Ohne den überzeugenden Auftritt am diesjährigen BYH!!!-Festival
in Balingen (D) hätte ich an diesem Abend mit Sicherheit durch meine
Abwesenheit geglänzt. Weil mich aber die äusseren Umstände am
Openair, sprich dass Angelas krasser Gesang für einmal nicht so
dominant rüber kam, näher an die geile Musik von Arch Enemy geführt
haben, gab ich mir nochmals einen Ruck für die Hallenvariante. Als
dann allerdings plötzlich Crucified Barbara als "Special Guest" neu
ins Billing rein rutschten (sie wären sonst am gleichen Abend drüben
in der Galery gebucht gewesen!), wurde mir die Entscheidung leicht
gemacht, zumal ich am Nachmittag noch ein Interview mit Ida Evileye
(b/v) und Klara Force (g/v) abhalten konnte. Als offizielle
Support-Bands der Tour von Arch Enemy waren die schwedischen
Punkrocker von NitroDive und die jungen deutschen Death Metaller von
Hackneyed verpflichtet worden. Während Letztere stilitisch näher zum
Headliner standen, wurde mit "Punkrock from Sweden" ein deutlicher
Kontrastpunkt gesetzt, der sich in Pratteln überraschend wacker
schlug.
Hackneyed
Da nun wegen Crucified Barbara insgesamt vier Bands aufspielten,
ergaben sich Änderungen an der Running Order, das heisst Hackneyed
(als erste Band) mussten früher ran an die Buletten. Das muss dann
so um 18.20 Uhr herum gewesen sein und weil ich das relativ spät in
Erfahrung gebracht hatte, war ich leider zu spät dran. 2008 wurde
Nuclear Blast auf die Jungs mit einem damaligen Durchschnittsalter
von gerade mal 16 Jahren (!) aufmerksam und signte somit die
weltweit jüngste Death Metal Combo. Wer sich mal das Debüt anhört,
wird überrascht sein, auf welchem technischen Niveau die Chose daher
kommt. Die Folge davon waren zahlreiche Festival-Auftritte wie beim
"Summer Breeze", "Metal Camp", "With Full Force", "Death Feast" oder
"Rock Harz". 2010 bestritt man überdies bereits eine Headliner-Tour.
Die aktuelle dritte Scheibe «Carnival Cadavre» kam nun letztes Jahr
heraus, allerdings neu bei Lifeforce Records. Im Fahrwasser von
Grave, Six Feet Under und Konsorten zelebrieren Hackneyed (ohne
einen zur Zeit festen Bassisten) besten Gerne-Sound, den ich
eigentlich noch gerne gehört hätte. So next time guys!
NitroDive
Schon nur das optische Erscheinungsbild von Sänger/Gitarrist Albert,
Bassist Robert und Schlagzeuger Johan liess unschwer erahnen, welche
Musik das Trio aus Götheborg heute Abend wohl auffahren würde. Um
etwa 19.10 Uhr wandelte sich diese Vermutung zur Gewissheit, als die
Jungs mit ziemlich rotziger Attitüde los legten. Wie es sich für
räudigen Punkrock gehört, wird das Ganze jeweils in recht flottem
Tempo runter geholzt und ging voll vorne raus. Die ungefähr fünf
Hundertschaften antizipierten allerdings enttäuschend schwach und so
mussten Albert und seine Jungs permanent Vollgas geben. Der
schweisstreibende wie beherzte Einsatz auf der Bühne übertrug sich
dann plötzlich zumindest etwas aufs Publikum, das sich dann immerhin
doch ein wenig in Partylaune versetzen liess. Das freute NitroDive
natürlich, die darauf gleich noch ein paar Briketts nachlegten. Ihre
gut dreissig zur Verfügung stehenden Spielminuten wurden auf jeden
Fall gut ausgenützt. Einziger Kritikpunkt waren letztlich nur die
insgesamt etwas zu gleichförmigen Songs, die so ein Stil halt mit
sich bringt. Da aber die Band und das Publikum sichtlich ihren Spass
hatten, konnte man zum Schluss, ohne mit der Wimper zu zucken, das
Prädikat "Mission erfüllt" vergeben.
Crucified Barbara
Vor dem Konzert der hart rockenden Mädels aus Schweden hatte ich
bereits nachmittags um 15.00 Uhr, wie eingangs erwähnt, einen
Interview-Termin! Dabei lernte ich gleich die Hälfte der Gruppe
kennen und war überrascht, wie bodenständig sie sich gaben. Keine
Spur von Rockstar-Gehabe. Beste Voraussetzungen also für mein
allererstes Konzert des weiblichen Quartetts aus Stockholm. Das mag
vielleicht seltsam anmuten, da Cruicfied Barbara mittlerweile schon
ein paar Mal in der Schweiz gespielt haben. Allein der heutige
Auftritt war schon der Vierte in diesem Jahr! Spätestens mit ihrem
aktuellen Album «The Midnight Chase» wurde nun auch mein Interesse
geweckt. Mit den Vibes von The Runaways, Girlschool und einem Schuss
Motörhead hört sich die Mucke in der Tat sehr catchy an und davon
wollte ich mir nun endlich auch persönlich ein Bild machen.
Leadsängerin und Gitarristin Mia Coldheart war die einzige Musikerin
mit dunklen Haaren, während die anderen drei Bandmates die
typischere Haarfarbe bezüglich ihrer Herkunft trugen, das heisst
also blond. Dies sind Klara Force (g), Ida Evileye (b) und Nicki
Wicked (d). Seit ihren Teenie-Zeiten spielen Crucified Barbara
zusammen und als sie mit «The Crucifier», dem Opener der neuen
Scheibe recht heftig los legten, verwandelten sich die überaus nett
anzuschauenden Ladies in rockig fauchende Amazonen! Mia beanspruchte
ihre Stimmbänder dabei ordentlich und das leicht Kratzige passte
bestens dazu. Wahrend der erste Song eher eine metallische Note
verströmte, rockte es bei «Play Me Hard» nicht minder heftig. Dabei
warf sich die Saitenfront immer wieder in headbangende Posen.
Spätestens bei «Rock Me Like A Devil», wovon es auch schon ein Video
gibt, bewiesen die lärmenden Girls, dass sie auch ein gutes Händchen
in Sachen griffige Refrains zu haben scheinen. Auf dieser Basis
lieferten die vier Schwedinnen eine überzeugende und fast
einstündige Show als "very special guest" ab, die Lust auf mehr
machte..., also die Musik!
Setliste: «The Crucifier» - «Play Me Hard» - «Rock Me Like The Devil»
- «Shut Your Mouth» - «Jennyfer» - «Into The Fire» - «Rules And
Bones» - «Sex Action» - «Go Roffe» - «Losing The Game» - «Count Me
In» - «Rock'n'Roll Bachelor» - «In Distortion We Trust».
Arch Enemy
Ein anwesender Kollege meinte, dass er nun nach Crucified Barbara
getrost den Heimweg antreten könne! Er tat es dann doch nicht und
suchte wohl das Gleiche wie ich bei Arch Enemy, nämlich das, was
einen wirklich an dieser Band fesselt. Ich tat mich lange Jahre
ziemlich schwer mit dem krassen Gekeife der Frontfrau Angela Gossow
und nach dem aktuellen Schweizer Gastspiel hat sich der Wind immer
noch nicht ganz gedreht. Allerdings stellte ich das Erlebte von
Balingen (siehe oben) quasi präventiv in den Vordergrund und so
versuchte ich es auch heute Abend irgendwie auf die Reihe zu
kriegen. Was vielleicht nicht mehr alle wissen oder allenfalls gar
nicht: Arch Enemy hatten zu Beginn ihrer Karriere einen Sänger
namens Johan Liiva, bevor Angela Gossow seinen Posten vor über zehn
Jahren übernahm. So änderte sich der Gesangsstil zwar nicht gerade
fundamental, aber es war natürlich schon etwas anderes, zumal dann
noch eine weibliche, wenn auch sehr spezielle Stimme das Zepter
übernahm. Diese Konstellation vermochte dann aber über die letzten
Jahre dennoch eine grosse weltweite Fanbase zu mobilisieren.
Gleichzeitig entstanden zwei Lager im Umfeld der Band, die nach wie
vor schwer von ihren Positionen abweichen. Ich bin so zu sagen dank
dem BYH!!! zum Überläufer geworden, wohl wissend, dass ich in meinem
Kopfkino speziell die Musik der Gruppe beachte. Im Frühling dieses
Jahres verliess Christopher Amott (g) die Band überraschend (zum
zweiten Mal nach 2005!) und wurde durch Nick Cordle (Arsis) ersetzt.
Boss Michael
Amott kann sich aber auf jeden Fall immer noch blind
auf seine Mitstreiter verlassen und das hörte man von der ersten
Sekunde an. Angetrieben durch ihre tighte Hintermannschaft, legte
sich auch Angela voll ins Zeug und so gab es kein Zurück mehr! Nach
einem kurzen Intro donnerte «Yesterday Is Dead And Gone» in den
Innenraum des Z7 und überrollte knapp 600 Leute. Das nachfolgende «Ravenous»
legte vom Tempo noch einen Zacken zu und der erste mögliche
Mitsingpart fand noch keine Resonanz. Die vielseitigen und oftmals
auch mit schönen Melodien versehenen Hassbratzen wie «Bloodstained
Cross» oder «The Day You Died» litten dann aber zunehmend wieder
unter dem, was ich befürchtet hatte. Es ist an sich schon ein
Jammer, dass der schweinegeile Sound von einer insgesamt viel zu
einseitig und monoton eingesetzten Gesangsstimme derart
beeinträchtigt wird. Wenn wenigstens zur Abwechslung mal ein paar
cleane (Vocal-) Parts zu hören wären, aber das gibt es einfach
nicht, leider. Die durchaus hochstehenden Solo-Beiträge und
Twin-Soli von Michael und Nick vermochten das Hauptproblem nicht zu
beseitigen. Obwohl das Publikum mit guter Stimmung soweit bei der
Stange gehalten werden konnte, löste sich meine Euphorie des Sommers
fast wieder im Nichts auf.
Setliste: «Yesterday Is Dead And Gone» - «Ravenous» - «My Apocalypse»
- «Bloodstained Cross» - «The Day You Died» - «Drum Solo» - «Under
Black Flags We March» - «Dead Eyes See No Future» - «Revolution
Begins» - «Guitar Solo Nick Cordle and Michael Amott» - «Dead Bury
Their Dead» - «We Will Rise» -- «Snow Bound» - «Nemesis» - «Fields
Of Desolation».
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