Ehrlich gesagt hätte ich es nie für möglich gehalten, dass ich an
dieser Stelle im Jahre 2011 noch was Aufsehenerregendes über Accept
schreiben kann. Die Geschichte der Solinger Stahlschmiede ist nun
mal untrennbar mit Udo Dirkschneider verbunden. Während dieser in
den letzten Jahren recht erfolgreich an seiner Solo-Karriere
gearbeitet hat, traten seine ehemaligen Mitstreiter, vorab das
kreative Duo Peter Baltes (b) und Wolf Hoffmann (g) praktisch nicht
mehr gross in Erscheinung. Gitarrist Herman Frank war dabei noch am
aktivsten und tauchte mit eigenem Material auf und wirkte 2010
zuletzt bei Poison Sun auf dessen Album «Virtual Sin» mit. Derweil
hatte Schlagzeuger Stefan Schwarzmann als Mann der zweiten Stunde
eigentlich immer mal was am Laufen, unter anderem auch bei Krokus
vor der Reunion des alten Lineups. Mit dem ehemaligen TT Quick
Sänger Mark Tornillo wurde nun ein neues Kapitel von Accept
aufgetan, dessen Wirkung kaum einer auf dem Plan hatte. Die heutige
Show in Pratteln mit den Youngstern Steelwing im Vorprogramm schrieb
gar Musikgeschichte!
Steelwing
Dass junge Bands den Spirit der guten alten Zeit des Heavy Metals
zunehmend wieder aufgreifen, ist nicht erst seit Kurzem spürbar.
Marshall Law, Wolf, RAM oder Metal Inquisitor (um einfach ein paar
zu nennen, wobei Marshall Law ja schon wieder weg vom Fenster sind!)
haben Duftmarken gesetzt und Sabaton (natürlich aus Schweden, woher
denn sonst?!) haben sich inzwischen zu einer sehr zugkräftigen
Truppe entwickelt. In der jüngeren Vergan-genheit tauchte zum
Beispiel neben Enforcer (aus..., Ihr wisst schon...) eine weitere
junge Combo (logo, ebenfalls aus Schweden!) auf: Steelwing! Mit dem
Debüt-Album «Lord Of The Wasteland» bekräftigte man letztes Jahr
eindrücklich, dass Judas Priest und vor allem Iron Maiden immer noch
Spuren hinterlassen. Allerdings ist es kein leichtes Unterfangen,
das musikalische Erbe der Vorbilder mit eigenen Trademarks
anzureichern. Das mussten an diesem Abend auch Steelwing in Pratteln
erfahren, denn trotz viel Action und Einsatz auf der Bühne, bewegte
sich davor kaum was. Da konnte Sänger Riley noch so hektisch rum
zappeln und sich die Lunge aus dem Hals schreien. Der Grund dafür
ist eigentlich immer beim mangelhaften Songwriting zu suchen. Wenn
einem die
Songs bald einmal austauschbar vor-kommen und alles
irgendwie gleich tönt, wurden die Hausaufgaben bei allen technischen
Fertigkeiten eben nicht gemacht. Die könnten noch drei Stunden so
spielen, aber unter dem Strich bleibt einfach zu wenig Substanz
übrig. Meiner Meinung nach fischen die Schweden ziemlich
offensichtlich bei den Eisenern Jungfrauen, ohne auch nur
ansatzweise dessen Hit-Gespür mitzubringen. Da ist schlicht nichts,
was hängen bleibt und darum konnte da auch ein muskel-bepackter und
ordentlich tätowierter Oberkörper des Sängers bei «Roadkill (Or Be
Killed)» nicht darüber hinweg täuschen, dass diese Reise hin zum
Metal-Olymp auf längere Zeit gesehen ohne Zukunft sein wird. Wolf
hatten da zum Beispiel deutlich mehr Potenzial, doch von denen hört
man im Moment kaum mehr was. Während ich mich also zunehmend
langweilte, gab es aber doch ein paar mattenschwingende Metalheads
auszumachen, die immerhin das wirklich versierte Gitarrenspiel von
Alex und Roby Rockbag mit dem verdienten Zuspruch würdigten. Der
Schlussapplaus nach 30 Minuten war ebenso ok, doch mehr lag heute
Abend nicht drin.
Accept
Vor ein paar Jahren, genauer 2005, liess sich Udo Dirkschneider ein
letztes Mal erweichen und zockte mit seinen ehemaligen Kollegen ein
paar Festival-Gigs runter. Doch dabei blieb es leider und alle
Gerüchte um allenfalls neue, gemeinsame Songs oder gar eine Reunion
zerstreuten sich dann in Windeseile. Der geneigte Accept-Fan hakte
es damals wohl defitiniv ab, seine Lieblings-Band jemals wieder
unter diesem Namen auf einer Bühne stehen und spielen zu sehen. Doch
wie wir mittlerweile wissen, kam es anders heraus und zwar so, wie
es die Gruppe mit ihrem neuen Sänger Mark Tornillo (Ex-TT Quick)
wohl nicht in ihren kühnsten Träumen hätte erwarten wie erahnen
können. Am Anfang stand erstmal die Ankündigung von wegen, dass es
mit Accept definitiv weiter gehen würde und man eben einen neuen
Sänger verpflichtet habe. Das war im Mai 2009 und kaum war das raus,
spielten Accept im gleichen Monat noch als Support von AC/DC in
Hannover vor sage und schreibe 80'000 Fans! Das ging dann dermassen
gut ab, dass viele Kritiker und Zweifler ziemlich rasch verstummten
und die Ernsthaftigkeit der ganzen Sache ein gutes Jahr später mit
der brandneuen EP «The Abyss», gefolgt vom sackstarken Album «Blood
Of The Nations» im August gekrönt wurde. Was seither abgeht, sprengt
alles Dagewesene und die tourexklusive Ankündigung (!!) für das
heutige Konzert in Pratteln, nämlich dass nur ein einziges Mal
überhaupt und das ausgerechnet in der Schweiz das
komplette «Restless
And Wild»-Album von 1982 durchgespielt wird, vermochte über 1'000
Fans ins Z7 zu locken. Warum dann allerdings nirgends Kameras zu
sehen waren, mutete angesichts der Tragweite dieses Anlasses schon
etwas seltsam an, machte ihn deswegen aber noch wertvoller für alle
diejenigen, die gekommen waren. Mit ersten Gigs in den Staaten
drüben war die Gewissheit da, dass der neue Frontmann dem Druck von
aussen im Sinne der Erwartungen an ihn Stand halten konnte und sich
mittlerweile bestens eingelebt hat. Dass dies dem wirklich so ist,
zeigte ab Punkt 21.30 Uhr nach dem Intro bereits der wuchtige Opener
«Teutonic Terror» vom neuen Album an, gefolgt vom furiosen «Bucket
Full Of Hate». Was für ein Brett, denn der Sound war zu Beginn schon
hammerstark! Man musste kein Prophet sein, um bald erkennen können,
dass es heute Abend ganz speziell geil werden würde. Die ganze Band
präsentierte sich in Bestform und -laune, dazu ein Mark Tornillo,
der seinen Vorgänger zwar nicht vergessen machte, aber einen
Super-Job ablieferte. Und bald einmal war es es dann soweit, dass
meinem zwar gut aufgewärmten Nacken die härteste Belastungsprobe
seit Langem, wenn nicht überhaupt bevor stand.
"Heidi heido heida, Heidi heido heida..." stand natürlich am Anfang
der Speedgranate «Fast As A Shark» und damit wurde tatsächlich der
bereits im Vorfeld exklusiv angekündigte Startschuss für das
Durchspielen des kompletten Kultalbums von 1982 gegeben. Was danach
folgte, kann man eigentlich gar nicht richtig in Worte fassen, ohne
dabei gewesen zu sein. Nebst dem Umstand, dass einem (endlich wieder
einmal!) bewusst wurde, welche Oberhämmer sich auf diesem Heavy
Metal Referenz-Werk befinden, wurden alte wie junge Fans
gleichermassen auf eine fantastische Zeitreise geschickt. Durch
meine heftige, jedoch stets rhythmussynchrone Bangerei mit
entsprechendem Airguitar-Einsatz war ich persönlich schon nach der
ersten LP-Seite nahe der Erleuchtung oder einem Herzinfarkt, je
nachdem! Das Publikum ging dazu ebenfalls ab wie ein Zäpfchen und
der Applaus wurde immer infernalischer. Die Durchsicht meiner sechs
Live-Bootlegs (auf Vinyl natürlich!) erbrachte derweil die
Erkenntnis, dass offenbar nur zwei der zehn Songs bislang kaum bis
gar nie auf einer Accept Setliste standen. Interessanterweise wurden
die restlichen acht Tracks auf der 87er Tour tatsächlich allesamt
gespielt, was der Bootleg «Loosers And Winners - Live Germany 1987»
beweist. Aussen vor blieben demnach bloss «Shake Your Head» und «Demons
Night», wobei Letzterer nun fest im aktuellen Set steht. Das
unterstreicht die Bedeutung dieses Frühwerkes, auch fast drei
Dekaden (!) danach. Leute, es war die Göttergabe schlechthin, die
heute Abend im Z7 präsentiert wurde. Peter Baltes, Wolf Hoffmann und
Herman Frank posten wie die Wilden auf der Bühne rum, solierten und
hatten eine Menge Spass. Der wie üblich total in Schweiss gebadete
Stefan Schwarzmann hämmerte die Beats gnadenlos runter und Mark Tornillo hatte das Schweizer Publikum, angereichert mit zahlreichen
Gästen aus dem Dreiländereck, längst im Sack. So wurden alle
Mitsing-Parts kräftig mitgetragen und die Stimmung war
schlicht
fantastisch! Die Schlusstriplette der Zugaben wurde mit «Aiming
High» und «Pandemic», Letzterer ein weiterer, aktueller Track von «Blood
Of The Nations» eingeläutet. Das grandiose Finale gebührte
schliesslich einer absoluten Killer-Version von «Balls To The Wall»,
wo nochmals alle Reserven seitens Musiker und Fans gleichermassen
abgerufen wurden. Als das Licht nach gut zwei Stunden im Z7 wieder
anging, waren sich alle einig, soeben einen historischen Moment der
harten Musikgeschichte miterlebt zu haben. Und nun freue ich mich ja
sowas auf das kommende «Bang Your Head!!!»-Festival in Balingen (D),
wo Accept als einer der Headliner garantiert nur noch Staub und
Asche hinterlassen werden!
Setliste: «Intro» - «Teutonic Terror» - «Bucket Full Of Hate» - «Starlight»
- «Breaker» - «New World Coming» - «Losers & Winners» - «Metal Heart»
- «Bulletproof» - «Intro (Heidiheido)» - «Fast As A Shark» - «Restless
And Wild» - «Ahead Of The Pack» - «Shake Your Head» - «Neon Nights»
- «Get Ready» - «Demons Night» - «Flash Rocking Man» - «Don't Go
Stealing» - «Princess Of The Dawn» - «Burning» -- «Aiming High» - «Pandemic»
- «Balls To The Wall».
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