Livereview: Arch Enemy - Crucified Barbara - NitroDive - Hackneyed

14. Oktober 2012, Pratteln - Z7
By Rockslave
Ohne den überzeugenden Auftritt am diesjährigen BYH!!!-Festival in Balingen (D) hätte ich an diesem Abend mit Sicherheit durch meine Abwesenheit geglänzt. Weil mich aber die äusseren Umstände am Openair, sprich dass Angelas krasser Gesang für einmal nicht so dominant rüber kam, näher an die geile Musik von Arch Enemy geführt haben, gab ich mir nochmals einen Ruck für die Hallenvariante. Als dann allerdings plötzlich Crucified Barbara als "Special Guest" neu ins Billing rein rutschten (sie wären sonst am gleichen Abend drüben in der Galery gebucht gewesen!), wurde mir die Entscheidung leicht gemacht, zumal ich am Nachmittag noch ein Interview mit Ida Evileye (b/v) und Klara Force (g/v) abhalten konnte. Als offizielle Support-Bands der Tour von Arch Enemy waren die schwedischen Punkrocker von NitroDive und die jungen deutschen Death Metaller von Hackneyed verpflichtet worden. Während Letztere stilitisch näher zum Headliner standen, wurde mit "Punkrock from Sweden" ein deutlicher Kontrastpunkt gesetzt, der sich in Pratteln überraschend wacker schlug.

Hackneyed

Da nun wegen Crucified Barbara insgesamt vier Bands aufspielten, ergaben sich Änderungen an der Running Order, das heisst Hackneyed (als erste Band) mussten früher ran an die Buletten. Das muss dann so um 18.20 Uhr herum gewesen sein und weil ich das relativ spät in Erfahrung gebracht hatte, war ich leider zu spät dran. 2008 wurde Nuclear Blast auf die Jungs mit einem damaligen Durchschnittsalter von gerade mal 16 Jahren (!) aufmerksam und signte somit die weltweit jüngste Death Metal Combo. Wer sich mal das Debüt anhört, wird überrascht sein, auf welchem technischen Niveau die Chose daher kommt. Die Folge davon waren zahlreiche Festival-Auftritte wie beim "Summer Breeze", "Metal Camp", "With Full Force", "Death Feast" oder "Rock Harz". 2010 bestritt man überdies bereits eine Headliner-Tour. Die aktuelle dritte Scheibe «Carnival Cadavre» kam nun letztes Jahr heraus, allerdings neu bei Lifeforce Records. Im Fahrwasser von Grave, Six Feet Under und Konsorten zelebrieren Hackneyed (ohne einen zur Zeit festen Bassisten) besten Gerne-Sound, den ich eigentlich noch gerne gehört hätte. So next time guys!

NitroDive
Schon nur das optische Erscheinungsbild von Sänger/Gitarrist Albert, Bassist Robert und Schlagzeuger Johan liess unschwer erahnen, welche Musik das Trio aus Götheborg heute Abend wohl auffahren würde. Um etwa 19.10 Uhr wandelte sich diese Vermutung zur Gewissheit, als die Jungs mit ziemlich rotziger Attitüde los legten. Wie es sich für räudigen Punkrock gehört, wird das Ganze jeweils in recht flottem Tempo runter geholzt und ging voll vorne raus. Die ungefähr fünf Hundertschaften antizipierten allerdings enttäuschend schwach und so mussten Albert und seine Jungs permanent Vollgas geben. Der schweisstreibende wie beherzte Einsatz auf der Bühne übertrug sich dann plötzlich zumindest etwas aufs Publikum, das sich dann immerhin doch ein wenig in Partylaune versetzen liess. Das freute NitroDive natürlich, die darauf gleich noch ein paar Briketts nachlegten. Ihre gut dreissig zur Verfügung stehenden Spielminuten wurden auf jeden Fall gut ausgenützt. Einziger Kritikpunkt waren letztlich nur die insgesamt etwas zu gleichförmigen Songs, die so ein Stil halt mit sich bringt. Da aber die Band und das Publikum sichtlich ihren Spass hatten, konnte man zum Schluss, ohne mit der Wimper zu zucken, das Prädikat "Mission erfüllt" vergeben.

Crucified Barbara
Vor dem Konzert der hart rockenden Mädels aus Schweden hatte ich bereits nachmittags um 15.00 Uhr, wie eingangs erwähnt, einen Interview-Termin! Dabei lernte ich gleich die Hälfte der Gruppe kennen und war überrascht, wie bodenständig sie sich gaben. Keine Spur von Rockstar-Gehabe. Beste Voraussetzungen also für mein allererstes Konzert des weiblichen Quartetts aus Stockholm. Das mag vielleicht seltsam anmuten, da Cruicfied Barbara mittlerweile schon ein paar Mal in der Schweiz gespielt haben. Allein der heutige Auftritt war schon der Vierte in diesem Jahr! Spätestens mit ihrem aktuellen Album «The Midnight Chase» wurde nun auch mein Interesse geweckt. Mit den Vibes von The Runaways, Girlschool und einem Schuss Motörhead hört sich die Mucke in der Tat sehr catchy an und davon wollte ich mir nun endlich auch persönlich ein Bild machen. Leadsängerin und Gitarristin Mia Coldheart war die einzige Musikerin mit dunklen Haaren, während die anderen drei Bandmates die typischere Haarfarbe bezüglich ihrer Herkunft trugen, das heisst also blond. Dies sind Klara Force (g), Ida Evileye (b) und Nicki Wicked (d). Seit ihren Teenie-Zeiten spielen Crucified Barbara zusammen und als sie mit «The Crucifier», dem Opener der neuen Scheibe recht heftig los legten, verwandelten sich die überaus nett anzuschauenden Ladies in rockig fauchende Amazonen! Mia beanspruchte ihre Stimmbänder dabei ordentlich und das leicht Kratzige passte bestens dazu. Wahrend der erste Song eher eine metallische Note verströmte, rockte es bei «Play Me Hard» nicht minder heftig. Dabei warf sich die Saitenfront immer wieder in headbangende Posen. Spätestens bei «Rock Me Like A Devil», wovon es auch schon ein Video gibt, bewiesen die lärmenden Girls, dass sie auch ein gutes Händchen in Sachen griffige Refrains zu haben scheinen. Auf dieser Basis lieferten die vier Schwedinnen eine überzeugende und fast einstündige Show als "very special guest" ab, die Lust auf mehr machte..., also die Musik!

Setliste: «The Crucifier» - «Play Me Hard» - «Rock Me Like The Devil» - «Shut Your Mouth» - «Jennyfer» - «Into The Fire» - «Rules And Bones» - «Sex Action» - «Go Roffe» - «Losing The Game» - «Count Me In» - «Rock'n'Roll Bachelor» - «In Distortion We Trust».


Arch Enemy
Ein anwesender Kollege meinte, dass er nun nach Crucified Barbara getrost den Heimweg antreten könne! Er tat es dann doch nicht und suchte wohl das Gleiche wie ich bei Arch Enemy, nämlich das, was einen wirklich an dieser Band fesselt. Ich tat mich lange Jahre ziemlich schwer mit dem krassen Gekeife der Frontfrau Angela Gossow und nach dem aktuellen Schweizer Gastspiel hat sich der Wind immer noch nicht ganz gedreht. Allerdings stellte ich das Erlebte von Balingen (siehe oben) quasi präventiv in den Vordergrund und so versuchte ich es auch heute Abend irgendwie auf die Reihe zu kriegen. Was vielleicht nicht mehr alle wissen oder allenfalls gar nicht: Arch Enemy hatten zu Beginn ihrer Karriere einen Sänger namens Johan Liiva, bevor Angela Gossow seinen Posten vor über zehn Jahren übernahm. So änderte sich der Gesangsstil zwar nicht gerade fundamental, aber es war natürlich schon etwas anderes, zumal dann noch eine weibliche, wenn auch sehr spezielle Stimme das Zepter übernahm. Diese Konstellation vermochte dann aber über die letzten Jahre dennoch eine grosse weltweite Fanbase zu mobilisieren. Gleichzeitig entstanden zwei Lager im Umfeld der Band, die nach wie vor schwer von ihren Positionen abweichen. Ich bin so zu sagen dank dem BYH!!! zum Überläufer geworden, wohl wissend, dass ich in meinem Kopfkino speziell die Musik der Gruppe beachte. Im Frühling dieses Jahres verliess Christopher Amott (g) die Band überraschend (zum zweiten Mal nach 2005!) und wurde durch Nick Cordle (Arsis) ersetzt. Boss Michael Amott kann sich aber auf jeden Fall immer noch blind auf seine Mitstreiter verlassen und das hörte man von der ersten Sekunde an. Angetrieben durch ihre tighte Hintermannschaft, legte sich auch Angela voll ins Zeug und so gab es kein Zurück mehr! Nach einem kurzen Intro donnerte «Yesterday Is Dead And Gone» in den Innenraum des Z7 und überrollte knapp 600 Leute. Das nachfolgende «Ravenous» legte vom Tempo noch einen Zacken zu und der erste mögliche Mitsingpart fand noch keine Resonanz. Die vielseitigen und oftmals auch mit schönen Melodien versehenen Hassbratzen wie «Bloodstained Cross» oder «The Day You Died» litten dann aber zunehmend wieder unter dem, was ich befürchtet hatte. Es ist an sich schon ein Jammer, dass der schweinegeile Sound von einer insgesamt viel zu einseitig und monoton eingesetzten Gesangsstimme derart beeinträchtigt wird. Wenn wenigstens zur Abwechslung mal ein paar cleane (Vocal-) Parts zu hören wären, aber das gibt es einfach nicht, leider. Die durchaus hochstehenden Solo-Beiträge und Twin-Soli von Michael und Nick vermochten das Hauptproblem nicht zu beseitigen. Obwohl das Publikum mit guter Stimmung soweit bei der Stange gehalten werden konnte, löste sich meine Euphorie des Sommers fast wieder im Nichts auf.

Setliste: «Yesterday Is Dead And Gone» - «Ravenous» - «My Apocalypse» - «Bloodstained Cross» - «The Day You Died» - «Drum Solo» - «Under Black Flags We March» - «Dead Eyes See No Future» - «Revolution Begins» - «Guitar Solo Nick Cordle and Michael Amott» - «Dead Bury Their Dead» - «We Will Rise» -- «Snow Bound» - «Nemesis» - «Fields Of Desolation».