Livereview: Airbourne - Enforcer
23. November 2010, Basel - St. Jakobshalle
By Rockslave
Zuerst glaubte ich (und da war ich nicht alleine mit dieser Meinung!), das sei ein Witz von wegen St. Jakobshalle! 8'500 bis maximal um die 9'000 Fans fasst die Halle, wenn sie für Konzerte hergerichtet wird. Natürlich haben Airbourne zwei gute Platten raus gebracht, sich in der letzten Zeit den Arsch landauf landab wirklich bös abgespielt und wurden durch die Fachpresse königlich unterstützt! Andere sagen dem allerdings gehypt bis an den Bach runter. Wie dem auch sei, aber da hatte man sich nun bös verzockt, denn nur 1'100 abgesetzte Tickets im Vorverkauf sprechen eine deutliche Sprache! Weil das Konzert dennoch so durchgezogen wurde, lässt vermuten, dass eine Absage noch mehr an die Geldbörse gegangen wäre. Die organisatorische Folge war schliesslich, dass die Bühne mitten in die Halle platziert wurde. Doch auch so verloren sich die letztlich knapp 1'200 Leute komplett in der vergleichsweise riesigen Halle. Auf die Performance färbte das freilich nicht ab und obwohl Enforcer aus Schweden live als Support nicht so glänzten, war auch deren Merchstand danach sehr gut besucht!

Enforcer

Die erste Begegnung mit den jungen Wilden aus dem hohen Norden fand anlässlich des diesjährigen BYH!!!-Festivals in Balingen (D) statt. Dort war man vom Publikum her eher besser aufgehoben, da mitten unter Metalheads und konnte trotz der frühen Auftrittszeit als zweite Band des ersten Tages dennoch punkten. Die Jugendlichkeit sprach aber heute Abend alleine schon für sich, denn die anwesenden Fans waren insgesamt etwa im gleichen Range. Mit im Gepäck hatten die Schweden ihren ersten Longplayer «Diamonds», den es, sollte man das nicht schon lange getan haben, echt zu entdecken gibt! Typischer Heavy Metal der goldigen NWOBHM-Zeit, allen voran Iron Maiden und die frühen Def Leppard, wird einem da mit einem wuchtigen Sound um die Ohrmuscheln geblasen! Und genau das war heute Abend aber das fehlende und entscheidende Element, das praktisch jede Support-Band zu ertragen, respektive zu akzeptieren hat. Enforcer versuchten dieses Manko durch einen energetisch vorgetragenen Auftritt wett zu machen, was nur bedingt gelang. Durch den fehlenden Druck wirkte alles ziemlich gleichförmig und Sänger Olof Wikstrand klang trotz vollem Einsatz nicht wirklich souverän. Die Gitarren-Arbeit von Joseph Tholl und Adam Zaars konnte sich allerdings sehen lassen und auch die Rhythmus-Abteilung mit Bassist Tobias Lindkuist und Drummer Jonas Wikstrand (wohl der Bruder des Frontmanns) war nicht von schlechten Eltern. Mir stellte sich bei allem Enthusiasmus aber die Frage, ob die Jungs mit ihrem Retro-Sound aktuell nicht auf das falsche Pferd setzen?! Womöglich werden sie, sollte auch das zweite Album die unbekümmerte Frische aufrecht erhalten können, weiter im Gespräch bleiben, sonst wohl eher nicht. Dieses Jahr kamen jedoch auch altgediente Bands wie Savage Grace oder Omen wieder zurück. Die grosse Masse wird man damit aber ebenso wenig wie früher mobilisieren können und für Enforcer dürfte selbst eine Karriere wie die von Saxon (von Iron Maiden oder Judas Priest sprechen wir jetzt gar nicht erst) in unerreichbarer Ferne liegen. Trotzdem legten Enforcer in Basel einen beherzten, gut 40-minütigen Auftritt hin und hatten auch sichtlich Spass an dem, was sie da taten. Die Publikumsreaktionen waren dabei nicht mal übel und wer auch nur etwas Gefallen an dieser Band gefunden hat, sollte sich unbedingt die neue Langrille der fünf Nordlichter zulegen und wird dabei ganz sicher noch ins Staunen kommen, garantiert!

Setliste:* «Midnight Vice» - «Roll The Dice» - «On The Loose» - «Diamonds» - «Screams Of The Savage» - «Walk With Me» - «Take Me To Hell». (*Hinweis: Diese Setliste stammt von München vom Tag zuvor, dürfte aber ziemlich sicher identisch sein!)

Airbourne
Es gibt einige Bands, die schon länger als die vier (übrigens echten!) Australier auf der Bildfläche der Rock-Szene erschienen sind, aber kaum eine andere Combo war dermassen und in so kurzer Zeit bei so vielen Konzerten und Festivals anzutreffen! Alleine in der Schweiz habe ich Airbourne in der letzten Zeit schon mindestens viermal gesehen! Die Stationen waren Zürich (Rohstofflager), Huttwil (Sportzentrum), Sonisphere Festival 2010 (Jonsch-wil) und zuletzt hier in Basel. Und jedes Mal gab das Quartett um die O'Keeffe-Brüder Joel (v/g) und Ryan (d) voll Stoff! Gefühlsmässig war aber der erste Gig im proppenvollen Rohstofflager (R.I.P.) das Nonplusultra, das nachher nie mehr auch nur annähernd erreicht wurde. Der heutige Anblick der gähnend leer wirkenden Halle musste zuerst einmal verdaut werden, doch sowas dürfte den Känguru-Rockern ziemlich egal gewesen sein, denn kaum auf der Bühne erschienen, legten sie den berühmten Hebel um und gaben vom ersten bis zum letzten Ton volle Kanne, wie man das ja von ihnen mittlerweile kennt. Die schrille und permanent laute Stimme von Frontgaul Joel O'Keeffe ist dabei ja nicht jedermanns Sache gleichermassen, aber mir persönlich ist hierbei zum Beispiel bei Bullet das Ende der Fahnenstange erreicht. Joel singt zwar nicht so hoch wie Hell Hofer, dafür aber kaum mit Nuancen, doch will man zum Rock'n'Roll im Geiste von Angus Young & Co. überhaupt was anderes? Nach dem furiosen Debüt «Running Wild» von 2007 legten die Jungs letztes Jahr mit «No Guts, No Glory» kräftig nach und bestätigten vorerst die steile Vorlage, die man sich selber auferlegt hat. Es ist wahrlich keine Kunst, sich eine Gitarre umzuschnallen und nach AC/DC zu klingen. Das haben hunderte von anderen Bands vorher schon gemacht und kaum eine dieser zahllosen Lärm-Kapellen ist damit auf einen grünen Zweig gekommen. Airbourne haben es bisher aber verstanden, trotz der stilistischen Nähe zu den Übervätern, zumindest an der Qualität eines Weltklassikers wie «Highway To Hell» spürbar dran zu sein. Den Rock-Olymp haben sie freilich noch lange nicht erreicht und es ist ziemlich unwahrscheinlich, dass sie dereinst mal Fussballstadien füllen werden.

Nichtsdestotrotz rockten Airbourne natürlich auch ihr Basler Publikum in Grund und Boden. Die Start-Doublette mit «Raise The Flag» und «Hellfire» zündete nach dem Intro sogleich den Turbo. Besonders Bassist Justin Street geht dann jeweilen heftig ab wie ein Zäpfchen und wird mit seiner wilden Bangerei in ein paar Jahren dann schon merken, welches Schicksal Jason Newsted nach 15 Jahren bei Metallica oder Slayers Tom Araya inzwischen ereilt hat. Doch wenn man jung ist, hat man kein Gehör für mahnende Worte der alten Säcke und dann gibt es nur eines: Vollgas! In Sachen optimaler Mitsingmöglichkeiten empfahlen sich derweil vor dem Backdrop mit dem Bandnamen in grossen Buchstaben «Blonde, Bad And Beautiful», «Bottom Of The Well», «No Way But The Hard Way» oder auch «Cheap Wine & Cheaper Woman» bestens und sorgten unter den Anwesenden für ausgelassene Stimmung in der St. Jakobshalle. Während Joel das Ritual "Bierbüchse an den Kopf schlagen, bis sie platzt" offenbar immer noch durchzieht, verzichtete er diesmal auf seine in der Regel stets sehr gefährlichen bis lebensmüden, da ungesicherten Klettereien an den Bühnengerüsten hinauf. Da nebenan im St. Jakob Park gleichzeitig noch der FC Basel in der Champions League gegen CFR Cluj spielte (und bekanntlich 1:0 gewann), wurde das Konzert nebenan früher angesetzt, damit sich die Leute nach dem Ende der Veranstaltungen nicht in die (Verkehrs-) Quere kommen. So kam es dann halt, dass Airbourne die Bühne nach knapp 85 schweisstreibenden Minuten und zwei Zugaben definitiv verliessen und die Uhr noch nicht mal 22.00 Uhr anzeigte. So konnte man sich, wer denn noch mochte, den Rest der Lordi-Show im nahen Z7 in Pratteln rein ziehen. Fazit: Ich würde jetzt nicht behaupten, dass die vier sympathischen Rabauken aus Down Under ihren Zenit schon überschritten haben, aber es wird sich zeigen, ob der ansich gute Start für eine andauernde Karriere ausreicht oder ob in naher Zukunft eine weitere Rock'n'Roll Band einer Sternschnuppe gleich verglühen wird! Laut-stärke allein (und es war laut!) genügt da nicht.

Setliste: «Intro» - «Raise The Flag» - Hellfire» - «Chewin' The Fat» - «Diamond In The Rough» - «Blonde, Bad And Beautiful» - «Girls In Black» - «Bottom Of The Well» - «Cheap Wine & Cheaper Women» - «Born To Kill» - «No Way But The Hard Way» - «Too Much, Too Young, Too Fast» -- «Runnin' Wild» - «Stand Up (For Rock'n'Roll)».