Wer sich die ganze Bandhistory von Annihilator zu Gemüte
führt, wird feststellen, dass sich hier schon eine ganze Menge
Musiker und Sänger die Klinke in die Hand gegeben haben. Der einzige
Ruhepol von Anfang an war Mainman Jeff Waters und aktuell, sprich
auf dem neuen Album «Suicide Society», ist er nun, achtzehn Jahre
nach «Remains», wieder hauptamtlich am Gesang zu hören. Damit habe
ich grundsätzlich kein Problem, aber es ist natürlich schade, dass
sich Dave Padden nach elf Jahren Bandzugehörigkeit Ende Dezember
2014 ultimativ dazu entschlossen hatte, das Kapitel Annihilator
definitiv ad acta zu legen. Ich fand den Wechsel von Joe Comeau zu
Dave damals sinnvoll wie nötig, denn dessen Stimme passte nicht
wirklich zur Thrash-Ikone aus Vancouver (Kanada). Allerdings
brauchte Mr. Padden eine Weile, bis er sich seinen Stammplatz
erarbeitet hatte und diesen festigen konnte. Zudem spielte er die
zweite Gitarre, was Jeff Waters entlastete und den Live-Sound
gleichzeitig fetter klingen liess. Als Support fungierten heute
Abend Archer und Harlott, die sich zwar beide redlich engagierten,
aber noch ziemlich weit von der Qualität des Headliners entfernt
sind.
Harlott
Auch
wenn man das kaum für möglich hält, aber bei metal-archives.com
werden für Australien über 2000 Bands (!) gelistet und dabei wird
die ganze Genre-Palette, wie in vielen anderen Ländern auch,
entsprechend abgedeckt. Der Volksmund ist aber durch AC/DC,
Airbourne und Rose Tattoo so zu sagen voreingenommen, wenn es darum
geht, den typischen Sound von australischen Bands zu
charakterisieren. Genau das dachten sich vielleicht Harlott aus
Melbourne auch und entschieden sich deshalb für Thrash Metal. Ob dem
wirklich so ist, bleibt im Moment aber so im Raum stehen und tut eh
nichts zu Sache. 2006 gegründet, machte sich der Vierer aus Down
Under auf, die Welt zu entdecken. Nach zwei EPs und dem ersten
Longplayer «Origin» von 2013 nahm jedoch noch kaum jemand wirklich
Notiz von der Truppe. Das änderte sich mit dem Zweitling
«Proliferation», der grundsätzlich recht gute Kritiken einheimsen
konnte. Im Rock Hard erreichte man einen Platz im Mittelfeld und
schrammte dabei im Durchschnitt ganz knapp an der „Gut-Bewertung“
vorbei. Darunter steht folglich „teilweise hörbar“ und genau das
vermittelte mir der Auftritt von Harlott als erste Band des Abends.
Trotz der agilen Performance von Andy Hudson (v/g), Ryan Butler (g),
Tom Richards (b/v) und Tim Joyce (d) wollte der Funke bei mir nicht
überspringen. Die oftmals deutlichen Anleihen bei Slayer, Exodus
oder Kreator fand ich weniger prickelnd und trotz dem einen oder
anderen gelungenen Riff wie Break schlich sich meinerseits bald die
Langeweile ein. Die Reaktionen der zu diesem Zeitpunkt anwesenden
paar Dutzend Leute war dann auch entsprechend verhalten.
Nichtsdestotrotz nutzten die Australier ihre halbe Stunde Präsenz
auf der Bühne agil und schweisstreibend aus. Gemessen an den
technischen Fähigkeiten liess sich kaum ein Haar in der Suppe
finden, aber das Niveau des Songwritings sehe ich an gleicher Stelle
wie die Major-Journaille: teilweise hörbar.
Archer
Hach! Wie war das früher doch angenehm, als der Headliner im
Normalfall bloss eine Support-Band im Schlepptau hatte, die meistens
45 Minuten aufspielen konnte und das Feld dann wieder räumte. Selten
war diese Konstellation bei normalen Konzerten anders. Seit ein paar
Jahren sind jedoch deutlich mehr Bands unterwegs. Was für die Fans
natürlich durchaus wertig sein kann, verursacht in den Reihen der
Schreiberlinge jedoch spürbare Mehrarbeit, die einfach mehr Zeit
beansprucht.
Dafür
konnten Archer aus Santa Cruz (Kalifornien) freilich nichts und da
auch sie, wie sich bald heraus stellen sollte, nur eine halbe Stunde
Auftrittszeit zugestanden bekamen, legte sich das Trio, bestehend
aus Mainman Dylan „Rose“ Rosenberg (g/v), Dave De Silva (b/v) und
Keyhan Moini (d) entsprechend flott ins Zeug. Im vergangenen Sommer
brachten die Amis mit «Culling The Weak» ihr zweites Langeisen an
den Start, das mit den einen oder anderen Review-Voschusslorbeeren
versehen wurde. Geboten wird zuweilen ordentlich harter Rock, der
immer wieder mal in metallischen Gefilden wildert und von der Art
her etwas an Black Label Society erinnert. Dass Zakk Wylde, nebst
noch ein paar bekannten Namen, mitunter zu den Einflüssen von Dylan
zählt, ist vor allem dem Gitarrenspiel und dem Posing zu entnehmen.
Was Letzteres angeht, so stand ihm Dave in Nichts nach und gab
ebenso voll Gummi. Obwohl man sich der freigetretenen Energie nicht
entziehen konnte, blieb das Ganze schon bald hinter meinen
Erwartungen zurück. Vieles wirkte irgendwie zu angestrengt und trotz
der technischen Fähigkeiten sprang der Funke abermals weder auf das
Publikum noch auf mich über. Als sich dann gar noch ein paar
progressive Elemente einschlichen, rückte die Eingängigkeit noch in
weitere Ferne. Insgesamt schlugen sich Archer zwar besser als
Harlott, aber eine Offenbarung war dieser Auftritt definitiv nicht
und krankte am Schluss daran, dass ausser ein paar deftigen Soli
nichts hängen blieb. Etwas, das im Übrigen vielen aktuellen Bands
angekreidet werden kann. So gesehen ist es jeweils stets wie eine
Erlösung, wenn die nächste halbe Stunde um ist. Dennoch gab es einen
fairen Schlussapplaus für Archer, die im kommenden Dezember, dann
zusammen mit Doro, nochmals im Z7 zu sehen sein werden.
Annihilator
Nun dürstete es mich aber definitiv nach dem Headliner! Den letzten
Auftritt mit Dave Padden auf Schweizer Boden sah ich nach
Konsultation unseres Archives demnach vor zwei Jahren in Winterthur,
und da war dieser gesundheitlich leider arg angeschlagen. Dies ging
dann sogar soweit, dass sich der Bedauernswerte noch während dem
Auftritt hinter der Bühne kurz aber heftig auskotzen musste. Doch
das ist Schnee von gestern und die Band Ausgabe 2015 präsentierte
sich wieder einmal, respektive so oder so, in einem anderen Line-Up.
Nebst dem Abgang von Dave wurde schon letztes Jahr auch die
Abteilung der tiefen Töne neu besetzt. Auf Alberto Campuzano, der
zuletzt für immerhin vier Jahre Live-Bassist war, folgte zuerst kurz
Oscar Rangel und aktuell stand mit Rich Hinks (Aeon Zen) schon der
nächste Musiker in Diensten von Chef Jeff Waters. Das aktuelle feste
Line-Up, das womöglich die nächste Scheibe eintüten könnte, besteht
aber aus Rückkehrer Cam Dixon (b) und Neuzugang Aaron Homma (g)
sowie Drummer Mike Harshaw. Doch lassen wir der Geschichte ihren
Lauf, die in diesem Zusammenhang eh nur eine feste Grösse kennt:
Jeff Waters! Er ist der unermüdliche Motor von Annihilator, und ich
war nun sehr gespannt darauf, in welcher Verfassung sich die Gruppe
heuer präsentiert! Das neue Album zur Tour («Suicide Society») kam
im Frühherbst heraus und kann just zwei Dekaden nach «King Of The
Kill» schon fast wieder als Alleingang von Master Waters bezeichnet
werden.
Dank
extra dafür absolviertem Gesangsunterricht kommt das Ganze in der
Tat einen spürbaren Zacken gereifter daher und auch wenn die
Songwriter-Qualitäten der früheren Jahre nicht mehr erreicht werden,
so wird der Name Annihilator immer noch locker hochgehalten, und auf
der Bühne gehts sowieso immer wie Schmidt’s Katze ab. Leider wollten
sich das nicht allzu viele Fans rein ziehen, aber die, die gekommen
waren, wurden Zeuge einer hammergeilen Show! Die steht und fällt
natürlich nicht nur mit der Performance der Band, sondern bei dem
üppigen Backkatalog auch mit der entsprechenden Auswahl der Songs.
Was mich angeht, so können es nie genug der alten Schoten sein, und
ich sollte heute Abend diesbezüglich nicht enttäuscht werden! Nach
dem ausgespielten Scorpions-Classic «Rock You Like A Hurricane» als
Intro gings dann gleich pfundig mit dem Oldie «King Of The Kill»
los, nota bene einem Song, den Jeff damals schon selber eingesungen
hatte. Dass die neuen Songs wie die nachfolgende Triplette mit
«Snap», «Suicide Society» und «Creepin' Again» ganz ordentlich, aber
nicht weltmeisterlich ausfielen, stand bei mir heute Abend nicht im
Fokus. Ich wollte das Altbewährte hören und das kam dann auch, allen
voran «W.T.Y.D. », «Refresh The Demon» und natürlich das
unzerstörbare «Phantasmagoria». Eigentlich war mir echt nach
headbangen, aber mein Nacken macht da leider nicht mehr mit und
somit blieb es halt bei rhythmischem Kopfwippen. Die Zugabe aller
Zugaben bei einem Konzert von Annihilator fehlte zum Schluss hin
natürlich ebenso nicht, und verbunden mit dem nach wie vor
unprätentiösen und sympathischen Bandleader Jeff Waters war es auch
diesmal ein über 100-minütiger Ohrenschmaus der Extraklasse!
Setliste: «Rock You Like A Hurricane (Intro/Scorpions Cover)» -
«King Of The Kill» - «Snap» - «Suicide Society» - «Creepin' Again» -
«No Way Out» - «Set The World On Fire» - «W.T.Y.D. » - «Never,
Neverland» - «Tricks And Traps» - «Bliss» - «Second To None» -
«Maximum Satan (Intro) » - «Refresh The Demon» - «Ultraparanoia» -
«Chicken And Corn» - «Kraf Dinner / 21 / Reduced To Ash» - «Brain
Dance» - «Phantasmagoria» -- «Alison Hell» - «Human Insecticide».
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