Livereview: Angra - Firewind - Power Quest
20. Februar 2007, Pratteln Z7
By Kissi
Man mag von Globalisierung halten und denken was man will, dem Metal tut's gut! Wie sonst könnte man an einem einzigen Abend Bands aus Brasilien, Griechenland und Grossbritannien erleben, und dies nicht an einem Festival, sondern auf einer regulären Konzertreise? Dass sich die Inselbewohner Power Quest, die Mediterraner Firewind und die Südamerikaner Angra zu einer Europa-Tour zusammentun, macht dabei wirklich Sinn, gehören doch zumindest die zwei letztgenannten Bands zur ersten Garde des Melodic Metals, nicht zuletzt durch ihre letzten, hervorragenden Veröffentlichungen. Epische Hymnen, filigrane Gitarren-Soli und eingängige Gesangsmelodien zogen sich so den ganzen Abend hindurch, wobei der rote Faden eindeutig vom Band kam, denn der Auftritt dieses Packages wird mir nicht minder als "Abend der bombastischen Intros" in Erinnerung bleiben, geizte doch keine der Kappellen mit reichlich Orchestrierung zur dramatischen Untermalung. Dass ich nicht als Einziger von diesem Gastspiel angetan war, bewies letztlich die Anwesenheit von wenigstens 140 Leuten, die gut gelaunt souveränen Musikern und Songwritern zuschauen und -hören durften, die sich von der kleinen Anzahl der Zuschauer nicht entmutigen liessen.

Power Quest
Nach dem schon erwähnten, an diesem Abend obligatorischen Bombast-Intro eröffnen die britischen Helloween-Verehrer Power Quest mit dem fröhlichen Happy Metal Song "Find My Heaven" von ihrer neuesten, nun auch schon zwei Jahre alten Scheibe "Magic Never Dies". Dabei wird dem Up-Tempo Schunkel-Sound, der von einem etwas dröhnenden Bass unter- oder besser übermalt wird, Europe-Keys beigemischt, was den ganzen Sound noch etwas poppiger, soll heissen computerspielartiger machte. Dabei hielt einzig die Queensrÿche-verdächtige Nummer "Edge Of Time", gleichfalls vom schon genannten Album (daneben veröffentlichten die Briten 2004 noch "Neverworld") das Niveau der an sich souveränen Rock-Show, bestehend aus massig Gepose und Gebange. Im Mittelpunkt stand dabei immer Sänger und Saitendrücker Alessio Garavello, dessen weinerliche Stimme zwar nicht jedem gepasst haben dürfte. Dafür versuchte der Frontmann während "Magic Never Dies" oder der Zugabe "Temple Of Shadows" stetig das Publikum zu animieren, sichtlich erfreut über ihr erstes Gastspiel in der Schweiz, was mit wohlwollendem Kopfnicken und Anstandsmitsingen von den ersten paar Reihen quittiert wurde. Zwar nicht wirklich die neue Metalsensation, wie sie sich selbst promoten, für Englands spärliche Metalszene aber sicherlich nicht allzu schlecht. Da könnten die Jungs um Bandkopf und Tastenmann Steve Williams sicherlich vom momentanen Hype, der um ihre Genre-Genossen DragonForce gemacht wird, profitieren.

Setlist: "Find My Heaven" - "Sacred Land" - "Edge Of Time" - "Magic Never Dies" - "Neverworld" - "Temple of Fire".

Firewind
Auf einem ganz anderen Niveau bewegte sich da Griechenlands Metalband Nummer 1, Firewind. Nachdem man ein weiteres Mal die Klassik-Kassette durch die Lautsprecher laufen liess, hiess es dann Bühne frei für die äusserst agilen Jungs um Guitar-Hero Gus G.. Mit ihrer aktuellen, letztes Jahr erschienenen Hammer-Scheibe "Allegiance" im Gepäck und durch die Herbsttournee im Vorprogramm von DragonForce um einige Fans reicher, zeigte die Truppe, wie anständiger Melodic Metal anno 2007 zu klingen hat. Während Sänger Apollo Papanthanasio im schwarzen Knitterhemd den südländischen Charmeur raushängen liess, war es vor allem Gus, der durch 80ies-Posen und dem dazu passenden Outfit (knallrote Lederhose!) die Aufmerksamkeit auf sich zog und ein Killerlick nach dem anderen vom Stapel liess, immer angetrieben vom Dampfhammer-Drumming von Mark Cross (das überflüssige Drum-Solo sei ihm verziehen), seines Zeichens Ex-Helloween und Ex-Metalium Mitglied. Doch auch Rhythmus-Gitarrist und Keyboarder Bob Katsionis und Tieftöner Petros Christo wieselten zu Stimmungsgaranten wie "Insanity", "I Am The Anger" oder "Between Heaven And Hell" ununterbrochen über die Bühne. Bei solch einer sympathischen Band konnte dann auch der etwas undifferenzierte Sound aufbrandende "Firewind"-Chöre aus dem ziemlich euphorischen Publikum nicht verhindern, was schlicht mit Grinsen und noch mehr Bewegung seitens der Musiker erwidert wurde. Egal ob schon etwas älter wie "Brother's Keeper" von "Burning Earth" (2003) oder neuem Material ("Till The End Of Time" oder das semiballadeske "Deliverance"), Zuschauer und Band hatten mächtig Spass, dessen Höhepunkt natürlich das von einem Gitarren vs. Keyboard Duell eingeleitete, in Griechenland zur Hitsingle gewordene "Falling To Pieces" markierte. Fleissig wurde mitgeklatscht und mitgesungen, bevor zu "Tyranny" noch einmal heftig der Kopf geschüttelt wurde. Leider war das auch schon die letzte Gelegenheit, da sich der hellenische Fünfer bereits nach diesem 45-Minuten Set endgültig verabschiedete. Das führte dazu, dass "My Number One", der Bonustrack der letzten Dream Evil Scheibe "United" (und auf welchem Gus zu hören ist) trotz Wunsch eines Fans ungehört blieb, ebenso wie das auf der Scheibe im Duett mit Sängerin Tara vorgetragene "Breaking The Silence", auf welches der Rezensent wohl nicht alleine vergeblich gewartet hatte. Firewind, verdammt noch mal, wann kommt ihr endlich als Headliner in die Schweiz?

Setlist: "Allegiance" - "Insanity" - "I am the Anger" - "The Fire and the Fury" - Drum Solo - "Between Heaven and Hell" - "Brother's Keeper" - "Till the End of Time" - "Deliverance" - "Falling to Pieces" - - "Tyranny".

Angra
Dass Angra, wenn auch musikalisch top, das dynamisch straighte Feeling von Firewind nachfolgend nicht ganz aufrecht zu halten vermochten, sei an dieser Stelle gleich erwähnt, was aber angesichts der schon komplexeren Songs nicht wirklich überraschte. Doch erst hiess es: Bombastisches Intro Teil 3. Völlig in Gelb getaucht präsentierte sich darauf die Bühne zu den Intro-Klängen des 93er Angra-Albums "Angel's Cry", mit welchem die Brasilianer das erste Mal von sich Reden machten. Das an die im letzten Herbst erschiene "Aurora Consurgens"-Scheibe angelehnte Stage-Design, bestehend aus riesigem (wirklich, es war riesig!) Backdrop und dazu gehörigen Verstärkerverschlägen, liess die Bühne äusserst hell und weit scheinen, was dem ganzen Auftritt sogleich ein südländisches und positives Flair verlieh. Ein Flair, welches sich ja auch durch Angra's Musik zieht, beispielhaft dafür der Opener "Carry On", ebenfalls von "Angel's Cry", gefolgt von "Nova Era" von der 2001 erschienenen "Rebirth"-Scheibe, wo sogleich die spielerische Perfektion dieser Band zu Tage trat. Auf den Hundertstel genau schrubben und trommelten sich die Brasilianer durch ihre Songs. Diesem Pluspunkt musste leider die Bewegungsfreudigkeit zum Opfer fallen, da das Quintett im Vergleich zu den vorherigen, springlebendigen Firewind schon etwas statisch wirkte. Das machten Angra jedoch zum einen durch einen glasklaren Sound wett, der sowohl alte Nummern wie "Waiting Silence" oder neueste Tracks der Marke "Voice Commanding You" oder "Ego Painted Black" in bestem Licht erstrahlen liess. Auf der anderen Seite konnten die Jungs um Sympathie-Bolzen und Goldkehlchen Edu Falaschi, der sich schon nach wenigen Minuten rührend beim Publikum für's Kommen bedankt hatte und an diesem Abend wie gewohnt bei bester Stimme war (sogar Bruce Dickinson dürfte auf solche Screams, wie Edu sie bei "Angels and Deamons" bringt, neidisch sein), natürlich durch die intelligent gestalteten, mitreissenden Songs punkten, wie sie von Angra ja in rauen Mengen produziert werden (einzig die grosse Masse muss das noch erkennen). Wie ein Deja-vù wirkte dann die Trommeleinlage, bei welcher sich die ganze Band, die sich bis auf Falaschi sonst eher im hinteren Bühnenteil herumdrückte, an den vorderen Rand, um mit ihren brasilianischen Ethno-Rhythmen das Publikum zu einem Sing-Along anzufeuern, ähnlich der Einlage Therion's ein paar Tage zuvor. Etwas gehemmt wirkte dagegen die Angewohnheit nicht spielender Bandmitglieder, sich sogleich hinter die Verstärker-Verschläge zu begeben, man kann doch auch ruhig 'ne Minute nutzlos auf der Bühne stehen oder das Publikum animieren, etwas das Angra sowieso eher vernachlässigten. Mit fortschreitender Performance bemerkte der geneigte Zuschauer immer deutlicher, dass Angra von Song zu Song lockerer wurden und wenn man von Anfang an so losgelegt hätte, wie es bei den letzten Programmpunkten, bestehend aus den "Aurora Consurgens"-Krachern "Salvation Suicide" und "Course of Nature", zu welchem Drummer Aquiles Priester sich mit roter Maske präsentierte und Edu Falaschi Unmengen Wasser in die Luft prustete. Alle wirkten plötzlich unglaublich entspannt, so hätte das die ganze Zeit laufen müssen, Jungs. Mit "Spread Your Fire" vom zweitletzten Silberling "Temple Of Shadows" wurde dann nach einem der vielen Intros, welche immer wieder während der Show eingespielt wurden, ordentlich losgerockt, um mit einem fünfminütigen Outro die nach mehr dürstenden Fans etwas zu früh zurück zu lassen. Dennoch ist sich wohl jeder der etwas über hundert anwesenden Melodic Metal Gourmets sicher, einem Package wie Angra und Firewind immer wieder zusehen und zuhören zu können, Top-Musiker mit mehr als einem Goldhändchen in Sachen Melodie und (schlussendlich) energiegeladenem Auftritt sind Grund genug dafür.

Setlist Angra: "Carry On" - "Nova Era" - "Voice Commanding" - "Waiting Silence" - "Wings of Reality" - "Z.I.T.O." - "Ego Painted Grey" - Percussion - "Nothing to Say" - "Angels and Demons" - "Salvation Suicide" - "Rebirth" - "Course of Nature" - - "Spread Your Fire".