Es war ein Abend voller Heavy Metal, aber ohne Gitarren! Dass das
kein Witz ist, sondern tatsächlich funktioniert, bewies ein
Band-Päcklein, dass unter Kennern bereits vor dem Konzert Kultstatus
hatte, nämlich Apocalyptica und Van Canto. Obwohl beide Gruppen auf
den ersten Blick komplett verschiedenes tun, zeigen sich bei
genaueren Betrachtung doch deutliche Parallelen. Da wären einerseits
die Cello-Metaller Apocalyptica, die auf ihren Instrumenten dem
harten Stahl frönen, anderseits aber auch Van Canto, die fast
sämtliche Geräusche mit ihren Stimmen erzeugen. Gemeinsam ist ihnen
die Unterstützung eines Schlagzeugers und das beide Gruppen in ihren
Anfangstagen mehrheitlich auf Covers setzten. Deshalb und weil sich
beide auf ähnliche Metal-Götter berufen, war auch eine
Überschneidung der Setliste nicht zu vermeiden. Und so durfte man
sich Metallicas Master Of Puppets gleich als A Cappella- und als
Celloversion anhören. Eine spannende Sache also, die die beiden
Gruppen mit zwei Headlinerwürdigen Auftritten gekonnt in Szene
setzten.
Van Canto
Wer Van Canto bereits auf CD kannte, durfte gespannt sein, wie die A
Cappella-Nummern Live umgesetzt werden. Nur mit Schlagzeuger Bastian
Emig im Rücken, legte die vier Jungs und das Mädel gleich von Beginn
ein ordentliches Brett hin. Mit „To Sing A Metal Song“ und Grave
Diggers „Rebellion“ liessen sie jegliche Gedanken an Bass und
Gitarre schnell vergessen. Und auch die technisch bedingten längeren
Pausen zwischen den Liedern, wussten Van Canto charmant zu
überbrücken. Denn nach dem ersten Song stellte Leadsänger Sly klar:
„Wir Sänger müssen eine Menge trinken. Macht doch in den Pausen
jeweils Lärm.“ Und tatsächlich befolgte das Publikum seinen Rat. Die
Gesangsrollen schienen klar verteilt. Während sich Sly und Inga
vornehmlich den Leadgesang teilten, war Steff für die
Mundigitarrensoli zuständig, während Ross und Ingo den Rhythmus
sangen. Mit grossen Gesten und einer Bühnenpräsents, die sonst oft
nur der Bandleader hat, unterstützten die Gesangs-Metaller ihren
stimmlichen und optischen Ausdruck. Da fiel es auch nicht so stark
ins Gewicht, dass einzige Sänger Ingo nicht über den gleich
intensiven Charme wie der Rest verfügte. Mit NIghtwish’s „Wishmaster“
packten die Deutschen erneut ein Cover aus, dem sie die einzige
reine A Cappello-Nummer in der Gestalt/den Tönen von Blind Guardians
„Bards Song“ folgen liessen. Denn extra für diesen Song sang auch
Schlagzeuger Bastian mit. Leadsänger Sly erstaunte dabei erneut mit
seiner Stimme, die sehr nahe an die von Hansi Kürsch kam. Spätestens
bei der
grandiosen Eigenkomposition „My Voice“ offenbarte sich aber
die Schwäche des Publikums, dass zum Grossteil eher passiv
mitmachte. Diese wurde mit der ersten Zugabe zur Gewissheit. Als bei
Iron Maiden’s „Fear Of The Dark“ die obligatorischen „Ohos“
ausblieben. Umso mehr verdutzte danach der beachtliche
Schlussapplaus, der Bewies, dass Van Canto vielleicht doch noch ein,
zwei Nasen auf den Geschmack gebracht haben. Zu hoffen wäre es, denn
in der gezeigten Form, werden Van Canto immer eine Reise wert sein.
Apocalyptica
Definitiv nichts bereut hatte das Publikum an diesem Abend mit dem
Konzert von Apocalyptica. Verfügten Van Canto bereits über eine
tolle Bühnenpräsenz, war diese bei den Finnen schlicht gigantisch.
Für einmal nur mit drei anstelle von vier Cellos (Antero Manninen
spielt sonst live noch mit) steigerten sie sich nach einem Intro ab
Band in den Song Refuse. Dazu passend verwandelte sich die gänzlich
abgedunkelte Bühne im Verlaufe des Songs in ein wildes Durcheinander
aus Grell und Dunkel. Die Finnen unterstützten diese Lichtshow, in
dem sie über die Bühne fegten, ihre Celli mal vom linken an den
rechten Bühnenrand schleppten, und lächelten ins Publikum zufrieden,
wenn sie nicht gerade am headbangen waren. Besonders Perttu mimte
den verrückten, leicht hypernervösen Musiker, während Paavo immer
wieder hämisch Grimassen schnitt. Da das neue Album „7th Symphony“
erst in einem halben Monat rauskam, hatten die Cellisten am Blue
Balls-Festival bei der Songauswahl Narrenfreiheit. Und so gab es ein
Programm zu hören, welches erstaunlich viele Coverversionen
beinhaltete. Zudem überraschten Apocalyptica mit einem Tabubruch:
Hiess es bis jetzt in Interviews der Band immer „Wir brauchen keinen
Sänger für die Songs, die auf CD gesungen sind, weil wir mit dem
Publikum über einen ganzen Chor verfügen“ bereicherte in Luzern
eine
unbekannte Goldkehle einzelne Lieder. „I’m Not Jesus“ und das neue
„End Of Me“ eröffneten den Gesangsreigen. Im Verlaufe des Konzert
sollte der besagte Sänger noch die Möglichkeit bekommen, auch „Life
Burns“ und das ebenfalls neue „I Don’t Care“ zu veredeln. Bis dahin
hiess es aber: „Do you love beautiful cello music?“ und klar tat
dies das Publikum, welches die Finnen motivierter als bei Van Canto,
aber weit weg von euphorisch, unterstützte. Mit „Seek And Destroy“
und „Inquisition Symphony“ lotsten die Cellisten die Härtegrenzen
ihrer Instrumente aus, während das neue „Beautiful“ von Schlagzeuger
Mikko am Kontrabass unterstützt wurde. Zusammen mit dem
nachfolgenden akustischen „Bittersweet“ sorgte es für die
kontrastreichen ruhigen Töne. Die Zeit verging bei dieser
Abwechslung wie im Fluge. Und als das Dreierpacket „Enter Sandman“,
Master Of Puppets und Edward Greags „Hall Of The Mountain King“
ausgeklungen war, hatte die imaginäre Auftritts-Stoppuhr bereits
zwei Stunden überschritten. Fazit: Apocalyptica sind live eine Wucht
und schlagen sogar die auf CD gezeigte Atmosphäre und Stimmung.
Setliste Apocalyptica: Cohkka, Refuse, Grace, Fight Fire With Fire,
I’m Not Jesus (Vocals), End Of Me (Vocals), For Whom The Bell Tolls,
Betrayal, Beautiful, Sacra, Bittersweet, Last Hope, Life Burns (Vocals),
Seek and Destroy, Inquisition Symphony, I Don’t Care (Vocals), Enter
Sandman, Master Of Puppets, Hall Of The Mountain King,
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