Kaum jemandem waren Begriffe wie «Emocore»
und «Screamo» geläufig, als AFI 2003 aus dem bisherigen
Hardcore-Punk-Schema ausbrachen, um der Welt das Überalbum «...Sing
the Sorrow!» zu bescheren. Obwohl die Band im Anschluss darauf
exzessiv tourte (Darunter leider nur lediglich ein Konzert in der
Schweiz!), blieb ihnen der Aufstieg in höhere Gefilde verwehrt,
während Bands mit ähnlichen Konzepten en Masse an ihnen vorbeizogen
und sie etwas ins Abseits drängten. Drei Jahre dauerte darauf die
Prozession aus parallelem Songwriting und Touren, AFI wollten trotz
der bisherigen Erfolge nichts überstürzen, und einen soliden
Nachfolger abliefern - was ihnen im Spätsommer 2006 mit «Decemberunderground»
auch überraschend locker gelang. Das gestrafftere und auf den Punkt
gebrachte Songwriting, sowie die sporadischen Elektro-Elemente
sprachen Bände, plötzlich waren AFI in aller Munde - nicht zuletzt
auch durch das durchgehende Bühnen- & Albumkonzept, sowie die
hervorragenden Liveshows. So betitelte unter anderem das wohl
bekannteste deutsche Metal-Magazin eine Show der aktuellen Tour als
«Das Konzert-Erlebnis des Jahres». Demensprechend hoch waren die
Erwartungen an AFI, immerhin hatte ich sie am letzten Gig verpasst
und somit etwa 5 Jahre nicht mehr live gesehen.
Blindside
Als Support konnten Blindside aus Schweden verpflichtet werden, die
über die Jahre einen ähnlichen Pfad wie AFI eingeschlagen hatten -
weg vom ursprünglichen wilden Hardcore, hin zu griffigeren
Strukturen und Hooklines. Als sie um Punkt 20h10 nach einem
melancholischen Streicher-Intro die Bühne betraten, war das X-Tra
Limmathaus erst zu gut einem Fünftel gefüllt, was sich während der
darauf folgenden 40 Minuten nicht gross ändern sollte. Blindside
konnten vom ersten Song an auf einen glasklaren Mix und eine
angenehme Lautstärke zählen, was hinsichtlich der ansonsten üblichen
Umstände für Support-Bands für einige überrascht hochgezogene
Augenbrauen sorgte - Hoffen wir mal, das sich hier ein neuer Trend
andeutet. Ein gutes Dutzend Fans sorgte im ansonsten eher reserviert
agierenden Pit durch Mitsingen und Herumhüpfen für gute Stimmung,
während die vier Schweden auf der Bühne sämtliche Register ihres
Könnens zogen. Während der Bassist rechts aussen sich mit Vorliebe
einfach nur in staksige Posen schmiss, und der Drummer sein kleines
Kit nach allen Regeln der Kunst verprügelte, sorgte vor allem der
Gitarrist links aussen durch Räderschlagen und Gitarre-um-die-Achse
werfen ohne auch nur ein einziges Riff zu verpassen für kleine
Höhepunkte, während Sänger Christian Lindskog schicke Tanzeinlagen à
la Refused auf's Parkett legte. Hier machte sich klar die jahrelange
Bühnenerfahrung bemerkbar, Blindside groovten wie Sau ohne auch nur
einen Patzer hinzulegen - Respekt. Das dargebotene Material bestand
ausschliesslich aus Songs der letzen drei Alben «Silence», «About A
Burning Fire» und «The Great Depression», die sich leider etwas
stark ähnelten. Als sich die Schweden nach ca. 45 Minuten Spielzeit
sichtlich zufrieden verabschiedten, erhielten sie leider nur etwas
mehr als Anstandsapplaus - es war offensichtlich, dass der
überragende Teil der Besucher für AFI gekommen war.
AFI
Die liessen allerdings eine gute halbe Stunde auf sich warten, was
für reichlich Gelegenheit zum berechtigten Meckern über die
Getränke-Preise im Limmathaus sorgte. 5.20 Sfr für einen Becher Bier
kann ja wohl nicht legal sein... Wie dem auch sei, als das Backdrop
erstmals hochgefahren wurde, markierte der weibliche Teil des
Publikums gleich mal sein Jagdgebiet, indem er in ohrenbetäubendes
Gekreische einstimmte. Als um 21h20 dann das Intro «Prelude 12/21»
aus den Boxen schallte,
bemerkte
ich, dass sich das Limmathaus mittlerweile zu gut 4/5 gefüllt hatte
- beste Voraussetzungen also. Unter sich steigernden Gekreische
betrat Sänger Davey Havoc die im Vergleich zur üblichen Dekoration
eher spärlich eingerichtete Bühne, um die ersten Töne ins Mikro zu
hauchen. Als unter den darauf folgenden elektronischen Beats der
Rest der Band (Jade Puget/Gitarre, Hunter/Bass, Adam Carson/Drums)
ihre Plätze einnahmen, gab's für das Publikum kein Halten mehr, von
dem Zeitpunkt an schien «Mitsingen!» die Devise zu sein und Zürich
gab sich erstaunlich textsicher. «Girl's Not Grey» von «...Sing The
Sorrow!» eröffnete den Abend, dicht gefolgt vom zweiten Song des
aktuellen Albums, «Kill Caustic». AFI gaben sich routiniert und
freundlich, wenn auch etwas mehr Kommunikation mit dem Publikum
nicht geschadet hätte. So richtete Davey nur gerade drei Mal das
Wort ans Publikum, ansonsten liess die Band lieber die Musik
sprechen. Auch bewegungstechnisch gab's einiges zu vermelden,
sämtliche Basser Hunter sprang unaufhaltsam von den extra
aufgebauten Lichtboxen aus umher, Gitarrist Jade lieferte seine
typischen Tänzchen und Davey gab sich extrem wandelbar - Mal
zerbrechlich flüsternd, mal schmerzhaft zusammengekauert und darauf
wieder wild «punkrock-like» umherspringend. AFI spielten um die elf
Songs, bevor sie sich bereits an die beiden Zugaben wagten.
Höhepunkt war nebst der aktuellen Single «Love Like Winter», dem
Klassiker «Days Of The Phoenix», das nur mit Gitarre und Gesang
vorgetragene «The Leaving Song», dem Bonustrack «God Called in Sick
Today» und dem abschliessenden «Miss Murder» das The Cure-Cover «Feels
Like Heaven», welches Davey mit den Worten «This one is not from us
- but it's from one of the greatest bands though!» ankündigte.
Leider war schon gegen 22h30 Schluss, obwohl die Fans lauthals für
weitere Zugaben bettelte. Ebenfalls erwähnen sollte ich die
Merch-Preise, Shirts für 25.- Sfr waren die Regel, was bei Ami-Bands
leider eine Seltenheit ist. Alles in allem kann also konstatiert
werden, dass der Abend wirklich rundum perfekt war, sämtliche
Element (Band, Licht, Sound, Publikum,...) waren Stimmig - Lediglich
die für einen Headlinder etwas arg zu kurz geratene Performance von
AFI bleibt negativ an mir hängen.
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