Wenn man darüber sinniert, welche Bands leider nie den
Erfolg einheimsen konnten, der ihnen eigentlich aufgrund der Güte
des Songmaterials zugestanden hätte, dann gehören Armored Saint mit
Sicherheit auch dazu! 1982 gegründet, stand die Truppe zwei Jahre
später mit ihrem legendären Debüt «March Of The Saint» voll in den
Startlöchern. Auch «Delirious Nomad» (1985) und «Raising Fear»
(1987) boten feinste Metalkost, die sich durch den ausdruckstarken
Gesang von John Bush auszeichnete und von den Songwriter-Qualitäten
des Gründungsmitglieds und Gitarristen Dave Prichard (R.I.P.)
profitierte. Das Line-Up hielt leider nicht lange, und als der Deal
mit Chrysalis nach der Live-Scheibe «Saints Will Conquer» (1988)
verkaufsbedingt flöten ging, folgte zwei Jahre später der unfassbare
Tod von Dave. So wurde «Symbol Of Salvation» (1991) unter der Ägide
von Metal Blade als neuem Label zum kompositorischen Vermächtnis
dieses begabten Musikers. Fast eine Stunde dauert das
abwechslungsreich gehaltene Überwerk und wurde nun auf der aktuellen
Tour mitunter komplett durchgespielt. Die Schweizer Support-Band
Beyond Dystopia schlug sich derweil wacker.
Beyond Dystopia
Von den Schweizer Grunge-Rockern aus Thun hatte ich zuvor noch nie
was gehört. Als das Trio die Bühne des Z7 betrat, hätte ich rein von
der äusseren Erscheinung her spontan auf Amis oder Skandinavier
getippt. Bevor also eine Ansage von Leadsänger und Gitarrist Basil
Aemmer erfolgte, blieb die Herkunft im Verborgenen. Vor einer leider
ziemlich spärlichen Kulisse von ein paar Dutzend Fans versuchte die
Band mit ihrem Alternative Post Grunge etwas Stimmung in die Bude zu
bringen. Ganz zu Beginn waren die Reaktionen auf diese Mucke eher
zaghaft bis ziemlich diskret. Das Ganze passte stilistisch nicht
wirklich zum Headliner. Grunge und Heavy Metal sind halt schon arges
Zweierlei. Aber ab dem Moment, wo sich Beyond Dystopia als Schweizer
Combo zu erkennen gaben, nahm die Resonanz spürbar zu. Getragen von
voluminösem Leadgesang und kräftig beigesteuerten Backing Vocals von
Bassist Sam Fischer groovten sich die Berner Jungs durch einen
soweit soliden Set. Stilistisch konnte mich der Auftritt jedoch
nicht abholen, obwohl mich der Sound und vor allem der Gesang von
Basil mehr als einmal an Pivi R. Pieren und die leider verblichene
Baselbieter Rock-Band Excentric erinnerte. Diese fuhren ja ebenso
auf der Alternative-Schiene und rockten seinerzeit allerdings
eindringlicher als Beyond Dystopia heute Abend. Zudem eckte über die
Distanz der für meinen Geschmack letztlich zu dominant vorgetragene
Gesang der Herren Aemmer und Fischer zunehmend bei mir an und liess
die Aufmerksamkeit deshalb in raschem Tempo schwinden.
Nichtsdestotrotz konnte die Truppe ihrem Publikum einen durchaus
anteilnehmenden Schlussapplaus entlocken, und das unerwartete
Zugeständnis für einen zusätzlichen Song rundete schliesslich knappe
vierzig Support-Minuten ab. Handwerklich ging die Chose weitgehend
in Ordnung, liess aber bezüglich Tightness und Agilität, trotz teils
schwingender Matte von Basil, schon noch etwas Luft nach oben übrig!
Armored
Saint Man kann das getrost als Geschenk des Himmels
betrachten, dass uns die amerikanische Underground Metal-Institution
Armored Saint im 91-er Ur-Lineup endlich wieder einmal in der
Schweiz beehrt. Ältere Fans unter den MF-Lesern mögen sich
vielleicht noch daran erinnern, dass die Amis damals, genauer am 15.
November 1991, im Zürcher Hallenstadion als Support für die
Scorpions auf deren «Crazy World»-Tour aufspielten! Seither sind
viele Monde ins Land gezogen und nach insgesamt, respektive
zusammengezählt total zehnjähriger Szene-Abstinenz, haben John Bush
(v) und seine Mannen seit 2006 definitiv wieder Blut geleckt und
seither mit «La Raza» (2010) sowie «Win Hands Down» (2015) , gefolgt
vom Live-Dreher «Carpe Noctum» (2016) neues Material raus gehauen,
das unverkennbar die alten Trademarks weiterhin aufrecht erhält. Im
Zuge des Re-Releases von «Symbol Of Salvation» warfen Armored Saint
auch den Live-Motor wieder an und setzten auf den alten Kontinent
über. Dass diese Kult-Scheibe mit original 57 Minuten Spieldauer am
Stück durchgespielt wird, war nicht zwingend zu erwarten, zumal 27
Jahre nach dem ursprünglichen Release kein rundes Jubiläum
ansteht. Doch seis drum, sprich ist völlig egal, und so kamen die
letztlich etwa 200 Leutchen vor Ort in den Genuss einer exzellenten
Show, die noch lange nachhallen wird. Als Ouvertüre und zum Anwärmen
so zu sagen, spielte die topmotivierte Band gleich mal drei alte
Kracher wie aus einem Guss, ehe dann eben während gut einer Stunde
die zweite Raketenstufe gezündet wurde! Was da dann vom Stapel
gelassen wurde, trieb einem als Alt-und Neu-Fan glatt die
Freudentränen ins Gesicht! Ruhelos angetrieben von der mörderischen
Rhythmus-Maschine mit Joey Vera (b) und Gonzo Sandoval (d)
brillierte Frontmann John Bush inmitten des Riff- und Soli-Gewitters
seiner Sidekicks Phil Sandoval und Jeff Duncan. So erstrahlten diese
bald einmal drei Dekaden alten Schoten in gleissendem Licht und
empfahlen sich für die definitive Aufnahme in den Metal-Olymp.
Was dieses Jahrhundert-Album auszeichnet, ist die rhythmische
wie tempomässige Bandbreite, die den roten Faden dennoch immer klar
erkennen lässt. Mit dabei war natürlich auch die gnadenlos geile
Halbballade «Another Day», die dem verstorbenen Freund Dave Prichard
gewidmet wurde. Überhaupt boten Armored Saint eine überragende
Performance und gingen in ihren Kult-Songs voll auf. Die
Gesangsstimme von Master Bush ist immer noch so schneidend wie
damals und bei «Symbol Of Salvation» nutzte John die platzmässige
Begeben- wie Gelegenheit vor der Bühne spontan aus, mischte sich
weitersingend mitten unter die Fans und setzte sich für einen Moment
gar auf den Boden. Wie verdammt gut diese Songs immer noch sind,
wurde einem unter anderem auch bei der Stadion-Hymne «Burning
Question» bewusst. Cool war dann natürlich zu Beginn von «Tainted
Past»,
dass
der Part auf der Akustik-Gitarre albumgetreu wiedergegeben wurde.
Mein persönliches Highlight folgte jedoch bei «Spineless»! Da zeigte
sich wieder einmal, wie geilste Hammer-Songs fast vergessen gehen,
wenn man sie nicht immer regelmässig am Ohr hat. Damit ging so zu
sagen der offizielle Part des Sets zu Ende. Die Band blieb danach
jedoch geschlossen auf der Bühne und setzte nach dem Verdanken der
verschiedenen Dienste der ganzen Tour-Crew, inklusive dem
Bus-Driver, zur zugabenmässigen Schlussoffensive an. Im Sinne des
Brückenschlages zur Gegenwart folgte zuerst «Win Hands Down», der
Titel des aktuellen Studio-Albums und mit dem Ur-Kracher «Can U
Deliver» zeigten die Amerikaner beim letzten Europa-Konzert der
Tour, dass sie immer noch eine verdammt heisse Truppe sind! Nach
schweisstreibenden 105 Minuten Spielzeit ging dieses denkwürdige
Konzert zu Ende, und der einzige Wermutstropfen war das Auslassen
von «Mad House» (kein Anthrax-Cover!) - Könnte nun gut sein,
respektive es ist schwer zu hoffen, dass Armored Saint im nächsten
Jahr zu uns zurück kehren und einige Festivals beehren werden. Das
wäre schlicht der Oberburner!
Setliste: «March Of The Saint»
- «Long Before I Die» - «Chemical Euphoria» -- «Reign Of Fire» -
«Dropping Like Flies» - «Last Train Home» - «Tribal Dance» - «The
Truth Always Hurts» - «Half Drawn Bridge» - «Another Day» - «Symbol
Of Salvation» - «Hanging Judge» - «Warzone» - «Burning Question» -
«Tainted Past» - «Spineless» -- «Win Hands Down» - «Can U Deliver».
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