Ihr kennt das sicher alle, dass man mal mit seinen Gedanken
allein sein will, oder? Und dazu passt am besten eine ganz besondere
Atmosphäre, die mit den alltäglichen Problemen möglichst wenig zu
tun haben sollte. Um eine solche Atmosphäre zu erschaffen, muss man
bloss Post-Black Metal/Shoegaze hören, Musik von Bands wie Alcest,
Lantlôs, Les Discrets oder Agalloch, um nur die bedeutendsten
Vertreter der französischen und amerikanischen Schule dieses Genres
zu nennen.
Viele Fans dieser Musikrichtung kennen und schätzen auch das
Schaffen des hochtalentierten Torsten Hirsch des deutschen
Avant-Garde Black-Metal-Projektes Nocte Obducta. Der
Multiinstrumentalist und Sänger ist auch der Gründer der Gruppe
Agrypnie, die im Vergleich zu den anderen genannten Bands eine
melodischere und philosophiereichere Form von Post-Black Metal
spielen. Am 10. März trat Agrypnie als Headliner in Zürich auf. Es
war das Abschlusskonzert der kurzen Europatournee, die die Band zur
Promotion ihres neuen, erst im Februar herausgegebenen Albums Aetas
Cineris veranstaltet hatte. Als Vorgruppe waren die progressive
Black-Metaller Der Weg einer Freiheit und die Post-Black-Metal/Shoegaze-Gruppe
Heretoir mit auf der Tour. Die beiden Bands sind ebenso wie Torsten
deutscher Herkunft und haben schon treue Fans in ganz Europa für
sich gewinnen können. Zwei Mitglieder von Heretoir sind übrigens als
Tourneemusiker in Agrypnie tätig und alle Musiker kennen einander
sehr gut, weswegen auch eine freundliche und angenehme Atmosphäre am
Event herrschte. Man kann mit Sicherheit behaupten, dass Deutschland
auch eine ganz starke Post-Black-Metal-Schule besitzt und das
bekamen die Zuschauer am eigenen Leib zu spüren!
Heretoir
Das Konzert begann um acht Uhr. Die Zuschauer warteten schon
ungeduldig auf die erste Band, deren Leader David „Eklatanz“ einige
der Leute dann auch persönlich begrüsste. Wahrscheinlich die
treuesten Fans, die der Gruppe auf der Tournee von Stadt zu Stadt
folgen. Da war es klar, dass man der Band auch die Zeitverzögerung
wegen technischer Probleme nicht übel nahm. Während der Zwangspause
bedankte sich David «Eklatanz» herzlich beim Technikpersonal, das
die Gruppe auf dieser Reise begleitete, und bei dem Roadie, der den
Auftritt aufnahm. Ich finde, alle drei Gruppen hatten es verdient,
aufgenommen zu werden, denn jede Band spielt tolle düstere Musik mit
einprägsamen Melodien, aber der Sound von Heretoir wirkte noch ein
wenig raffinierter der der anderen Bands. Die Melodie war so fein,
dass sie an die klare Luft des noch nicht belaubten Waldes zu
Frühlingszeiten erinnerte. In dieses Bild und die Atmosphäre konnte
man sich ganz einfach hinein versetzen, denn das Konzert fand im
„Werk 21“ statt, wo die Bühne sehr niedrig ist und man so als
Zuschauer das Gefühl hat, als stünde man zwischen den Musikern und
mittendrin in der Zauberwelt der Klänge. Die Stimme stand beim
Gesamtklang eher im Hintergrund, das Instrumentale dagegen im
Vordergrund, was wohl auch durch die misanthropische Grundstimmung
des Bandleaders zu erklären ist. Besonders hervorheben muss man das
grossartige Tapping von David und die auffälligen Basspartien, die
der Bassist Matthias «Nathanael» im Wechselspiel mit den
Geräusch-Gitarren-Effekten darbot. Die Band spielte Stücke aus
verschiedenen Zeiten ihres Schaffens, darunter auch vom einzigen
Full-Length-Album „Heretoir“ aus dem Jahre 2011. Ungefähr in der
Mitte ihres Auftritts kündigte David «Eklatanz» das Lied „Wiedersehen...unsere
Hoffnung“ an, das er zusammen mit dem Depressive-Black-Metal-Projekt
„Thränenkind“, dessen Leader der Bassist Matthias «Nathanael» ist,
auf einer Split-EP veröffentlichte. Dieser Track bildete zweifellos
den Höhepunkt des 50-minutigen Auftrittes, der dann mit dem Song „Inhale“
beendet wurde.
Der Weg einer Freiheit
15 Minuten später war die Bühne bereit für den Auftritt von Der Weg
einer Freiheit, die 2012 ihr zweites Full Length-Album „Unstille“
herausgegeben hatte. Bei ihrem Auftritt wurden aber nicht nur Songs
von „Unstille“, sondern auch Stücke ihres vorherigen Schaffens
dargeboten. In diesem Zusammenhang ist es wohl passend, die Meinung
von Mille Petrozza (Kreator) über die Band in Spiegel Online zu
erwähnen: „Der Weg einer Freiheit sind die Zukunft des deutschen
Extrem-Metal. Überdeutlicher geht's nicht!“. Und wirklich hörte man
schon bei den ersten Riffs, was hier alles geboten werden würde, und
das Publikum kam sofort in Fahrt. Die Band begann ihren Auftritt mit
den ziemlich aggressiven Riffs eines Songs von dem ersten Album
„Ewigkeit“. Der Sänger Tobias Jaschinsky wartete mit sicheren
Screams auf, die einen blechernen Klang haben, später wurde er von
David «Eklatanz» von Heretoir verstärkt, der nochmals die volle
Wucht seines Schrei-Gesangs einsetzte. So waren zwei Sänger
gleichzeitig auf der Bühne. Dem Technikteam muss man für den tollen
Sound danken, die Gitarre klang sehr rein, so dass besonders in der
Nähe der Bühne die schönen melodischen Gitarrenpassagen sehr gut
hörbar waren. Es ist aussergewöhnlich, dass solche Melodien
eingesetzt werden können, ohne dass die Extremität der Musik dadurch
verlieren würde. Die Rhythmus-Fraktion hörte man dagegen besser ganz
hinten im Saal. Die Band wurde von den Zuschauern gefeiert, was
wahrscheinlich auch der Grund dafür war, dass man den Auftritt mit
einer Zugabe beendete, was für Vorbands ja nicht so typisch ist.
Nach den letzten Riffs des Old-School-Songs „Neubeginn“ glaubte man
erst, die Band hätte den Auftritt schon beendet, dann kam sie aber
nochmals auf die Bühne und spielte noch zum Abschluss das Lied
„Ruhe“.
Agrypnie
Gegen halb elf begannen die Headliner Agrypnie ihren Auftritt.
Obwohl diese Tournee zur Promotion des neuen Albums durchgeführt
wurde, benutzte man das orchestrale Geräuschintro des vorherigen
Albums „Figur 109-3“. Schon während des Intros kam der Bandleader
Torsten Hirsch auf die Bühne und überzeugte sofort durch seinen sehr
sicheren Harsch-Gesang. Alles, was die Deutschen machen und
schaffen, wirkt irgendwie sicher und fundamental. Agrypnies
Musik
handelt von einem düsteren Jenseits, das von starken, körperlosen
Geistern bewohnt wird. Die von dieser Idee inspirierte unheimliche
Stimmung strahlte Torsten aus, und alle Musiker und das Publikum
wurden davon in den Bann gezogen. Der Platz vor der Bühne wurde dann
auch immer knapper. Torsten war bemalt, die Farbe seiner Haut war
die von Asche und er hatte weiße Kontaktlinsen an, so dass er an
einen mysteriösen blinden Prophet erinnerte. Die Gesichter der
anderen Musiker waren unter ihrem Corpsepaint auch kaum zu erkennen.
Besonders auffällig wirkte das bei David «Eklatanz», der eigentlich
schwarz ist, und sich nun scheinbar in einen greisen Schamanen
verwandelt hatte. Nach dem ersten Lied stellte Torsten jeden Musiker
vor und bedankte sich bei jedem. Er vergaß auch nicht den neuen
Gitarristen Martin, der seine Solopartien wegen gesundheitlicher
Probleme im Sitzen spielte.
Zu Beginn des Sets nahm Torsten nur den Platz hinter dem Mikrophon
ein, aber nachdem er den Song „„Trümmer/Aetas Cineris“ vom neuen
Album „Cineris“ angekündigt hatte, nahm er eine Gitarre zur Hand und
begann zu spielen, so dass dann drei Gitarristen auf der Bühne
standen. Dadurch ergab sich natürlich ein sehr wuchtiges Riffing.
Die Band spielte noch drei einprägsame Songs vom neuen Album:
«Zurück», «Asche»; als Zugabe wurde der starke und düstere Track
„Gnosis“ ausgewählt. Aber trotz allem spielte man als weitere Zugabe
den bekannten Hit „Augenblick“. Dadurch schaffte es Torsten alle
Fans glücklich zu machen: diejenige, die schon lange Fan der Gruppe
sind und ihr Schaffen seit Jahren verfolgen, aber auch diejenigen,
die Agrypnie erst gerade entdeckt haben. Wie jedem talentierten
Menschen ist es auch Torsten Hirsch gelungen, interesssante und
individuelle Musiker um sich zu versammeln. So war diese kleine
Tournee auch vor allem für diejenigen Leute interessant, die
aktuelle Entwicklungen in der europäischen Metal-Szene verfolgen.
Vielen Dank an die „Meh Suff!”-Leute, dass sie dieses Konzert
veranstaltet haben!
Setlist: „Figur 109-3“;„Der Tote Trakt“;„Kadavergehorsam“;„Trümmer/Aetas
Cineris“;„0545“;„Zurück“;„Morgen“; „Gnosis“; „Augenblick“
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