Zuerst glaubte ich (und da war ich nicht alleine mit dieser
Meinung!), das sei ein Witz von wegen St. Jakobshalle! 8'500 bis
maximal um die 9'000 Fans fasst die Halle, wenn sie für Konzerte
hergerichtet wird. Natürlich haben Airbourne zwei gute Platten raus
gebracht, sich in der letzten Zeit den Arsch landauf landab wirklich
bös abgespielt und wurden durch die Fachpresse königlich
unterstützt! Andere sagen dem allerdings gehypt bis an den Bach
runter. Wie dem auch sei, aber da hatte man sich nun bös verzockt,
denn nur 1'100 abgesetzte Tickets im Vorverkauf sprechen eine
deutliche Sprache! Weil das Konzert dennoch so durchgezogen wurde,
lässt vermuten, dass eine Absage noch mehr an die Geldbörse gegangen
wäre. Die organisatorische Folge war schliesslich, dass die Bühne
mitten in die Halle platziert wurde. Doch auch so verloren sich die
letztlich knapp 1'200 Leute komplett in der vergleichsweise riesigen
Halle. Auf die Performance färbte das freilich nicht ab und obwohl
Enforcer aus Schweden live als Support nicht so glänzten, war auch
deren Merchstand danach sehr gut besucht!
Enforcer
Die erste Begegnung mit den jungen Wilden aus dem hohen Norden fand
anlässlich des diesjährigen BYH!!!-Festivals in Balingen (D) statt.
Dort war man vom Publikum her eher besser aufgehoben, da mitten
unter Metalheads und konnte trotz der frühen Auftrittszeit als
zweite Band des ersten Tages dennoch punkten. Die Jugendlichkeit
sprach aber heute Abend alleine schon für sich, denn die anwesenden
Fans waren insgesamt etwa im gleichen Range. Mit im Gepäck hatten
die Schweden ihren ersten Longplayer «Diamonds», den es, sollte man
das nicht schon lange getan haben, echt zu entdecken gibt! Typischer
Heavy Metal der goldigen NWOBHM-Zeit, allen voran Iron Maiden und
die frühen Def Leppard, wird einem da mit einem wuchtigen Sound um
die Ohrmuscheln geblasen! Und genau das war heute Abend aber das
fehlende und entscheidende Element, das praktisch jede Support-Band
zu ertragen, respektive zu akzeptieren hat. Enforcer versuchten
dieses Manko durch einen energetisch vorgetragenen Auftritt wett zu
machen, was nur bedingt gelang. Durch den fehlenden Druck wirkte
alles ziemlich gleichförmig und Sänger Olof Wikstrand klang trotz
vollem Einsatz nicht wirklich souverän. Die Gitarren-Arbeit von
Joseph Tholl und Adam Zaars konnte sich allerdings sehen lassen und
auch die Rhythmus-Abteilung mit Bassist Tobias Lindkuist und Drummer
Jonas Wikstrand (wohl der Bruder des Frontmanns) war nicht von
schlechten
Eltern.
Mir stellte sich bei allem Enthusiasmus aber die Frage, ob die Jungs
mit ihrem Retro-Sound aktuell nicht auf das falsche Pferd setzen?!
Womöglich werden sie, sollte auch das zweite Album die unbekümmerte
Frische aufrecht erhalten können, weiter im Gespräch bleiben, sonst
wohl eher nicht. Dieses Jahr kamen jedoch auch altgediente Bands wie
Savage Grace oder Omen wieder zurück. Die grosse Masse wird man
damit aber ebenso wenig wie früher mobilisieren können und für
Enforcer dürfte selbst eine Karriere wie die von Saxon (von Iron
Maiden oder Judas Priest sprechen wir jetzt gar nicht erst) in
unerreichbarer Ferne liegen. Trotzdem legten Enforcer in Basel einen
beherzten, gut 40-minütigen Auftritt hin und hatten auch sichtlich
Spass an dem, was sie da taten. Die Publikumsreaktionen waren dabei
nicht mal übel und wer auch nur etwas Gefallen an dieser Band
gefunden hat, sollte sich unbedingt die neue Langrille der fünf
Nordlichter zulegen und wird dabei ganz sicher noch ins Staunen
kommen, garantiert!
Setliste:* «Midnight Vice» - «Roll The Dice» - «On The Loose» -
«Diamonds» - «Screams Of The Savage» - «Walk With Me» - «Take Me To
Hell». (*Hinweis: Diese Setliste stammt von München vom Tag zuvor,
dürfte aber ziemlich sicher identisch sein!)
Airbourne
Es gibt einige Bands, die schon länger als die vier (übrigens
echten!) Australier auf der Bildfläche der Rock-Szene erschienen
sind, aber kaum eine andere Combo war dermassen und in so kurzer
Zeit bei so vielen Konzerten und Festivals anzutreffen! Alleine in
der Schweiz habe ich Airbourne in der letzten Zeit schon mindestens
viermal gesehen! Die Stationen waren Zürich (Rohstofflager), Huttwil
(Sportzentrum), Sonisphere Festival 2010 (Jonsch-wil) und zuletzt
hier in Basel. Und jedes Mal gab das Quartett um die O'Keeffe-Brüder
Joel (v/g) und Ryan (d) voll Stoff! Gefühlsmässig war aber der erste
Gig im proppenvollen Rohstofflager (R.I.P.) das Nonplusultra, das
nachher nie mehr auch nur annähernd erreicht wurde. Der heutige
Anblick der gähnend leer wirkenden Halle musste zuerst einmal
verdaut werden, doch sowas dürfte den Känguru-Rockern ziemlich egal
gewesen sein, denn kaum auf der Bühne erschienen, legten sie den
berühmten Hebel um und gaben vom ersten bis zum letzten Ton volle
Kanne, wie man das ja von ihnen mittlerweile kennt. Die schrille und
permanent laute Stimme von Frontgaul Joel O'Keeffe ist dabei ja
nicht jedermanns Sache gleichermassen, aber mir persönlich ist
hierbei zum Beispiel bei Bullet das Ende der Fahnenstange erreicht.
Joel singt zwar nicht so
hoch
wie Hell Hofer, dafür aber kaum mit Nuancen, doch will man zum
Rock'n'Roll im Geiste von Angus Young & Co. überhaupt was anderes?
Nach dem furiosen Debüt «Running Wild» von 2007 legten die Jungs
letztes Jahr mit «No Guts, No Glory» kräftig nach und bestätigten
vorerst die steile Vorlage, die man sich selber auferlegt hat. Es
ist wahrlich keine Kunst, sich eine Gitarre umzuschnallen und nach
AC/DC zu klingen. Das haben hunderte von anderen Bands vorher schon
gemacht und kaum eine dieser zahllosen Lärm-Kapellen ist damit auf
einen grünen Zweig gekommen. Airbourne haben es bisher aber
verstanden, trotz der stilistischen Nähe zu den Übervätern,
zumindest an der Qualität eines Weltklassikers wie «Highway To Hell»
spürbar dran zu sein. Den Rock-Olymp haben sie freilich noch lange
nicht erreicht und es ist ziemlich unwahrscheinlich, dass sie
dereinst mal Fussballstadien füllen werden.
Nichtsdestotrotz rockten Airbourne natürlich auch ihr Basler
Publikum in Grund und Boden. Die Start-Doublette mit «Raise The
Flag» und «Hellfire» zündete nach dem Intro sogleich den Turbo.
Besonders Bassist Justin Street geht dann jeweilen heftig ab wie ein
Zäpfchen und wird mit seiner wilden Bangerei in ein paar Jahren dann
schon merken, welches Schicksal Jason Newsted nach 15 Jahren bei
Metallica oder Slayers Tom Araya inzwischen ereilt hat. Doch wenn
man jung ist, hat man kein Gehör für mahnende Worte der alten Säcke
und dann gibt es nur eines: Vollgas! In Sachen optimaler
Mitsingmöglichkeiten empfahlen sich derweil vor dem Backdrop mit dem
Bandnamen in grossen Buchstaben «Blonde, Bad And Beautiful», «Bottom
Of The Well», «No Way But The Hard Way» oder auch «Cheap Wine &
Cheaper Woman» bestens und sorgten
unter den Anwesenden für ausgelassene Stimmung in der St.
Jakobshalle. Während Joel das Ritual "Bierbüchse an den Kopf
schlagen, bis sie platzt" offenbar immer noch durchzieht,
verzichtete er diesmal auf seine in der Regel stets sehr
gefährlichen bis lebensmüden, da ungesicherten Klettereien an den
Bühnengerüsten hinauf. Da nebenan im St. Jakob Park gleichzeitig
noch der FC Basel in der Champions League gegen CFR Cluj spielte
(und bekanntlich 1:0 gewann), wurde das Konzert nebenan früher
angesetzt, damit sich die Leute nach dem Ende der Veranstaltungen
nicht in die (Verkehrs-) Quere kommen. So kam es dann halt, dass
Airbourne die Bühne nach knapp 85 schweisstreibenden Minuten und
zwei Zugaben definitiv verliessen und die Uhr noch nicht mal 22.00
Uhr anzeigte. So konnte man sich, wer denn noch mochte, den Rest
der Lordi-Show im nahen Z7 in Pratteln rein ziehen. Fazit: Ich würde
jetzt nicht behaupten, dass die vier sympathischen Rabauken aus
Down Under ihren Zenit schon überschritten haben, aber es wird sich
zeigen, ob der ansich gute Start für eine andauernde Karriere
ausreicht oder ob in naher Zukunft eine weitere Rock'n'Roll Band
einer Sternschnuppe gleich verglühen wird! Laut-stärke allein (und es
war laut!) genügt da nicht.
Setliste: «Intro» - «Raise The Flag» - Hellfire» - «Chewin' The Fat»
- «Diamond In The Rough» - «Blonde, Bad And Beautiful» - «Girls In
Black» - «Bottom Of The Well» - «Cheap Wine & Cheaper Women» - «Born
To Kill» - «No Way But The Hard Way» - «Too Much, Too Young, Too
Fast» -- «Runnin' Wild» - «Stand Up (For Rock'n'Roll)».
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