Anderthalb Jahre nach der Veröffentlichung des letzten Albums "Marrow
Of The Spirit" erhielt die Band Agalloch aus Portland (USA, Oregon),
die Atmospheric Dark Folk/Post Metal spielt, die Möglichkeit, auf
Europa-Tournee zu gehen. Später Herbst oder Winter wären vielleicht
eine passendere Zeit für so einen Besuch, doch trug der kühle nasse
Aprilabend auch zur richtigen melancholischen Stimmung bei, mit der
ichden Klub Sounddock14 betrat, wo das wunderbare Konzert stattfand.
Ausser Agalloch hat noch die interessante amerikanische
Underground-Band Velnias gespielt, die dem Blackened Folk/Doom Metal
zugeordnet werden kann. Zudem war es sehr erfreulich, dass die vor
kurzem wieder ins Leben zurückgerufene schweizerische Band
Excruciation aus Zürich an jenem Abend als Anheizer spielte. Diese
Band hat einen klassischen Doom-Metal-Klang. Weil alle ihr Bestes
gaben, schien der Event aus drei eigenständigen Konzerten zu
bestehen, wodurch eine eigenartige Atmosphäre in jedem der Auftritte
geschaffen wurde. Das beste Geschenk war aber die Dauer des
Auftrittes von Agalloch - diese Band spielte fast zwei Stunden lang!
Wie auch immer, ich möchte mich beim Team vom soundDock 14 und bei
den Veranstaltern Meh Suff! für eine gute Organisation bedanken,
denn kreative Leute lassen sich nur sehr schwer in einen zeitlichen
Rahmen setzen!
Excruciation
Um Punkt 20 Uhr erschienen Excruciation auf der Bühne. Und schon mit
dem ersten Song "Dignitas" stürzte dichter Gitarrenklang auf das
Publikum hinunter; man fühlt es sofort, dass es in der Band drei
Gitarristen gibt. Mich persönlich beeindruckte das Gitarrenduo
Hannes Reitze, der die weisse Gibson-Gitarre spielte, und Mario "Doombag"
Hahn, der eine Dean-Gitarre in seinen Händen hielt. Psychedelische
Gibson Partien wechselten sich mit dichten Dean Riffs ab. Ich war
sehr überrascht, als ich erfuhr, dass "Doombag" erst seit 2011 dabei
ist. Nach solch einer kurzen Zeit in der Band hat er sich auf die
anderen Musiker so fein eingespielt! Diesem Duo schloss sich ab und
zu Marcel Bosshart, der einen langen schwarzen ledernen Umhang trug,
an, indem er sich mit dem artistischen Hannes und dem
höchstkonzentrierten "Doombag" in die gleiche Reihe stellte. Am Ende
des Auftrittes wollte auch Sänger Eugenio Meccariello nicht hinten
anstehen und so konnten die Zuschauer das gemeinsame Headbanging der
Vier auf einmal geniessen. Etwas abgesondert hielt sich der grosse,
langarmige Bassist D.D. Lowinger, dessen Läufe trotz des starken
Wand der drei Gitarren deutlich zu hören waren. Die Set-Liste
beinhaltete die Lieder aus den letzten zwei Alben "Angels To Some,
Demons To Others" und "[t]horns", die die Band nach ihrem
Wiederaufleben seit 2005 veröffentlichte.
Velnias
Darauffolgend betrat die Band Velnias die Bühne. Eine wörtliche
Beschreibung der Atmosphäre fällt mir sehr schwer, aber aus einigen
Gründen änderte sich die Stimmung in der Halle auf einmal, und es
roch nach der Undergound-Freiheit. Vielleicht lag es an den
kunstvoll von Hand bemalten Gewebeflaggen mit Schädeln und
mittelalterlichen heraldischen Emblemen, die als Bühnendekoration
vorhanden waren, oder an der Distanziertheit der Musiker, die fast
keinen Kontakt mit dem Publikum zu finden suchten. Sie benahmen sich
nicht wirklich wie Musiker, sondern eher wie freie und harte Kämpfer
aus dem Altertum. Wahrscheinlich deswegen kann ich ihre Namen nicht
nennen - sie haben sich nicht einmal vorgestellt. Einen sehr starken
Eindruck auf das Publikum machte der Gitarrist/Sänger: während eine
der Kompositionen gespielt wurde, wackelte der Kontakt im
Verstärker, weswegen seine Gitarre kaum zu hören war, und dann
näherte er sich dem Verstärker an und schlug mit seiner ganzen Kraft
darauf! Es hat geklappt, und das Gerät funktionierte wieder. Es sei
betont, dass er aber auch eine starke Stimme hat. Obwohl es in der
Musik viele Geräusche sowie profilierte Bass- und Schlagpartien
gibt, war er während des ganzen Auftrittes deutlich zu hören.
Unterstützt wurde er dabei vom zweiten Gitarristen. Auch der
Schlagzeuger wusste zu glänzen: Seine Beats klangen so dicht wie es
nur möglich war, obwohl er nur eine Basstrommel hatte. Das mag für
manchen nicht 'modern' sein, doch schöne archaische Fills rundeten
seine Leistung ab. Stark! Bis jetzt hat Velnias nur ein einziges
vollständiges Album herausgegeben, das "Sovereign Nocturnal" heisst
und aus drei längeren Kompositionen und einigen EPs besteht.
Wahrscheinlich spielten die Musiker während ihres 45-minütigen
Auftrittes alles, was sie im Repertoire haben. Den Schlusspunkt
setzten sie mit "Risen Of The Moor", an dessen Ende ein archaischer
Lärmeffekt erklang, der an einen heulenden Wind erinnerte.
Unvergesslich!
Agalloch
Nach einer kleinen Umbaupause kam Agalloch-Sänger/Gitarrist und
Frontman John Haughm auf die Bühne. Er hatte keine Gitarre in seinen
Händen, sondern zwei eiserne Tassen, die er auf zwei hölzerne
Baumstümpfe stellte, die vorher auf die Bühne getragen worden
waren.
Ohne das Publikum zu begrüssen, begann er auf der Bühne zu "hexen",
was die ersten Reihen besonders überraschte. Vor einer der Tassen
legte er kreuzweise trockene Hufe mit Fellresten von irgendeinem
Tier, und in der Tasse liess er Wohlgerüche brennen. Es verbreitete
sich in der Halle ein Aroma von stark riechenden brennenden Ästen
mit Harztropfen. Dann nahm John seine Gitarre, und es erklangen
gedehnte, in der Luft "schwebende" Töne. Was für ein Intro! Dann
erklangen die Riffs, und die anderen Musiker betraten die Bühne zu "Limbs".
Agalloch sind echte Meister auf dem Gebiet Dark Folk Metal - es ist
ihnen gelungen, einen schönen psychedelischen Klang zu erzeugen, der
die Zuhörer sofort fesselte und bis zum Ende des Konzertes nicht
entliess. Vorallem die Gitarristen trugen dazu bei mit Tapping,
Picking, Slide Guitar. Ausserdem arbeitet die Band mit vielen
Fotografen und Malern eng zusammen, die von der Musik von Agalloch
inspiriert werden und ihren Beitrag an die CD-Cover leisten. Dass
die Musiker stolz darauf sind, wurde klar, als John dem Maler Mark
Thompson, der das Design des letzten Albums der Band "Marrow Of The
Spirit" entwarf, nach "Ghosts Of The Midwinter Fires"
seine Dankbarkeit äusserte. Das erste Set war geprägt von
Kompositionen aus ihrem letzten Album, gespickt mit Songs aus
früheren Werken wie "Ashes Against The Grain" (2006), zum Beispiel "Falling Snow" und "Limbs".
Nach "Our Fortress is Burning... II: Bloodbirds"
verliessen alle Musiker die Bühne so schnell wie möglich. Doch der
Bassist liess seine Basstrommel nicht sofort schweigen, sondern hob
sie auf, schüttelte sie demonstrativ über seinem Kopf und verliess
die Bühne, während die Trommel noch klang. Es wirkt zauberhaft wenn
ein Instrument ohne den Musiker klingt - als ob ein unsichtbarer
körperloser Waldgeist auf der Bühne schwebt. Nach einer kurzen Pause
erschienen die Musiker wieder auf der Bühne - begleitet von
Zustimmungsrufen aus dem Publikum - und spielten den zweiten Teil,
indem das frühere Material dominierte. Es wurden solche
unverwesliche Meisterwerke wie "Hallways Of Enchanted Ebony" und ?Dead
Winter Days" gespielt. Die Zuschauer unterstützten diese Rückkehr in
die Vergangenheit leidenschaftlich, indem sie mit dem Sänger
mitsangen. Wir danken Agalloch für den märchenhaften Abend!
Setliste: «Limbs» - «Ghosts Of The Midwinter Fires» - «Falling Snow» - «The
Watcher's Monolith» - «Of Stone, Wind And Pillor» - «Into The Painted
Grey» - «Our Fortress Is Burning... II: Bloodbirds» -- Encores: «Hallways
Of Enchanted Ebony» - «Dead Winter Days» - «In The Shadow Of Our Pale
Companion» - «Kneel To The Cross» (Sol Invictus Cover).
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