Livereview: Annihilator - Archer Nation

07. November 2019, Solothurn – Kofmehl
By Rockslave (rsl) & Tinu (tin) - All Pics by Rockslave
Dieses Package war so schon einmal unterwegs und gastierte unter anderem am 13.10.2015 im Z7 in Pratteln. Einfach mit dem Unterschied, dass sich Archer Nation damals noch simpel Archer nannten, respektive durften. Der Wechsel oder besser die Erweiterung des Namens geschah wohl nicht aus freien Stücken. Das änderte freilich weder die Besetzung noch die Musik. Was Letzteres angeht, gilt auch für Annihilator, wobei sich die kanadischen Kult-Thrasher insgesamt treu blieben, ihre Härte und Geschwindigkeit jedoch gewissen Schwankungen unterworfen war. Das hatte im Wesentlichen damit zu tun, dass sich im Verlauf der Jahre, ausser Mainman Jeff Waters, eine ganze Armee an Musikern die Klinke in die Hand gab. Ebenso wechselten die Sänger einige Male, wovon der Abgang von Dave Padden, der zwischen 2003 und 2014 im Line-up stand, bisher am schwersten wog. Seither hat der Chef diesen Posten wieder inne, und das finden nicht alle Fans so toll, heisst Jeff sollte sich vorrangig besser auf sein fraglos brillantes Gitarrenspiel konzentrieren. (rsl)

Archer Nation

Nachdem mir die letzten beiden Auftritte der Amerikaner aus Santa Cruz (U.S.A.) als Archer oder Archer Nation nicht wirklich bis gar nicht gemundet hatten, gab ich den Jungs einfach nochmals eine Chance! Doch es dauerte nicht lange, bis die körperlich wie optisch agile Performance von Dylan Rosenberg (v/g), Dave De Silva (b) und Keyhan Moini (d) abermals ins gleiche Fahrwasser abdriftete. Es verging somit wenig Zeit, bis sich beim Rezensenten ein Déja-vu einstellte, sprich sich abermals eine gepflegte Langeweile breit machte. Wie man diese Mucke überhaupt als "Melodic Heavy Metal" bezeichnen kann, ist mir eh schleierhaft. Die war vor allem der Tatsache geschuldet, dass das Trio weder über einen zweiten Gitarristen noch einen Tastenmann verfügt. Dies hielt Archer Nation freilich nicht davon ab, gar noch vereinzelte progressive Vibes in ihren Sound einzubauen. Unter dem Strich gab das Dreigestirn aus Kalifornien eine beherzte Vorstellung ab, die zumindest mich musikalisch aber überhaupt nicht berührte. Mit im Gepäck hatten sie neue Songs ab dem aktuellen Werk «Beneath The Dream» (2019), die sich allerdings nicht so gross vom älteren Material unterscheiden. Die jüngeren Fans schienen jedoch noch Gefallen an den Amis zu haben und entliessen den Support lautstark nach gut 45 Minuten, was von der Spielzeit her gegenüber dem letzten Mal (30 Min.) eine klare Steigerung war. Doch wie schon in den vorherigen Berichten erwähnt, wurden meine musikalischen Geschmacksnerven auch dieses Mal klar nicht getroffen. (rsl)


Annihilator
Ja! Man kann sich noch immer über den Gesang von Gitarrist Jeff Waters unterhalten. Er ist und bleibt gewöhnungsbedürftig. Das war derjenige seines Vorgängers Dave Padden aber auch. Es ist etwas "befremdend", wenn man Jeff shouten hört, da er sicherlich einer der versiertesten Gitarristen ist, aber gesanglich ganz einfach limitiert. Das war an diesem Abend auch das einzige Manko, das man aber schon vor dem Gig kannte. Wie war er denn nun, dieser Headliner-Gig der Kanadier? Ganz einfach! Umwerfend und in meinen Augen der wohl zweitbeste, den ich in all den Jahren und bei den unzähligen Annihilator-Konzerten gesehen habe. Das lag auch an der unglaublich ansteckenden Art von Jeff, der mit einem Verlängerungsstab seinen Trommler bei dessen Solo dermassen erschreckte, dass sich der gute Fabio fast nicht mehr von diesem "Schock" erholte. Oder auch, weil er bei den Zugaben Geschichten über seinen langjährigen Sänger Randy Rampage preis gab, der leider viel zu früh (2018) verstarb. War es der Eckzahn, welcher sich Randy beim Sprung von der Bühne ins Publikum raus schlug oder seine punkige Attitüde, welche selbst die härtesten Thrash-Attacken von Annihilator als zu pussyhaft abstempelte. Jeff sprach ehrfürchtig, aber mit einem breiten Grinsen von seinem ehemaligen Weggefährten. Mister Waters bedankte sich auch immer wieder bei den Schweizer Fans für die stetige Unterstützung, lobte das wunderschöne Land und die Gastfreundschaft, welche das Kofmehl der Band entgegen brachte. Dabei erinnerte er sich an die früheren Tage seiner Band, die sich mittlerweile nun auch schon 35 Jahre im Business tummelt, als sie die Dusche als Körperreinigungskabine und Klo verwenden mussten und sich Jeff noch heute nicht sicher ist, was da alles im Wasser schwamm. Ja, Jeff schien die Sonne aus dem Arsch. Er scheint mit sich und der Welt seinen Frieden gefunden zu haben, grinste als gäbe es nichts Schöneres auf der Welt, als hier im Kofmehl auf der Bühne zu stehen und trieb (positiven) Schabernack mit seinen Bandmitgliedern.

Es ist schon ein Erlebnis, wenn die eigene Band fast ein Jahrzehnt älter als Trommler Fabio ist, der mit seinen 26 Jahren das Küken der Truppe stellt. Aber eines, welches mit einer unglaublichen Präzision sein Arbeitswerkzeug verdrosch. Alleine ihm zuzuschauen war eine Offenbarung. Es glänzt schon fast an ein Wunder, dass die auf der Bühne stehende Begleitband von Jeff schon seit 2016 in unveränderter Besetzung zusammenspielt. Zweitgitarrist Aaron Homma glänzte nicht nur mit seinen langen schwarzen Haaren und seinen Grimassen, sondern auch mit seiner tighten Spielweise. Als Rhythmusgitarrist und gelegentlicher Solist (bei den Duellen mit Jeff) passte er wie der berühmte Deckel auf den Arsch. Wie auch Bassist Rich Hinks, der ein fleissiges und wechselndes Stellungsspiel mit Aaron betrieb und sich dabei auch immer wieder mit Jeff zu gemeinsamen Posen am Bühnenrand wiederfand. Jeder der drei Saitenakrobaten animierte das Publikum zum Mitklatschen und Mitsingen und die Stimmung wurde von Songs zu Song stetig besser und euphorischer. Live kamen die Tracks eine gehörige Portion organischer und fetter aus den Boxen, was den Liedern weder die Härte noch die sekundenbruchteilkorrekte Spielart raubte. Logisch waren es die alten Klassiker, welche die grössten Reaktionen auslösten, aber auch die neueren Tracks aus den Alben «Feast» («No Way Out»), «Annihilator» («Betrayed», «The Trend») und «For The Demented» («Twisted Lobotomy», «One To Kill»), dem nach wie vor aktuellen Werk, auch wenn mit «Ballistic Sadistic» schon der neuste Wurf bereit liegt, um verkauft zu werden, killten ohne Ende. Selbst der «Remains»-Track «Tricks And Tramps» fand den Weg in die Setliste, wie auch die «Refresh The Demon»-Nummer «Ultraparanoia». Daneben wurde Gigantisches geboten aus den Alben «King Of The Kill» (Titelnummer), «Set The World On Fire» (Titelnummer, «Knight Jumps Queen»), «Never Neverland» («Phantasmagoria») und «Alice In Hell» («Alison Hell», «Schizos [Are Never Alone] Part I & II», «W.T.Y.D.», «Burns Like A Buzzsaw Blade»). (tin)