Livereview: Arch Enemy - Warbringer - ChthoniC - Erupdead
22. Dezember 2011, Pratteln - Z7
By Rockslave
Ich muss gestehen, dass ich mir hierzu zuerst einen wiederholten und gehörigen Ruck verpassen musste, denn Arch Enemy sind und waren noch nie mein Ding. Das liegt natürlich weniger an der zweifellos geilen Mucke, sondern vielmehr am seelen- wie pausenlosen Gegurgel von Frontsirene Angela Gossow. Was brachte mich also kurz vor Weihnachten dennoch dazu, den Weg nach Pratteln unter die Räder zu nehmen? Ein Grund war, dass ich mir ein abschliessendes Urteil über die in der Szene sehr angesehene Band nicht nur von Tonträgern machen wollte und dass mit Warbringer eine Support-Band dabei war, die der immer noch aufstrebenden Thrash-Szene mit ihrem geilen Debüt-Album weitere Impulse vermittelt hat. Dass dann aber mit ChthoniC aus Taiwan eine echte Überraschung anstand, konnte so nicht zwingend erwartet werden, und das nicht nur wegen der sexy Bassistin Doris Yeh! Da ich zudem rechtzeitig vor Ort war, sah ich auch die kurzfristig ins Billing aufgenommene, heimische Band Erupdead als Opener des Abends. So standen insgesamt also vier Bands auf der Matte.

Erupdead

Nebst meiner Wenigkeit dürften wohl die wenigsten der schon zu Beginn anwesenden Fans bemerkt oder gewusst haben, dass man für das Tourneeabschluss-Konzert von Arch Enemy noch eine dritte Support-Band verpflichtet hatte. Erupdead aus Basel bekamen dabei die Gelegenheit, eine Auswahl von Songs ihrer ersten CD «Human Progress», die anfangs Oktober 2011 erschienen ist, live vorzustellen. Im Schmelztiegel von Death, Black und Thrash Metal über Hard- bis zu Grindcore liessen es dann Sebbi (v), Herzig (g), Sven (g), Matt (b) und Atz (d) gleich von Beginn weg heftig krachen. Der Album-Opener «Mediaddict» hatte diese Stellung auch live inne, wo nebst dem genretypischen Geknüppel und den zugehörigen Growls etliche Tempo-Breaks mit eigentlich ungewohnten, respektive an dieser Stelle eher unerwarteten Melodien sogleich auffielen. Unübersehbar war nebst dem Gesichtspearcing und den Tattoos auch der Ohrschmuck von Gitarrist Sven, der zwei riesige, schwarze Tunnels zur Schau trug. Auf den Fotos entdeckte ich dann später noch was, nämlich unter dem Oberbegriff Body Modification "verzierte" Hände, sprich Unterhaut-Implantate! Schon krass sowas, doch diese Optik passte perfekt zum Sound und ich fragte mich zudem immer wieder, wie man professionell growlt, denn ich wäre im Gegensatz zu Brüllwürfel Sebbi schon nach zwei Minuten total heiser. Die ersten dreissig Konzert-Minuten des Abends waren rasch um und die noch nicht gerade zahlreich anwesenden Fans in der Halle bedachten Erupdead mit Anstands-Applaus. Technisch gesehen hatten sie es die Jungs augenscheinlich drauf, aber mir war das Ganze dann letztlich doch viel zu eintönig.

Setliste: «Mediaddict» - «Burn The Symbols» - «Plastic Doll» - «Letters Of Mars» - «Unite» - «The Source Of Evil».

ChthoniC
Death Metal made in Taiwan? Tja Leute..., wer zuvor dachte, dass dies nicht oder nur begrenzt möglich ist, musste sich bald eine Besseren belehren lassen! Ich hatte zuvor noch nie was von dieser Band gehört, die eigentlich schon seit 1995 existiert. Seither wurden sechs Studio-Alben, einzelne Singles, EPs und 2006 auch eine Live-Nachlese als DVD/DCD veröffentlicht. Von der Ur-Formation ist nur noch Sänger Freddy Lim übrig geblieben und es gibt über ein Dutzend Ex-Members. Doris Yeh, die der Blickfang am Bass, ist immerhin seit 1999 dabei, also auch schon ein paar Jahre. Ihr Rhythmus-Partner ist Dani Wang, während Jessie Liu die Sechssaitige bedient und CJ Kao für die Synthie-Tasten verantwortlich zeichnet. Von der Optik her gibt es auch einige Details zu erwähnen, wie die tattooartige Gesichtsbemalung von Freddy, die Masken von Dani und CJ sowie das sexy Outfit von Doris. All das wirkte zu Beginn, also als gerade alle Musiker auf die Bühne kamen und sich bereits machten, ziemlich irritierend. Ich befürchtete, dass es sich hier um eine Visual Key Gruppe wie Dir En Grey handelt und das wäre dann in der Tat "schwere Kost" gewesen. Der Opener «The Island» stimmte mit fernöstlichen Klängen als Intro auf «Forty-Nine Theurgy Chains» ein, wo es dann gleich das volle Brett gab. Man musste zweimal hinsehen, ob diese derben Shouts wirklich aus dem Mund des Taiwanesen stammten. Nicht minder heftig und mitunter mit ordentlich blackmetallischem Einschlag wirkte auch «Rise Of The Shadow» wie ein Keulenschlag ins Genick. Da ging ziemlich die Post ab und auch das Publikum schien plötzlich wie zu erwachen. Die Bühnenpräsenz von ChthoniC war wirklich beeindruckend und die technischen Fähigkeiten liessen keinen Zweifel darüber aufkommen, dass hier Vollblutmusiker am Werk waren. Sänger Freddy Lim war überdies in der Lage tief zu growlen wie Dan Swanö (Edge Of Sanity) und auch hoch zu kreischen wie Dani Filth (Cradle Of Filth). Die dezente Lautstärke des Synthies bereicherte das musikalische Gesamtbild, anstatt es zuzukleistern. Der Oriental Metal aus Taiwan überraschte auf der ganzen Linie und ich habe noch selten eine Band gesehen, die sich nach nur 30 Minuten Spielzeit so in Szene setzen konnte. 2012 wird ausserdem eine neue Live-DVD/DCD erhältlich sein, die man mindestens mal antesten sollte.

Setliste: «The Island» - «Forty-Nine Theurgy Chains» - «Rise Of The Shadow» - «Southern Cross» - «Broken Jade» - «Oceanquake» - «Takao».

Warbringer
Und nun war die Reihe an den Amis von Warbringer, die mit ihrem aktuellen, dritten Longplayer «Worlds Turn Asunder» ein echtes Thrash Masterpiece abgeliefert haben, das sich in der zur Zeit grassierenden Thrash-Mania bestens behaupten kann und nicht selten an Schmier & Co., sprich Destruction erinnert. Weil es auch für Warbringer das letzte Konzert der laufenden Tour war, mussten traditionellerweise gewisse Streiche der Crew und/oder der anderen Bandmitglieder erwartet/ausgestanden werden. Offenbar hat sich dieser Brauch aber etwas abgenutzt, denn es geschah nichts Aussergewöhnliches. Soweit so gut, aber etwas fiel Sänger John Kevill dennoch schon vor dem ersten, gespielten Ton auf, nämlich dass der rote Schriftzug auf dem Backdrop derart überklebt wurde, dass nur noch «War Inc.» davon übrig blieb. Doch das brachte die laute Truppe aus dem kalifornischen Ventura nicht aus dem Konzept, im Gegenteil! Den Album-Opener «Living Weapon» auch gleich als erste Abrissbirne ihres Auftrittes zu bringen, entpuppte sich als goldrichtig! Immer noch angewärmt von ChthoniC ging es nun für den gut antizipierenden Mob voll zur Sache. Massig fliegende Haarmatten bestätigten die gute Stimmung, von der sich die Band aus Übersee weiter anstacheln liess. Die Mucke kam voll auf den Punkt rüber und fegte wie ein Tornado durch das Z7! Thrash Metal at its best!! Vom neuen Album wurden insgesamt vier Songs gespielt, während die zugestandene Spielzeit von 45 Minuten für den Co-Headliner natürlich Platz für neun Songs schaffte. Weil das ja kein Kindergeburtstag war, gab es keinerlei Verschnaufpausen..., weder vor noch auf der Bühne. So drückten Warbringer durchgehend auf die Tube, dass es eine wahre Freude war. Mit dem eher überraschenden, aber erfreulicherweise sehr überzeugend interpretierten Motörhead-Klassiker «(We Are) The Road Crew» wurde so zu sagen ein benötigter Farbtupfer in das mit der Zeit gleichförmige Gebretter gelegt. Das Z7-Publikum sah das wohl etwas weniger kritisch und reagierte prompt mit einem Moshpit auf die Darbietung. Soundmässig war es ganz ok und sobald man etwas vom Gas ging und der gepflegten Rhythmik auch Raum liess, kamen umgehend gute Vibes à la Legion Of The Damned hoch. Optisch war bis auf den Kurzhaarträger Adam Carroll alles im grünen Bereich und das agile Drum-Spiel von Carlos Cruz allererste Sahne. Andy Laux spielte derweil seinen Bass mit einem Plektrum und darum klang das Ganze insgesamt etwas zu dünn für meinen Geschmack. Wenn der California-Fünfer die Klasse des aktuellen Songwritings mindestens halten, wenn nicht übertreffen kann, werden wir die Jungs sicher bald wieder abrocken sehen.

Setliste: «Living Weapon» - «Severed Reality» - «Living In A Whirlwind» - «Shattered Like Glass» - «Total War» - «Demonic Ecstasy» - «(We Are) The Road Crew» - «Future Ages Gone» - «Combat Shock».


Arch Enemy
Eigentlich wusste ich schon, was mich erwartet, aber da musste ich jetzt durch! Es sind nun gut zehn Jahre her, seit die deutsche Sängerin Angela Gossow zu dieser Schwedentruppe stiess, die bereits 1996 aus den Ruinen von Carcass enstand und damals mit Johan Liiva noch einen männlichen Frontmann stellte. Die Gebrüder Amott, als da wären Michael und Christopher sind ausgewiesene Szene-Kapazitäten und halten den Kahn seit je her auf Kurs. Bassist Sharlee D'Angelo war mir von King Diamond und Mercyful Fate her ein Begriff. Vervollständigt werden Arch Enemy von Schlagzeuger Daniel Erlandsson, der von Anfang an dabei ist. Von den acht Studio-Alben, die in den letzten fünfzehn Jahren erschienen sind, habe ich bis auf eine Card-Box Promo von «Anthems Of Rebellion» nichts bei mir rum stehen. Warum das so ist, wurde mir dann schon beim Opener «Yesterday Is Dead And Gone» schlagartig ins Bewusstsein geholt. Zu geilstem, melodiösem "Progressive Thrash Power Metal" mit etwas Schlagseite zu Nevermore growlte unser blonder Engel Angela (die mit der spitzenübersähten Lederkluft wie Rob Halford in jungen Jahren aussah) durchgehend und abgrundtief böse alles in Grund Boden! Warum man zum Beispiel bei «Revolution Begins» am Anfang keine Clean-Vocals bringt, finde ich einfach jammerschade. Bei der Double Bassdrum Attacke «Ravenous» wog dieser Umstand dann nicht so schwer, aber auch hier könnte eine passende(re) weibliche wie männliche Gesangsstimme noch viel mehr aus diesem zum Niederknien geilen Sound heraus holen. So liess ich mich dann von einem Song nach dem anderen berieseln, kannte keinen einzigen davon, sah gleichzeitig etwa zumeist abfeiernde 700 Fans, die jedoch mächtig Spass hatten und lautstark mitsangen. «My Apocalypse» war musikalisch an sich ein weiteres Juwel mit einem wunderschönen, getragenen Mittelteil mit feinen Doppel-Soli der Amott-Brothers. Stampf-Knüppler der Marke «Bloodstained Cross» oder «Taking Back My Soul» entfachten schliesslich weitere Moshpits, wo es teils noch recht heftig zu und her ging. Das Ganze war jedoch von keinerlei Gehässigkeiten begleitet und entsprach so den genreüblichen Gepflog-enheiten unter Metallern. Das hiess in erster Linie Spass zu haben und dagegen ist nicht das Geringste einzuwenden. Sound und Licht waren ziemlich fett und trotzdem machte sich bei mir je länger je mehr Langeweile breit. Nicht mal das soweit kurzweilige Drum-Solo von Herrn Erlandsson vermochte meine zunehmende Lethargie zu durchbrechen. Schimpft mich nun einen notorischen oder unein-sichtigen Kostverächter zum Thema der Amott-Band, aber was soll man (ich) machen? Es ist wirklich ein Jammer, dass mir solch geile Mucke erstens auch künftig nicht ins Haus kommen wird und ich nun zweitens livemässig ebenso wie für immer "geheilt" bin. Allerdings werde ich beim nächsten BYH!!!-Festival in Balingen (D) nicht darum herum kommen, respektive mich während dem Auftritt von Arch Enemy in aller Ruhe um mein leibliches Wohl kümmern können. In diesem Sinne Flasche leer, ich habe fertig!

Setliste: «Khaos Overture» - «Yesterday Is Dead and Gone» - «Revolution Begins» - «Ravenous» - «Enemy Within» - «My Apocalypse» - «Bloodstained Cross» - «Taking Back My Soul» - «Drum Solo» - «Under Black Flags We March» - «Dead Eyes See No Future» - «Guitar Soli (Chris & Micheal)» - «Diva Satanica» - «Dead Bury Their Dead» - «We Will Rise» -- «Snow Bound» - «Nemesis» - «Fields Of Desolation» - «Outro».