Obwohl distanzmässig von meinem Wohnort her nicht ab der
Welt, hatte ich es bisher tatsächlich noch nie (!) nach
Oberentfelden ins "Böröm Pöm Pöm" oder kurz einfach "Böröm"
geschafft. Darüber gelesen oder gehört zwar freilich genug, doch die
dortigen Gigs gehörten bisher halt überwiegend nicht zu meinen
Musts. Doch heute Abend und noch vor Weihnachten sah das nun
allerdings anders aus, denn als Headliner spielte an besagtem Ort
mit Audrey Horne eine meiner erklärten Lieblingsbands auf. Auch wenn
sich das aktuelle Album «Pure Heavy» musikalisch ein wenig von den
starken Wurzeln der Norweger entfernt hat, geniessen deren
energetische Live-Shows einen exzellenten Ruf. In der jüngeren
Vergangenheit verwandelten Sänger Torkjell „Toschie“ Rød und seine
Jungs jeweils das Aarauer KiFF in ein Tollhaus und wer die
sympathischen wie total fannahen Musiker je erlebt hat, will sich
sowas künftig nicht mehr, nein nie mehr entgehen lassen! Als
weiteres Zückerchen standen mit den spanischen AC/DC
Oldschool-Clones '77 und Pet The Preacher aus Dänemark zwei weitere
interessante Bands auf dem Billing. So machte ich mich also auf den
Weg in den Aargau.
Pet The Preacher
Dem 70er-Style der Kleider nach konnte man weitgehend nur schon
optisch vermuten, welche Musik die Dänen zelebrieren würden. In der
Tat haben wir hier es mit einer (mir bisher völlig unbekannten) Band
zu tun, die sich dem per eigener Definition „Heavy Stoner Blues“
verschrieben hat. Das lärmige Trio, bestehend aus Christian Hede
Madsen (v/g), Torben Wæver Pedersen (b/v) und Christian Von Larsen
(d) war eigentlich die ideale Besetzung für die kargen
Platzverhältnisse im Börom. Andererseits empfand ich die Premiere in
diesem von aussen reichlich unscheinbar wirkenden Gebäude so oder so
sehr gelungen. Ein feiner kleiner Club, inmitten von Ateliers und
anderen Firmen, indem man sich aber schnell wohl fühlt und der mit
entsprechenden Sitzgelegenheiten auch zum Verweilen einlädt. Da dies
zu Beginn von einigen Leuten auch wahr genommen wurde, krümelten
sich zu Beginn des Konzertes nur gerade ein paar wenige Nasen direkt
vor der Bühne herum. Pet The Preacher veröffentlichten ihr aktuelles
Album «The Cave & The Sunlight im Frühling und das meiste Material
von heute Abend, wenn nicht alles, dürfte ab dieser Scheibe gestammt
haben. Eine Setliste gabs nicht, aber der Sound ging ordentlich ab
und varierte beim Tempo und der Härte. Andere Bands wie Lonely Kamel
oder die frühen Orange Goblin liessen Grüssen, doch Pet The Preacher
trugen tatsächlich auch ihre bluesige Seite zur Show, was sie
insgesamt deutlich vom zahlreich vorhandenen Einheitsbrei der
Stoner-Ecke abgrenzt. Ich fand die Mucke ganz ok, obwohl diese keine
wirkliche Stimmung entfachte. Das Nachhören der Studio-Versionen
offenbart erst im Nachhinein, dass sich die Landsleute von King
Diamond schon noch einen Tick besser hätten verkaufen können, doch
die etwas über 35 Minuten waren halt unter dem Strich fast nix und
erfahrungsgemäss sehr schnell um!
'77 Die
Spanier legten als „from oldschool AC/DC inspired band“ seit der
Gründung 2006 eine bemerkenswerte Karriere hin, die von der
Live-Aktivität her stark an Airbourne erinnerte. Nicht selten
spielte das quirlige Quartett um Armand Valeta (g/v), LG Valeta
(lead g/v), Raw (b/backing v) und Dolphin (d) in den vergangenen
Jahren jeweils gleich mehrere Konzerte pro Besuch in der Schweiz.
Dies oft in kleineren Locations, wo sich ihr Vintage-Sound natürlich
am besten entfalten konnte.
Grundlage
der stets energetischen Auftritte waren die Songs ab ihren
Klasse-Alben «21St Century Rock» (2009), «High Decibels» (2011) und
zuletzt «Maximum Rock n‘ Roll» (2013). Das Spezielle an '77 ist,
dass sie eigentlich die Musik spielen, die AC/DC nach dem Tod von
Bon Scott (R.I.P.) nicht mehr geschrieben haben. Dazu kommt, dass
man weder auf den Alben noch auf der Bühne je einen einzigen Ton von
den Übervätern aus Australien zu hören bekommt. Falls doch, hätte
sich die Magie der Truppe aus Barcelona sogleich verflüchtigt. Mit
einiger Überraschung stellte ich dann vor Ort fest, dass sich die
Nachricht, die ich irgendwann mal vor Kurzem im Netz flüchtig
überflog, Tatsache geworden war!
Die Valeta-Brüder haben
nämlich den Verlust ihrer einstigen Rhythm-Abteilung hinnehmen
müssen. Das heisst im Klartext, dass sich gleich die halbe Band vom
Acker gemacht hat, da man sich, wie so oft in diesem Business,
offenbar in Geldfragen nicht einig wurde. But the show must go on
und so wurden im Verlauf des Abends die neuen Members Guillem
Martinez (b) und Andy Cobo (d) vorgestellt. Vor allem Letzterer
passt optisch überhaupt nicht dazu und schien zudem noch sehr jung
zu sein. Dies hinderte ihn freilich nicht daran, seinem Vorgänger in
irgendetwas nach zu stehen. Power und Timing konnte auch Andy bieten
und doch hatte man einfach das Gefühl, dass mit diesem neuen Line-Up
nicht mehr die gleiche
Band auf der Bühne stand. Obwohl die Darbietung an sich wenig Kritik
zum Anlass gab, fehlte mir ein schlicht die Spritzigkeit von früher,
wie sie aktuell zum Beispiel von Dynamite oder Hardbone an den Tag,
respektive die Nacht gelegt wird. Nichtsdestotrotz wurde das „Böröm“
kräftig gerockt, als wollten '77 demonstrieren, dass man sie jetzt
und auch künftig (noch) nicht abschreiben soll. Das nächste Album,
nota bene das erste mit der neuen Formation, wird dann wohl oder
übel über das „Sein“ oder „Nichtsein“ eine gewichtige Rolle inne
haben. Heute Abend stand jedoch der Spass mit dem besser als vorher
antizipierenden Publikum im Vordergrund und das war auch gut so.
Dennoch schwang etwas Wehmut mit im Wissen darum, dass der Spirit
der ersten drei tollen Scheiben so gut wie sicher nicht mehr
freigesetzt werden kann.
Audrey Horne
Die einen nennen es „künstlerische Freiheit“, die anderen wiederum
deklarieren dies als Entwicklung einer Band. Hierbei konkret
angesprochen ist das aktuelle fünfte Studio-Album «Pure Heavy», das
im vergangenen Frühherbst das Licht der Welt erblickt hat. Nicht
dass man hier etwa von einem Ausfall sprechen muss, aber insgesamt
fehlt es etwas an der Spritzigkeit, die die älteren Alben
ausgezeichnet hat.
Der
Song «Out In The City» zum Beispiel, zu dem ja das witzige Video mit
den den Bandmembers nachempfundenen Puppen gedreht wurde,
überraschte mit seiner stark an Thin Lizzy angelehnten Ausrichtung.
Dennoch sind die Trademarks der Norweger nach wie vor auszumachen
und über die ganze «Pure Heavy»-Scheibe gesehen hat es immer noch
genug Fleisch am Knochen. In diesem Fall jammere ich in der Tat auf
hohem Niveau, weil es letztlich auch Geschmackssache ist. Auf der
Bühne verfliegen solche Zweifel jedoch ziemlich schnell, denn kaum
da angekommen, ist umgehend der Teufel los. Das traf an diesem Abend
auch für das Böröm zu, dessen ordentlich zahlreiches Publikum schon
bald in den Bann der Norweger gezogen wurde. Toschie als geborener
Entertainer brauchte nicht lange, bis die Fans überwiegend aktiv
antizipierten und den Rest besorgten seine Bandkumpels mit ihrem
ebenso energiereichen Stage-Acting. Neben dem stets unentwegt
Grimassen schneidenden Espen Lien am Bass, waren es einmal mehr die
beiden Sixstringers Ice Dale und Thomas Tofthagen, die wieder alle
Register des posierenden Gitarrenspiels zogen, ja regelrecht
zelebrierten!
Die dazu ausgewählten Songs der aktuellen Tour
deckten dabei interessanterweise nur die letzten beiden Alben ab.
Lediglich der absolut unverzichtbare Oberkracher «Blaze Of Ashes»
schlug ein kleinen Steg in die Vergangenheit. Dadurch fehlten somit
einige ältere Tracks der Frühphase, doch das Material von
«Youngblood» (2013) ist durchgehend stark und bei den neuen Sachen
braucht es halt ein paar Umläufe mehr, damit diese ihre
zweifelsfreie Wirkung auch entfalten können. Seit je her ist zudem
bekannt, respektive man hat es jeweilen an
den Konzerten so erleben können, dass es kaum eine andere Combo auf
der Welt gibt, für die der Begriff „fannah“ nicht nur eine
geflügelte Worthülse ist. Sprich zuerst ging Toschie singend mitten
ins Publikum rein und später folgten dann auch Ice und Thomas.
Inmitten ihrer abfeiernden Fans wurde eine Riesenparty angezettelt
und ohne irgendwelche übereifrige Security hatten alle Anwesenden
einen Heidenspass daran! Mir selber gefiel dieser Auftritt ganz gut,
was zuletzt auch etwas mit der wirklich einladenden Location des
„Böröm“ zu tun hatte, die für Livebands im Clubrahmen geradezu
geschaffen, das heisst ideal ist. Härteres Geballer müsste man mal
als Vergleich dazu in Sachen Sound halt mal antesten. Kommt Zeit,
kommt Rat sagt der Volksmund und für mich fühlte sich der heutige
Anlass wie vorgezogene Weihnachten an. Bleibt nur zu hoffen, dass
Audrey Horne in den kommenden Jahren nach wie vor ganz vorne in der
Oberliga mitmischen. Wäre sonst extrem schade!
Setliste:
«Wolf In My Heart» - «Holy Roller» - «Youngblood» - «There Goes A
Lady» - «Volcano Girl» - «Out Of The City» - «Tales >From The Crypt»
- «Pretty Little Sunshine» - «Into The Wild» - «Show And Tell» -
«Blaze Of Ashes» - «Straight Into Your Grave» -- «Redemption Blues»
- «Waiting For The Night» - «This Ends Here».
|
|