Reunion-Tours, die mindestens vierundzwanzigste. Schon
unglaublich, welche totgeglaubten Acts sich in diesem Jahrtausend
wieder auf ihre grossen Tage besinnt, und Musikfans rund um den
Globus gleichermassen beglückt wie auch verscheucht haben. Mit Alice
In Chains hätten dabei wohl die wenigsten gerechnet, immerhin zählt
der Tod eines essentiellen Bandmitglieds generell als definitiver
Nagel im Sarg der Karriere der Gruppe – Umso grösser dann das
Fragezeichen, als Alice In Chains nach einem Benefiz-Konzert 2004
wieder Blut gerochen hatten, und erste neue Schritte ankündigten.
Mittlerweile hat sich die Musikwelt mehr als nur damit abgefunden,
dass die Band auch mit neuem Fronter prima funktionieren kann - Die
Haupt-Problematik der aktuellen Situation lässt sich auch klar
woanders orten, doch dazu später mehr. Wie schon unser Toby bei der
Review zu 'Black Gives Way To Blue' konstatierte, ist die Band mehr
denn je in Hochform - Deswegen sollte es auch nicht verwundern, dass
die Show im Fri-Son ausverkauft war. Die Tatsache, dass Alice In
Chains ohne Vorband unterwegs waren, und auch lokal kein weiterer
Act mit auf die Bühne gepappt wurde, schien dabei die wenigsten zu
stören. Und auch wenn ich persönlich gerne eine Schweizer Combo an
dieser prominenten Stelle gesehen hätte, so liess sich das Fehlen
einer eben solchen Band durchaus verkraften. Immerhin würden Alice
das kompensieren, und sicher etwas länger auf der Bühne stehen…
Als die Band nach einem abrubt abgebrochenen Intro und einigen
Sekunden Stille gegen 22h30 auf die Bühne stieg, platzte das Fri-Son
beinahe aus allen Nähten. Von der Bühne bis zur Bar am anderen Ende
des Saales, die 1700 Nasen hatten eng zusammengepfercht alle Augen
auf die vier Musiker gerichtet. Jetzt könnte man meinen, ein derart
beinahe vor Vorfreude platzendes Publikum würde vom ersten Ton an
die Sau rauslassen, aber ich wurde eines besseren belehrt: Zwar
gingen einige Hände nach oben, und die Band wurde anständig
beklatscht, aber ansonsten wurde «Rain When I Die» mit nicht viel
mehr Enthusiasmus begrüsst – Auch die folgenden Songs «Them Bones»
und «Dam That River» rüttelten nicht viel am Mitmachfaktor der
Konzertbesucher. Die Band selber gab sich allerdings ehrlich gesagt
auch nicht gerade redlich Mühe, daran was zu ändern: Drummer Sean Kinney regte kaum einen Gesichtsmuskel, Basser Mike Inez versteckte
das Gesicht hinter den mitwippenden Locken, und Legende Jerry
Cantrell zupfte beinahe regungslos die Saiten, und lieferte
abwechselnd saubere aber kalte Backing- und Leadvocals ab. Auch die
folgenden aktuellen Hits «Your Decision» und «Check My Brain»
konnten daran nicht viel ändern - Das Publikum schien sich zwar über
die Songs zu freuen, doch während der tatsächlichen Performance war
dann auch gleich wieder Zurückhaltung angesagt.
Der Mittelteil des Sets wurde mit den Smashern «Down In A Hole», «No
Excuses» und «Black Gives Way To Blue» akustisch bestritten, um
danach noch einmal die Stromgitarren aufzudrehen, und schlussendlich
mit «Angry Chair» und «Man In The Box» von der Bühne zu gehen. Als
obligate Zugaben folgten kurz darauf noch «Would?» und «Rooster»,
und dann waren Alice In Chains schon wieder verschwunden. Und
genauso distanziert wie die letzten paar Beobachtungen dieser Review,
fühlte sich für mich auch die Show an - ich verbrachte die letzten
beiden Drittel an der Bar, und mich sprach schlussendlich das Bier
durchaus mehr an, also das auf der Bühne Dargebotene. Die
Ursachenanalyse diese plötzlichen Interessenschwunds an den
Rock-Koryphäen fördert dabei erstaunliches zu Tage: War es halt
einfach der Geist des Grunge, der mir nicht zusagte, wie mir etliche
Konzert-Besucher nach dem Gig versicherten? Vielleicht, gut möglich.
Das, gepaart mit einer durchschnittlich motivierten Band, einer für
eine Headliner-Show ohne Vorband zu knapp bemessenen Spielzeit von
80 Minuten, einem komplett überpolierten Soundgewand, einer zu
durchstudierten Show und einem lahmen, weil mit einer 'Die-Band-War-Mal-Supi-Toll-Als-Ich-Noch-Jung-Und-Wild-War'-Attitüde
aufgekreuzten Publikum.
Mal ehrlich Leute, richtige Beigeisterung ist auch schon mal
emotionaler zum Ausdruck gebracht worden. Wenn eine Person all
diesen Witterungen trotzte, dann war das klar der neue Fronter/Gitarrist
William DuVall: Nicht nur, dass seine musikalische Leistung den
anderen Bandmitgliedern locker das Wasser reichen konnte, und auch
seinem Vorgänger Layne Staley in nichts nachstand – Er hatte ganz
offensichtlich einfach Spass am Rock. Was man vom Publikum, und den
restlichen drei Vierteln der Band jetzt nicht unbedingt all zu
definitiv sagen könnte.
Setlist: Rain When I Die, Them Bones, Dam That River, Again, Your
Decision, Check My Brain, LoveHateLove, It Ain't Like That, A
Looking In View, Down In A Hole (Akustisch), No Excuses (Akustisch),
Black Gives Way To Blue (Akustisch), Last Of My Kind, We Die Young,
Acid Bubble, Angry Chair, Man In The Box, Would?, Rooster
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