man sich etwas ganz Spezielles vorgenommen, was profunde
Kenner der Gruppe vielleicht schon während des Konzertes
feststellten, respektive aufgrund der laufenden Tour schon wussten.
Die Amerikaner haben bisher nämlich dreizehn Studioalben
veröffentlicht, und das letzte selbstbetitelte Werk stammt von 2013.
Was liegt also näher, sich aus jedem Album einen Vertreter für die
aktuelle Setliste heraus zu picken?! Gesagt getan, und ich möchte
jetzt auch gar nicht wissen, wie lange dieser Entscheidungsprozess
gedauert hat. Ein Blick auf die untenstehende Setliste lüftet nun
das Geheimnis und die Prüfung ergibt, dass dem tatsächlich so ist.
Dennoch bleibt es jedem individuellen Geschmack vorbehalten, ob die
getroffene Wahl damit die Erwartungen jedes einzelnen Fans erfüllt.
Auf jeden Fall wurde so das gesamte Repertoire, respektive alle
Schaffens-Phasen abgedeckt. Das schloss somit die melodischere Phase
der frühen Jahre bis hin zu echt hartem Tobak mit ein. Wer genau
hinsieht, wird bemerken, dass sogar die Reihenfolge der Jahre ab
1989 bis und mit 2013 genau eingehalten wurde. Sowas fällt mir bis
zu diesem Zeitpunkt von keiner anderen Band ein. Wie so oft und bei
Open-Airs im Speziellen, finde ich allerdings, dass Dream Theater
bei Hallenkonzerten einfach besser zur Geltung kommen. Wirkliche
Stimmung kam da auf dem Platz nicht wirklich auf, vor allem zu
Beginn nicht und der immer wieder mal einsetzende Regen trug nicht
die Hauptlast dafür. Alle Musiker agierten technisch wiederum
traumwandlerisch präzise wie einwandfrei und auf schwindelerregendem
Niveau, während Mr. LaBrie bei einigen hohen Passagen jedoch
mehrfach angestrengt wirkte. Dazu tigerte er unentwegt auf der Bühne
hin und her, damit es auch ja schwierig ist, von ihm verwertbare
Fotos zu schiessen. Unter dem Strich war es dennoch toll, aber nicht
unwiderstehlich.
Setliste: «False Awakening Suite (Intro)» -
«Afterlife» - «Metropolis Pt. 1: The Miracle And The Sleeper» -
«Caught In A Web» - «A Change Of Seasons: II Innocence» - «Burning
My Soul» - «The Spirit Carries On» - «About To Crash» - «As I Am» -
«Panic Attack» - «Constant Motion» - «Wither» - «Bridges In The Sky»
-- «Behind The Veil».
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