Livereview: The Anti Doctrine - Sybreed - Berserk for a Teatime
14. Mai 2005, "Metalact" im Nouveau Monde
By El Muerte
Berserk For Tea Time
Den Reigen dieses Abends eröffneten Berserk For Tea Time aus der französischen Abteilung Freiburgs. Obwohl sie erst eine Handvoll Konzerte absolviert haben, lässt sich kaum beschreiben, was innerhalb der nächsten dreiviertel Stunde auf der Bühne abging. Ihre wahnwitzige Mischung aus Hardcore und Metal mit derber Schlagseite der psychopathischen Sorte schien zu Höchstleistungen anzutreiben. Während die drei Frontmänner sich auf der ganzen Bühne austobten, verdrosch der Drummer sein Kit bis zum Gehtnichtmehr. Song für Song schrie sich der Sänger die Stimmbänder kaputt, Song für Song rappelte er sich zu neuen Höchstleistungen auf, während die Saitenabteilung das an Derbheit nicht mehr Steigerbare aus den Drähten prügelte. Pluspunkt: In den schicken Schalen hätte ich ihnen sogar einen Staubsauger abgekauft. Ein Wahnsinnsauftakt für einen Hammerabend!

Sybreed
Diese Band aus Genf hatte ich bereits in Zürich und in Freiburg live gesehen, und konnte von daher ungefähr einschätzen, was mich erwarten würde. Positiverweise sind sie eine der einzigen Schweizer Bands, die bereits eine US-Tour hinter sich haben, und somit war klar, dass sich hier eine eingespielte Truppe präsentieren würde. Nun ist ja Elektro Metal so eine Sache für sich: Die Einen können mit der Elektronik absolut was anfangen ("Dat soll Metal sein? Ham' die Eier?"), während der andere (meist kleinere) Teil des Publikums seine Helden total abfeiert. An diesem Abend war nun die erste Spezies definitv in der Überzahl, aber freundlicherweise blieben sie trotzdem vor der Bühne stehen, und spendeten höflichen Applaus. Der Rest (so wie ich) verfiel dem Cybercharme der mittlerweile auf Quintett-Grösse angewachsenen (Gitarrist Greg ist erst vor Kurzem beigetreten) Mannschaft von Beginn an. Nun, jedem das Seine, aber was Sybreed dann für ein Feuerwerk abfeuerten, würde für die Hauptband des Abends schwer zu überbieten sein. Irgendwo zwischen Paradise Lost, Depeche Mode und Fear Factory liegend, ballerten sie Doublebass-Salven ins Publikum, um gleich darauf die Geschütze niederzulegen, und elektronische Beats der Marke Front Line Assembly in die Gehörgänge zu schieben. Und über all dem thronten immer wieder geniale Gesangsbögen, mit Hilfe deren die Musik so einiges an Intensivität gewann. Auch bewegungstechnisch (was für ein Wort...) lief Einiges: Während Neuzugang Greg sich auf's Bangen beschränkte (wer will's denn verübeln?), hüpften Gitarrist Drop und Bassist Burn munter umher, und Sänger Ben übte sich in Manowar-ebenbürtigem Posen. Als die Band nach einer viel zu kurzen dreiviertel Stunde bereits die Bühne verliess, mobilisierte der überzeugtere Teil des Publikums noch mal die Lungenflügel, um eine Zugabe zu fordern, die dann auch in der Form des Tears for Fears-Klassikers "Shout" aus den Boxen knallte. Grosser Auftritt, bitte mehr davon! Als einziges Manko muss ich hier allerdings den Mix erwähnen. Klar ist es schwierig, die Balance zwischen Elektronik und Gitarren zu finden, aber ein klein wenig mehr und klarere Stromsägen hätten niemanden geschadet.

The Anti Doctrine
Vom heutigen Gast aus Deutschland hatte ich bis zum heutigen Abend noch nie was gehört, doch in Anbetracht des erst vor Kurzem vollzogenen Namenswechsel der Band kann ich mir wohl vergeben. Rein stilistisch gesehen näherten sie sich eher dem Gebolze der Teejungs, allerdings mit einer stärkeren Metal-Schlagseite, so zwischen Chimaira und Pantera. Auch hier schien streckenweise der Wahnsinn zu regieren, die Jungs verausgabten sich bis zum Abwinken, ohne Rücksicht auf Instrumente und Gesundheit. Obwohl das Publikum auch hier nicht allzu enthusiastisch mitfeierte, machte sich schnell eine beinahe greifbar gute Laune breit, die die Band zu noch mehr Leistung anspornte. Zwischendurch demonstrierte der rechts stehende Gitarrist seine Französisch-Kentnisse ("Viel Spass/Bon voyage"), ansonsten war eher Musik als Gelaber angesagt - und davon gab es nicht zu wenig. Konventionelle Songstrukturen schienen hier ebensowenig beliebt zu sein, wie klassische Riffs und Melodielinien. Dies mag zwar nicht jedem Besucher gefallen haben, aber die eindrückliche Bühnenpräsenz entschädigte dafür umsomehr. Auch hier schien die Zeit viel zu schnell vorbei zu sein, und nach zwei weiteren Zugaben war endgültig Schluss.

Knapp 90 Besucher konnte der Metalact an diesem Abend verbuchen, und niemand wusste so genau, wo die restlichen ansonsten üblichen 150 geblieben waren. Wie dem auch sei, ich muss nun eine schlechte Nachricht publizieren: Aller Vorausicht nach wird dies der letzte Metalact gewesen sein. Kéké teilte mir einige Beweggründe mit, doch ich möchte hier nun erwähnen, dass es in erster Linie daran liegt, dass er einfach genug von der Organisation dieses Events hat. Wie, wann und ob überhaupt jemals wieder eine ähnliche Veranstaltung hier Fuss fassen wird, steht von nun an in den Sternen. Ich möchte mich deshalb im Namen des ganzen Teams der Metal Factory für die wunderbare Zusammenarbeit bedanken. Ich für meinen Teil war beinahe von Anfang an dabei, und konnte somit miterleben, wie sich im Laufe der Zeit eine kleine Szene bildete. Vom kollegialen Event im alten Nouveau Monde mit circa 40 Besuchern, über langes Anstehen an der Abendkasse wegen Beinahe-Überfüllung, dem Brand und der Bestürzung im Jahr 2003, bis hin zum Neuanfang im Espace Moncor. Selten konnte ich mich in der Vorfreude kaum stillhalten, viele Male Schulter an Schulter mit weitern Metal-Fans bangen, neue Bekanntschaften schliessen und einfach Musik geniessen. Für all das bin ich dem Metalact-Team und vorallem Kéké unendlich dankbar - ohne sie wäre meine Liebe zum Metal vielleicht heute noch in den Kinderschuhen. Was bleibt, ist nebst den Erinnerungen immerhin die Hoffnung auf einen Neuanfang, denn ein Metalfan, das ist Kéké nach wie vor. Ich werde ihn bei Gelegenheit mal darauf ansprechen...