1998, also schon ein Weilchen her, war eine junge Heavy Metal
Band aus Fulda (D) mal als Support für die Amis von Eternity X
unterwegs auf Tour und besuchte unter anderem auch die Schweiz. Das
Konzert fand vor ein paar Dutzend Maniacs in einem Industriegebäude
in der Nähe von Aarau statt. Zu dem Zeitpunkt hatten Edguy mit «Vain
Glory Opera» bereits ihren dritten Longplayer am Start und
hinterliessen damals schon mehr als einen guten Eindruck. Meine
persönliche Einschätzung, dass aus dieser Band dereinst noch mal was
Grosses werden wird, bestätigte sich im Lauf der Jahre. Mit jedem
weiteren Album wurde der gute Ruf bestätigt, respektive weiter
zementiert. Dabei schaffte man auch den Sprung nach Übersee, wo man
besonders in Südamerika in aller Munde ist. Doch Sänger Tobias
Sammet schuf sich mit Avantasia inzwischen ein zweites, wichtiges
Standbein, das, wenn er so weiter macht, die Hauptband überflügeln
wird! Was mal als reine Vision angedacht war, wurde bisher stets
vortrefflich umgesetzt und mit exklusiven Gästen zusätzlich
aufgepeppt. Ein Traum wurde wahr!
Avantasia
Zehn Jahre später, also im Frühsommer 2008, sah ich die erste
Avantasia-Show in Huttwil (BE) und erlebte so einen grandiosen
Auftritt zur «The Scarecrow-Tour 2008». Wie damals, konnte sich der
umtriebige Tobi wieder die Dienste von Sascha Paeth (g), Oliver
Hartmann (g), Bob Catley (v), Jorn Lande (v) und Amanda Somerville
(v) sichern. Doch damit nicht genug, holte er auch noch den
ehemaligen Helloween Frontmann Michael Kiske (v) und Gamma Ray Chef
Kai Hansen mit ins Avantasia-Boot. Vor allem Ersterer konnte sich so
nebst Vendome Place und seinen aktuellen Solo-Aktivitäten mit Madame
Somerville wieder vermehrt um seinen ramponierten Ruf kümmern.
Diesen hatte er sich bekanntlich vor einer Weile mit seltsamen
Statements zu seiner musikalischen Vergangenheit und Heavy Metal im
Allgemeinen bei seinen einstigen Fans gehörig verspielt! Durch
Avantasia erhielt er nun eine weitere Chance, wieder Boden gut zu
machen, und das tat er auch! Vor seinem ersten Einsatz legte Tobi
Sammet mit dem Opener «Twisted Mind» zunächst mal alleine los. Da
das heutige Konzert der Start der Tournee war, verfügte der
Edguy-Frontmann über eine für seine Verhältnisse exzellente Stimme,
die zuerst aber noch etwas "warm" werden musste. Das galt auch für
Kollege Jorn Lande, der bereits ab dem zweiten Song «The Scarecrow»
ins Geschehen
eingriff und so das erste Duett des Abends bestritt.
Seine Stimme, die oft an Ronnie James Dio (R.I.P.) erinnert, passte
natürlich perfekt zu diesem Sound. Für diesen waren im Übrigen ja
diverse Musiker besorgt und mit Drummer Felix Bohnke gar noch ein
zweiter Edguy-Member mit dabei. Eine gute Wahl, denn dieser lieferte
fetteste Drum-Power ab und trieb die Chose konstant vor sich her.
Obwohl teils etwas basslastig, hörte sich das Ganze ordentlich an.
Mehrheitlich im Hintergrund agierend, aber stets ein wichtiger
Bestandteil der Backing-Vocals, steuerte auch Amanda Somerville
ihren Beitrag bei. Wenn auch nicht (zu) dürr wie zum Beispiel Keira
Knightley, war sie optisch ebenfalls eine Augenweide, ein
Vollblutweib! Nachdem Jorn Lande schon mit zünftigem Applaus vom
annähernd ausverkauften Z7 bedacht wurde, profitierte Magnums Bob
Catley bei «The Story Ain't Over» sichtlich auch davon, aber Michael
Kiske bekam zu «Reach Out For The Light» fast noch mehr ab! Und oh
Wunder..., der Herr Kiske gab sich echt keinerlei Blösse und kam
sehr schnell auf Betriebstemperatur. Er ergänzte sich dabei sehr gut
mit Tobi und durfte das mit dem nachfolgenden «The Tower» gleich
nochmals unter Beweis stellen. Obwohl das Outfit mit Kurzhaar-Frisur
und dauerhaft aufgesetzter, schwarzer Mütze nicht gerade "true"
aussah, wähnte man sich ob seiner tadellosen Darbietung glatt in den
glorreichen Helloween-Zeiten. Es war wirklich eine Freude, das sehen
wie hören zu dürfen und Master Kiske schien die Aufmerksamkeit mehr
als nur zu geniessen.
So nahm die ursprüngliche Metal-Oper namens Avantasia immer mehr
Fahrt auf und vor dem riesigen Backdrop mit dem (alten) Cover von «The
Scarecrow» wurde eine perfekte Show zelebriert. Dabei kam auch zum
Vorschein, welch ein verdammt guter Sänger Gitarrist Oliver Hartmann
ist! Zu «Death Is Just A Feeling» gab es noch weitere Unterstützung,
und die kam von Gamma Ray Chef-Indianer Kai Hansen, den ich zuerst,
da mit Zylinder auf dem Kopf, aber (zunächst) ohne Gitarre, fast
nicht erkannt hätte. Diese Kombination vermochte dann ebenso zu
punkten und die Stimmung bei den Fans war einfach nur grandios.
Dabei standen ja insgesamt nicht weniger als elf Musiker, also zehn
plus Lady Somerville auf der Bühne. «Stargazers» wurde unter anderem
von gleich vier Stimmen (Jorn, Michael, Tobi und Amanda) veredelt.
Inzwischen hatte sich Kai Hansen seine berühmte, rote ESP SV
Flying-V gekrallt und heizte so Sascha und Olli zusätzlich ein. Das
Drehbuch des Konzertes liess hierzu auch Soli zu und von denen
feuerte Kai gleich einige ab. Gleichzeitig wurden ein paar spitze
Schreie nachgereicht, die nicht fehlen durften. Die Setliste
bediente sich aller vier Avantasia-Releases, wobei der Fokus auf «The
Metal Opera», «The Scarecrow» und dem brandneuen Doppeldecker «The
Wicked Symphony/Angels Of Babylon» lag. Vom zweiten Album «The Metal
Opera Pt. II» kamen immerhin zwei Songs in die Kränze. Das alles
wirkte sich entsprechend auf die Spieldauer aus, denn als das
Avantasia-Ensemble das erste Mal die Bühne verliess, waren schon
beinahe zwei Stunden (!) vergangen. Doch das war noch lange nicht
alles und so geschahen dann im Zugabenteil noch zwei Dinge, die zum
einen der Band und zum andern dem Publikum noch eine Weile in
Erinnerung bleiben dürften! Ersteres war ein schwarzer BH, der auf
die Bühne flog und den sich der darob sehr überrascht zeigende Tobi
Sammet ("sowas ist mir bisher noch nie passiert!") kurzerhand anzog
und zweitens dann natürlich die zumindest
spontan wirkende Umarmung
zwischen Kai Hansen und Michael Kiske!! Angesichts der vergangenen
Zwiste kam das doch ziemlich überraschend, aber dafür mit einer
recht versöhnlichen Note daher. Wirklich ein Bild für die Götter!
Tobi, der es zwischendurch natürlich nicht lassen konnte und noch
ein wenig rumkalauerte, stellte nach dem umjubelten «Avantasia» brav
und feinsäuberlich alle Akteure des heutigen Abends vor. Zuvor war
zu beobachten, wie Kai Hansen plötzlich eine Saite riss, Sascha
Paeth das sofort realisierte und Kai sogleich seine Klampfe übergab,
damit dieser sein Solo spielen konnte. Sowas zu sehen, also wie man
diese ärgerliche Situation völlig ruhig und professionell angegangen
ist, beeindruckte nicht nur mich. Als sich zum Schluss alle in eine
Reihe stellten und sich vom begeisterten Tourstart-Publikum
verabschiedeten, ging eine fette wie obergeile 150 Minuten Show zu
Ende, die deutlich mehr als nur ein paar Glanzlichter gesetzt hatte.
Tags darauf wurde die Show wiederholt, dann aber vor deutlich
weniger Fans, weil viele trotz vorhandenen Tickets (man sprach von
etwa 300 fehlenden Leuten!) vom starken Schneefall überrascht wurden
und die Anreise deshalb gar nicht erst nicht antraten, leider. Alle
anderen konnten sich derweil glücklich schätzen, das Z7-Highlight
des Jahres miterlebt zu haben.
Setliste: «Twisted Mind» - «The Scarecrow» - «Promised Land» - «Serpents
In Paradise» - «The Story Ain't Over» - «Prelude/Reach Out For The
Light» - «The Tower» - «Death Is Just A Feeling» - «Lost In Space» -
«In Quest For» - «Runaway Train» - «Dying For An Angel» - «Stargazers»
- «Farewell» - «The Wicked Symphony» -- «The Toy Master» - «Shelter
From The Rain» - «Avantasia» - «Sign Of The Cross/The Seven Angels».
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