Livereview: Avantasia
30. November 2010, Pratteln - Z7
By Rockslave - All Pics by André G.
1998, also schon ein Weilchen her, war eine junge Heavy Metal Band aus Fulda (D) mal als Support für die Amis von Eternity X unterwegs auf Tour und besuchte unter anderem auch die Schweiz. Das Konzert fand vor ein paar Dutzend Maniacs in einem Industriegebäude in der Nähe von Aarau statt. Zu dem Zeitpunkt hatten Edguy mit «Vain Glory Opera» bereits ihren dritten Longplayer am Start und hinterliessen damals schon mehr als einen guten Eindruck. Meine persönliche Einschätzung, dass aus dieser Band dereinst noch mal was Grosses werden wird, bestätigte sich im Lauf der Jahre. Mit jedem weiteren Album wurde der gute Ruf bestätigt, respektive weiter zementiert. Dabei schaffte man auch den Sprung nach Übersee, wo man besonders in Südamerika in aller Munde ist. Doch Sänger Tobias Sammet schuf sich mit Avantasia inzwischen ein zweites, wichtiges Standbein, das, wenn er so weiter macht, die Hauptband überflügeln wird! Was mal als reine Vision angedacht war, wurde bisher stets vortrefflich umgesetzt und mit exklusiven Gästen zusätzlich aufgepeppt. Ein Traum wurde wahr!

Avantasia

Zehn Jahre später, also im Frühsommer 2008, sah ich die erste Avantasia-Show in Huttwil (BE) und erlebte so einen grandiosen Auftritt zur «The Scarecrow-Tour 2008». Wie damals, konnte sich der umtriebige Tobi wieder die Dienste von Sascha Paeth (g), Oliver Hartmann (g), Bob Catley (v), Jorn Lande (v) und Amanda Somerville (v) sichern. Doch damit nicht genug, holte er auch noch den ehemaligen Helloween Frontmann Michael Kiske (v) und Gamma Ray Chef Kai Hansen mit ins Avantasia-Boot. Vor allem Ersterer konnte sich so nebst Vendome Place und seinen aktuellen Solo-Aktivitäten mit Madame Somerville wieder vermehrt um seinen ramponierten Ruf kümmern. Diesen hatte er sich bekanntlich vor einer Weile mit seltsamen Statements zu seiner musikalischen Vergangenheit und Heavy Metal im Allgemeinen bei seinen einstigen Fans gehörig verspielt! Durch Avantasia erhielt er nun eine weitere Chance, wieder Boden gut zu machen, und das tat er auch! Vor seinem ersten Einsatz legte Tobi Sammet mit dem Opener «Twisted Mind» zunächst mal alleine los. Da das heutige Konzert der Start der Tournee war, verfügte der Edguy-Frontmann über eine für seine Verhältnisse exzellente Stimme, die zuerst aber noch etwas "warm" werden musste. Das galt auch für Kollege Jorn Lande, der bereits ab dem zweiten Song «The Scarecrow» ins Geschehen eingriff und so das erste Duett des Abends bestritt. Seine Stimme, die oft an Ronnie James Dio (R.I.P.) erinnert, passte natürlich perfekt zu diesem Sound. Für diesen waren im Übrigen ja diverse Musiker besorgt und mit Drummer Felix Bohnke gar noch ein zweiter Edguy-Member mit dabei. Eine gute Wahl, denn dieser lieferte fetteste Drum-Power ab und trieb die Chose konstant vor sich her. Obwohl teils etwas basslastig, hörte sich das Ganze ordentlich an. Mehrheitlich im Hintergrund agierend, aber stets ein wichtiger Bestandteil der Backing-Vocals, steuerte auch Amanda Somerville ihren Beitrag bei. Wenn auch nicht (zu) dürr wie zum Beispiel Keira Knightley, war sie optisch ebenfalls eine Augenweide, ein Vollblutweib! Nachdem Jorn Lande schon mit zünftigem Applaus vom annähernd ausverkauften Z7 bedacht wurde, profitierte Magnums Bob Catley bei «The Story Ain't Over» sichtlich auch davon, aber Michael Kiske bekam zu «Reach Out For The Light» fast noch mehr ab! Und oh Wunder..., der Herr Kiske gab sich echt keinerlei Blösse und kam sehr schnell auf Betriebstemperatur. Er ergänzte sich dabei sehr gut mit Tobi und durfte das mit dem nachfolgenden «The Tower» gleich nochmals unter Beweis stellen. Obwohl das Outfit mit Kurzhaar-Frisur und dauerhaft aufgesetzter, schwarzer Mütze nicht gerade "true" aussah, wähnte man sich ob seiner tadellosen Darbietung glatt in den glorreichen Helloween-Zeiten. Es war wirklich eine Freude, das sehen wie hören zu dürfen und Master Kiske schien die Aufmerksamkeit mehr als nur zu geniessen.

So nahm die ursprüngliche Metal-Oper namens Avantasia immer mehr Fahrt auf und vor dem riesigen Backdrop mit dem (alten) Cover von «The Scarecrow» wurde eine perfekte Show zelebriert. Dabei kam auch zum Vorschein, welch ein verdammt guter Sänger Gitarrist Oliver Hartmann ist! Zu «Death Is Just A Feeling» gab es noch weitere Unterstützung, und die kam von Gamma Ray Chef-Indianer Kai Hansen, den ich zuerst, da mit Zylinder auf dem Kopf, aber (zunächst) ohne Gitarre, fast nicht erkannt hätte. Diese Kombination vermochte dann ebenso zu punkten und die Stimmung bei den Fans war einfach nur grandios. Dabei standen ja insgesamt nicht weniger als elf Musiker, also zehn plus Lady Somerville auf der Bühne. «Stargazers» wurde unter anderem von gleich vier Stimmen (Jorn, Michael, Tobi und Amanda) veredelt. Inzwischen hatte sich Kai Hansen seine berühmte, rote ESP SV Flying-V gekrallt und heizte so Sascha und Olli zusätzlich ein. Das Drehbuch des Konzertes liess hierzu auch Soli zu und von denen feuerte Kai gleich einige ab. Gleichzeitig wurden ein paar spitze Schreie nachgereicht, die nicht fehlen durften. Die Setliste bediente sich aller vier Avantasia-Releases, wobei der Fokus auf «The Metal Opera», «The Scarecrow» und dem brandneuen Doppeldecker «The Wicked Symphony/Angels Of Babylon» lag. Vom zweiten Album «The Metal Opera Pt. II» kamen immerhin zwei Songs in die Kränze. Das alles wirkte sich entsprechend auf die Spieldauer aus, denn als das Avantasia-Ensemble das erste Mal die Bühne verliess, waren schon beinahe zwei Stunden (!) vergangen. Doch das war noch lange nicht alles und so geschahen dann im Zugabenteil noch zwei Dinge, die zum einen der Band und zum andern dem Publikum noch eine Weile in Erinnerung bleiben dürften! Ersteres war ein schwarzer BH, der auf die Bühne flog und den sich der darob sehr überrascht zeigende Tobi Sammet ("sowas ist mir bisher noch nie passiert!") kurzerhand anzog und zweitens dann natürlich die zumindest spontan wirkende Umarmung zwischen Kai Hansen und Michael Kiske!! Angesichts der vergangenen Zwiste kam das doch ziemlich überraschend, aber dafür mit einer recht versöhnlichen Note daher. Wirklich ein Bild für die Götter! Tobi, der es zwischendurch natürlich nicht lassen konnte und noch ein wenig rumkalauerte, stellte nach dem umjubelten «Avantasia» brav und feinsäuberlich alle Akteure des heutigen Abends vor. Zuvor war zu beobachten, wie Kai Hansen plötzlich eine Saite riss, Sascha Paeth das sofort realisierte und Kai sogleich seine Klampfe übergab, damit dieser sein Solo spielen konnte. Sowas zu sehen, also wie man diese ärgerliche Situation völlig ruhig und professionell angegangen ist, beeindruckte nicht nur mich. Als sich zum Schluss alle in eine Reihe stellten und sich vom begeisterten Tourstart-Publikum verabschiedeten, ging eine fette wie obergeile 150 Minuten Show zu Ende, die deutlich mehr als nur ein paar Glanzlichter gesetzt hatte. Tags darauf wurde die Show wiederholt, dann aber vor deutlich weniger Fans, weil viele trotz vorhandenen Tickets (man sprach von etwa 300 fehlenden Leuten!) vom starken Schneefall überrascht wurden und die Anreise deshalb gar nicht erst nicht antraten, leider. Alle anderen konnten sich derweil glücklich schätzen, das Z7-Highlight des Jahres miterlebt zu haben.

Setliste: «Twisted Mind» - «The Scarecrow» - «Promised Land» - «Serpents In Paradise» - «The Story Ain't Over» - «Prelude/Reach Out For The Light» - «The Tower» - «Death Is Just A Feeling» - «Lost In Space» - «In Quest For» - «Runaway Train» - «Dying For An Angel» - «Stargazers» - «Farewell» - «The Wicked Symphony» -- «The Toy Master» - «Shelter From The Rain» - «Avantasia» - «Sign Of The Cross/The Seven Angels».