Livereview: AFI - Blindside
06. Mai 2007, X-Tra Limmathaus Zürich
By El Muerte
Kaum jemandem waren Begriffe wie «Emocore» und «Screamo» geläufig, als AFI 2003 aus dem bisherigen Hardcore-Punk-Schema ausbrachen, um der Welt das Überalbum «...Sing the Sorrow!» zu bescheren. Obwohl die Band im Anschluss darauf exzessiv tourte (Darunter leider nur lediglich ein Konzert in der Schweiz!), blieb ihnen der Aufstieg in höhere Gefilde verwehrt, während Bands mit ähnlichen Konzepten en Masse an ihnen vorbeizogen und sie etwas ins Abseits drängten. Drei Jahre dauerte darauf die Prozession aus parallelem Songwriting und Touren, AFI wollten trotz der bisherigen Erfolge nichts überstürzen, und einen soliden Nachfolger abliefern - was ihnen im Spätsommer 2006 mit «Decemberunderground» auch überraschend locker gelang. Das gestrafftere und auf den Punkt gebrachte Songwriting, sowie die sporadischen Elektro-Elemente sprachen Bände, plötzlich waren AFI in aller Munde - nicht zuletzt auch durch das durchgehende Bühnen- & Albumkonzept, sowie die hervorragenden Liveshows. So betitelte unter anderem das wohl bekannteste deutsche Metal-Magazin eine Show der aktuellen Tour als «Das Konzert-Erlebnis des Jahres». Demensprechend hoch waren die Erwartungen an AFI, immerhin hatte ich sie am letzten Gig verpasst und somit etwa 5 Jahre nicht mehr live gesehen.

Blindside
Als Support konnten Blindside aus Schweden verpflichtet werden, die über die Jahre einen ähnlichen Pfad wie AFI eingeschlagen hatten - weg vom ursprünglichen wilden Hardcore, hin zu griffigeren Strukturen und Hooklines. Als sie um Punkt 20h10 nach einem melancholischen Streicher-Intro die Bühne betraten, war das X-Tra Limmathaus erst zu gut einem Fünftel gefüllt, was sich während der darauf folgenden 40 Minuten nicht gross ändern sollte. Blindside konnten vom ersten Song an auf einen glasklaren Mix und eine angenehme Lautstärke zählen, was hinsichtlich der ansonsten üblichen Umstände für Support-Bands für einige überrascht hochgezogene Augenbrauen sorgte - Hoffen wir mal, das sich hier ein neuer Trend andeutet. Ein gutes Dutzend Fans sorgte im ansonsten eher reserviert agierenden Pit durch Mitsingen und Herumhüpfen für gute Stimmung, während die vier Schweden auf der Bühne sämtliche Register ihres Könnens zogen. Während der Bassist rechts aussen sich mit Vorliebe einfach nur in staksige Posen schmiss, und der Drummer sein kleines Kit nach allen Regeln der Kunst verprügelte, sorgte vor allem der Gitarrist links aussen durch Räderschlagen und Gitarre-um-die-Achse werfen ohne auch nur ein einziges Riff zu verpassen für kleine Höhepunkte, während Sänger Christian Lindskog schicke Tanzeinlagen à la Refused auf's Parkett legte. Hier machte sich klar die jahrelange Bühnenerfahrung bemerkbar, Blindside groovten wie Sau ohne auch nur einen Patzer hinzulegen - Respekt. Das dargebotene Material bestand ausschliesslich aus Songs der letzen drei Alben «Silence», «About A Burning Fire» und «The Great Depression», die sich leider etwas stark ähnelten. Als sich die Schweden nach ca. 45 Minuten Spielzeit sichtlich zufrieden verabschiedten, erhielten sie leider nur etwas mehr als Anstandsapplaus - es war offensichtlich, dass der überragende Teil der Besucher für AFI gekommen war.

AFI
Die liessen allerdings eine gute halbe Stunde auf sich warten, was für reichlich Gelegenheit zum berechtigten Meckern über die Getränke-Preise im Limmathaus sorgte. 5.20 Sfr für einen Becher Bier kann ja wohl nicht legal sein... Wie dem auch sei, als das Backdrop erstmals hochgefahren wurde, markierte der weibliche Teil des Publikums gleich mal sein Jagdgebiet, indem er in ohrenbetäubendes Gekreische einstimmte. Als um 21h20 dann das Intro «Prelude 12/21» aus den Boxen schallte, bemerkte ich, dass sich das Limmathaus mittlerweile zu gut 4/5 gefüllt hatte - beste Voraussetzungen also. Unter sich steigernden Gekreische betrat Sänger Davey Havoc die im Vergleich zur üblichen Dekoration eher spärlich eingerichtete Bühne, um die ersten Töne ins Mikro zu hauchen. Als unter den darauf folgenden elektronischen Beats der Rest der Band (Jade Puget/Gitarre, Hunter/Bass, Adam Carson/Drums) ihre Plätze einnahmen, gab's für das Publikum kein Halten mehr, von dem Zeitpunkt an schien «Mitsingen!» die Devise zu sein und Zürich gab sich erstaunlich textsicher. «Girl's Not Grey» von «...Sing The Sorrow!» eröffnete den Abend, dicht gefolgt vom zweiten Song des aktuellen Albums, «Kill Caustic». AFI gaben sich routiniert und freundlich, wenn auch etwas mehr Kommunikation mit dem Publikum nicht geschadet hätte. So richtete Davey nur gerade drei Mal das Wort ans Publikum, ansonsten liess die Band lieber die Musik sprechen. Auch bewegungstechnisch gab's einiges zu vermelden, sämtliche Basser Hunter sprang unaufhaltsam von den extra aufgebauten Lichtboxen aus umher, Gitarrist Jade lieferte seine typischen Tänzchen und Davey gab sich extrem wandelbar - Mal zerbrechlich flüsternd, mal schmerzhaft zusammengekauert und darauf wieder wild «punkrock-like» umherspringend. AFI spielten um die elf Songs, bevor sie sich bereits an die beiden Zugaben wagten. Höhepunkt war nebst der aktuellen Single «Love Like Winter», dem Klassiker «Days Of The Phoenix», das nur mit Gitarre und Gesang vorgetragene «The Leaving Song», dem Bonustrack «God Called in Sick Today» und dem abschliessenden «Miss Murder» das The Cure-Cover «Feels Like Heaven», welches Davey mit den Worten «This one is not from us - but it's from one of the greatest bands though!» ankündigte. Leider war schon gegen 22h30 Schluss, obwohl die Fans lauthals für weitere Zugaben bettelte. Ebenfalls erwähnen sollte ich die Merch-Preise, Shirts für 25.- Sfr waren die Regel, was bei Ami-Bands leider eine Seltenheit ist. Alles in allem kann also konstatiert werden, dass der Abend wirklich rundum perfekt war, sämtliche Element (Band, Licht, Sound, Publikum,...) waren Stimmig - Lediglich die für einen Headlinder etwas arg zu kurz geratene Performance von AFI bleibt negativ an mir hängen.