So müsste es eigentlich immer ablaufen! Zuerst ein gepflegtes
Star-Interview führen und dann am Abend im Fotograben stehen.
(Hobby-) Journalisten-Herz, was willst du mehr? Die zumindest etwas
zu Beginn vorherrschende Nervosität zeigte mir zudem an, dass einen
das Ganze auch nach Jahren noch packen kann und man gleichzeitig
weiss, dass nun eigentlich alles und jeder in Reichweite liegen
würde. Dass das Konzert des Schock-Rock Meisters von Basel nach
Winterthur verschoben wurde, war dabei nicht mal schlecht wie
gleichzeitig nötig, denn der Publikumsaufmarsch lag nur bei etwa
rund geschätzten 3'500 Zuschauern, die sich in der St. Jakobshalle
ziemlich verloren hätten. Auf der anderen Seite überraschte die Wahl
der Eulachhalle trotzdem ein wenig, da mal bekannt wurde, dass die
Anwohner dort keinen Bock mehr auf die bekannten, begleitenden
Emissionen von Konzerten haben. Wie dem auch sei, Alice Cooper war
angesagt, kam und spielte routiniert auf. Als Support waren die
quirligen und jugendlichen Jungspunde von The Treatment dabei, die
mächtig Spass hatten. (rsl)
The Treatment
Die jungen Briten mit Durchschnittsalter 18 (!) stürmten bereits
um 19.15 Uhr die Bühne und legten gleich wie die Feuerwehr los! Im
Februar erschien ihr Debüt «This Might Hurt», das mit groovigem
Hardrock, angereichert mit teils leicht metallischen Zitaten
aufwarten konnte. Sänger Matt Jones klingt entfernt wie Steven Tyler
und auch als musikalische Richtschnur sind durchaus Aerosmith, die
alten AC/DC, die alten Bon Jovi, The Cult sowie The Almighty und ein
wenig Airbourne je nachdem auszumachen. Dazu noch etwas Attitüde von
Ex-Skid Row Fronter Sebastian Bach. Die Saitenfront um Ben Brookland
(g), Tag Grey (g) und Bassist Swoggle war von Anfang immer in
unermüdlicher Bewegung und war geradezu beseelt von jugendlich
überschäu-mender Energie! In gleicher Manier agierte auch
Schlagzeuger Dhani Mansworth, der seinen Kollegen einen fetten und
straighten Beat servierte. Trotzdem kam die Chose noch reichlich
holprig rüber und es schlichen sich einige, wenn auch kleine
Spielfehler ein. Zudem fehlte mir der nötige Druck von der Bühne
runter, der dem überraschend guten Eindruck der überzeugenden
CD-Produktion nicht gerecht werden konnte. Nichtsdestotrotz gaben
die Jungs alles was sie hatten und konnten vor allem bei den
zahlreich anwesenden jüngeren Fans punkten. Bei lediglich 30 Minuten
Spielzeit war es allerdings nicht möglich, den ganzen Range der Band
präsentieren zu können, obwohl mit «Nothing To Lose (But Our Minds)»
ein Song ausgewählt wurde, der auch gut und gern von Kiss hätte
stammen können. The Treatment sind noch blutjung als Band und wer
weiss, vielleicht wird ja nochmal was aus den Jungs aus Cambridge
(UK). Der Zulauf an vornehmlich jungen Girls am Merchstand hat
zumindest gezeigt, dass man bei den Mädels voll angesagt ist. Wenn
sich das offensichtliche Talent dereinst qualitativ ins Songwriting
einnisten wird und die technischen Fähigkeiten ebenfalls stetig
zunehmen, darf man sich diesen Bandnamen für die Zukunft getrost
merken. (rsl)
Setliste: «Drink, Fuck, Fight» - «Shake The Mountain» - «The Coldest
Place On Earth» - «The Doctor» - «Road Rocket» - «Departed» - «Nothing
To Lose (But Our Minds)» - «Way of The World».
Alice Cooper
Vorhang auf und Bühne frei für den Meister. Dass Alice Cooper
weiss, wie er sich zu inszenieren hat, wie grosses Rock-Kino gemacht
wird, das ist bekannt. Doch eine gute Show bleibt eine gute Show und
so scherte es wenig, dass Cooper wie schon vor ein paar Monaten am
Sonisphere sein Horror-Rock-Kabinett auf einem hohen Podest thronend
mit «The Black Widow» eröffnete. Nicht zuletzt, da er mit «Brutal
Planet» danach gleich einen eher selten gespielten Knüller der
jüngeren Vergangenheit nachschob. Mit schwarzen Tüchern, Spinnweben
und mit Leichenpuppen war die Bühne dabei stilecht verhangen, über
welche Cooper Zepter schwingend stolzierte, seine Mannschaft
unermüdlich dirigierend. Die hatte es denn auch bitternötig, denn
während man dem Zirkusdirektor selbst und unverwüstlichen Songs wie
«I'm Eighteen», «Under My Wheels» oder «Billion Dollar Babies»
(inklusive den obligatorischen, auf einen Säbel aufgespiessten
Dollar-Scheinen) ihr Alter nicht anmerkte, schien die
Instrumentenfraktion nicht so sicher im Sattel zu sitzen. Zwar
konnte und kann an der Rhythmus-Truppe, bestehend aus Glen
Sobel am
Schlagwerk und Basser Chuck Garric, nicht rumgemeckert werden, umso
mehr aber liess die dreiteilige Gitarrensektion zu wünschen übrig.
Insbesondere der mit weiblichen Reizen nicht geizende Neuzugang, Orianthi Panagaris, erweckte den Eindruck, dass hier mehr die Kurven
denn die Technik bei ihrer Einstellung im Vordergrund gestanden
hatten. Alltime-Krachern wie «No More Mr. Nice Guy» oder «Hey
Stoopid» konnte das, den Rockgöttern sei Dank, nicht wirklich etwas
anhaben und so weilte das Publikum, wenn auch nicht im siebten
Rockhimmel, so doch in ausgelassener Mitmach- und Mitsingstimmung.
Ob uralt wie das relaxte «Is It My Body» und das psychedelische
«Halo Of Flies» oder erst eben veröffentlicht wie «I'll Bite Your
Face Off», der einzige gespielte Song vom aktuellen Rundling «Welcome
2 My Nightmare», Alice konnte sich der positiven Reaktionen seiner
Fans sicher sein und dass, obwohl bis zu diesem Zeitpunkt des
Konzerts vergleichsweise wenig Showeffekte ihre Verwendung fanden.
Dies änderte sich nach «Muscle Of Love», als Cooper zu «Only Women
Bleed» die altbekannte Damenpuppe sanft liebkoste, nur um dieselbe
während «Cold Ethyl» genüsslich über die Bühne zu prügeln.
Zusammen mit Iron Maiden absolvierte Alice Cooper seine
Sonisphere-Auftritte letzten und vorletzten Sommer. Warum dies hier
steht? Weil sich Cooper scheinbar von den Eisernen Jungfrauen in
Sachen Special Effects hat inspirieren lassen, stolperte zu «Feed My
Frankenstein» doch ein dreieinhalb Meter grosses Frankenstein Monster
über die Bühne. Eine gelungene Überraschung fürs Auge, auf
welche gleich eine für die Ohren folgte: Wie lange es
her ist, seit es «Clones (We're All)» vom 1980er-Album «Flush The
Fashion» das letzte Mal auf die Setliste geschafft hat? Ich weiss es
echt nicht mehr. Zu lange her ist es auf jeden Fall, denn der an das
Musical «Rocky Horror Show» erinnernde Song schlug beim Publikum ein
wie eine Bombe. Ausser natürlich bei jenen, welche nur die Hits
kennen. Diese durften dafür zu «Poison» ihre Stimmbänder
überstrapa-zieren, was wieder einmal eines klarmachte: Alice Cooper
braucht keine Reitgerte, auch wenn dies «Wicked Young Man»
suggerierte, bei welchem ein armer Roadie den durchgeknallten Fan
spielen musste, der die Bühne stürmt, um vom Meister persönlich
einen Arschtritt zu kassieren. Gerade noch der Vollstrecker, hiess
es danach selbst Schmerzen leiden. Zu «Killers» wurde dann die
Guillotine hervor
gerollt Kopf ab! und schon gab's mit «I Love The
Dead» die Auferstehung. Etwas gedrängt zwar, die ganze Vorstellung,
doch eine Cooper-Show ohne sein Ableben wäre einfach keine
Cooper-Show. Dasselbe gilt für «School's Out», welches noch mit
einem kleinen «Another Brick In The Wall»-Zwischenteil angereichert
wurde, bevor eine kurze Pause in der Darbietung dem Publikum Platz
fürs Um-Zugabe-Rufen gab. Licht aus, Licht an und schon wedelte
Alice mit Schweizerflagge in der Gegend herum und stellte sich,
passend zum Datum, zur Wahl auf. Wie so oft besiegelte «Elected»
unter Konfetti-Schnipsel-Regen eine vor Kraft und Spass strotzende
Show mit Unterhaltungsfaktor, die das Prädikat "aussergewöhnlich"
zwar keinesfalls verdient hat, jedoch umso mehr bewies, dass Alice
Cooper mit seinen 63 Jahren immer noch über reichlich Saft in
Knochen verfügt und nach wie vor genug Stimme besitzt. Seinen zwei
Gitarristen und dem blondierten Mädel könnte er davon ruhig etwas
abgeben, doch wer will schon über Statisten meckern, wenn Songs, die
Show und der Star dafür überzeugt haben?! (kis)
Setliste: «The Black Widow» - «Brutal Planet» - «I'm Eighteen» - «Under
My Wheels» - «Billion Dollar Babies» - «No More Mr. Nice Guy» - «Hey
Stoopid» - «Is It My Body» - «Halo Of Flies» - «I'll Bite Your Face
Off» - «Muscle Of Love» - «Only Women Bleed» - «Cold Ethyl» - «Feed
My Frankenstein» - «Clones (We're All)» - «Poison» - «Wicked Young
Man» - «Killer» - «I Love The Dead» - «School's Out» (inkl. «Another
Brick in the Wall»-Part) -- «Elected».
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