Das Unternehmen Avantasia, anders kann man dieser Tour nicht
sagen, schwimmt wieder einmal auf einer noch grösseren Erfolgswelle
als das letzte Mal. Initiator Tobias Sammet (Edguy) versammelte
einmal mehr diverse Gastsänger um sich und gastierte gleich zwei Mal
im ausverkauften Z7. Dabei stand der Sänger jeweils 3.5 Stunden auf
der Bühne. Eine beachtliche Leistung, die aber auch ihren Tribut
forderte. So hustete Mister Sammet immer wieder während des Gigs und
man sah dem Shouter die Anstrengung der letzten Tage an. Dabei
leidet die Performance in keinster Weise, sondern zeigte Tobi wie
gewohnt als gesanglich starke Persönlichkeit auf der Bühne, welche
die Fans mit seinen verbalen Ergüssen immer wieder zum Lachen
brachte.
Unterstützt wurde Mister Avantasia von
einem weiteren Plappermaul in Person, nämlich Jørn Lande. Der
Norweger ist, was kaum zu glauben ist, der noch grössere
Quasselonkel. Neben dem Nordländer wurde Tobi gesanglich von Ronnie
Atkins (Pretty Maids), Bob Catley (Magnum), Eric Martin (Mr. Big),
Michael Kiske (Unisonic), Oliver Hartmann (auch an der Leadgitarre),
Herbie Langhans (Sinbreed) und Amanda Somerville unterstützt. Die
musikalische Begleitmannschaft bestand aus den beiden Gitarristen
Oliver Hartmann und Sascha Paeth, Keyboarder Michael «Miro»
Rodenberg, Edguy-Schlagzeuger Felix Bohnke und Bassist André Neygenfind.
Zählt man alle involvierten Personen zusammen, besteht der Tourtross
von Avantasia aus dreissig bis vierzig Leuten, die entweder auf, neben oder
hinter der Bühne stehen und das Unterfangen zu einem einmaligen
Erlebnis machen.
Es ist in der Tat eine unglaubliche Geschichte, die an Edguy, Queen,
Meat Loaf und eine rockigere Musicalaufführung erinnert. Bestens ins
Szene gesetzt durch einen vorzüglichen Sound und gewaltiges Licht.
Die Bühne besteht aus einem Laufsteg, der zwischen Schlagzeug und
Keyboard und dem Podest für die Backing-Sänger (Herbie, Amanda) von
einer Erhöhung herab führte. Ganz im Glanz des letzten Studioalbums
«Ghostlights» gehalten, von welchem auch der Sensenmann mit seiner
Laterne als imposantes Backdrop zu sehen ist. Der Abend wurde zu
einem «…Win/Win-Spiel. Ihr habt Spass und wir haben Spass», erklärte
Tobi dem Publikum. Dass er nicht ein Mann von leeren Versprechungen
ist, bewiesen die folgenden 210 Minuten. Gestartet wurde der Abend
mit «Mystery Of A Red Rose», das, gefolgt von «Ghostlights», schon den
ersten Gastsänger präsentierte. Auch wenn Michi Kiske sicherlich zu
den besten Rock-/Metal-Sängern gehört, war er an diesem Abend für
mich der schlechteste Shouter, wenn man überhaupt von schlecht
sprechen konnte. Da präsentierte sich Ronnie Atkins bei «Invoke The
Machine» um einiges agiler, bewegungsfreudiger und mit mehr Spass in
den Backen als der ehemalige Helloween-Sänger. Ronnie war an diesem
Abend, wie nicht anders zu erwarten war, eine richtige Rampensau. Er
bangte, animierte das Publikum und war ständig in Bewegung. Als ob
die Bühne ihm gehört und alle anderen blosse Statisten sind,
präsentierte sich der Pretty Maids-Mastermind
als charismatischer Entertainer. Auf eine andere Art überzeugt Bob
Catley mit seinem Charisma. Der legendäre Magnum-Sänger grinste ins
Publikum, genoss den Auftritt und zelebrierte mit seinen Händen
imaginäre Magier-Rituale, als würde er einen magischen Segen fürs
Publikum vorführen. Mit seinem fast 70 Jahren traf er jeden Ton und
sang wie ein kleiner Gott. Er war, und dies sei nett und ehrfürchtig
gemeint, der alte Mann mit viel Charme und Witz.
«Das
Publikum muss man zuerst 15-mal beleidigen, bevor es richtig warm
wird», bemerkte Tobi mit einem breiten Grinsen, da er mit den
Reaktionen des ausverkauften Z7 noch nicht zufrieden war. «Pratteln!
Seid ihr wach? Hände hoch (und alle Hände der Besucher streckten
sich in die Höhe) Hier kommt ein Song aus einer Zeit, in der die
meisten von euch noch gar nicht gebohrt waren». Und da waren sie
wieder, die Sprüche von Tobi, welche die einen zum Lachen und die
anderen zum «Kotzen» bringen. Meine Lieben, das ist Entertainment,
etwas, das vielen anderen Bands schon lange abhanden gekommen ist und
bei einer Sammet-Show einfach dazu gehört. Er ist aber nicht nur ein
vorzüglicher Showman, sondern auch ein begnadeter Sänger, sofern ihm
nicht gerade ein Hustenanfall einen Strich durch die Rechnung macht
und ein weiterer Hammersänger bei «The Scarecrow» den Gesang
übernehmen muss. Jørn tat dies mit einer unglaublichen Locker- und
Sicherheit. Als Dank wurde Jørn mit den
Worten: «…ein Mann, der drei Fässer Bier trinkt und noch immer nicht
lallt», begrüsst. Dieser bedankte sich gleich selber mit «Switzerland is
beautiful as Norway» bei Tobi und dem Publikum, was dem Skandinavier
gleich mal sämtliche Sympathien einbrachte. So wurde Mister Lande
mit lauten «Jørn»-Rufen nach seinem ersten Auftritt («The
Scarecrow» - «Lucifer») verabschiedet. Mit Oliver Hartmann, der sich
als Sänger bei «The Watchmakers' Dream» in den Mittelpunkte stellte,
hat Tobi auch eine tollen Leadgitarristen in den Reihen. Dabei
teilen sich Oli und der ehemalige Heavens Gate-Gitarrist Sascha
Paeth die Solo-Parts und überzeugten von der ersten bis zur letzten
Sekunde. Mit Eric Martin, dem Sympathiebolzen von Mr. Big, stürmte
ein weiterer Gastsänger die Stage. Wie nicht anders zu erwarten war,
verzauberte der Sonnyboy die Anwesenden mit seiner natürlichen und
unkomplizierten Art. «What's Left On Me» war dann auch die perfekt
auf die Stimme und den Charakter von Eric abgestimmte Ballade. Kein
anderer Sänger als Mister Martin hätte diese amerikanische
Balladen-Dramatik dermassen ehrlich verkörpern können. Dies war aber bei
jedem Song so. Die Lieder passten perfekt zu den jeweiligen Sängern,
und dies macht aus einer Avantasia-Show einfach ein ganz spezielles
Erlebnis, weil alles sehr authentisch vorgetragen wird. Da passt es
auch wie der berühmte Deckel auf den Arsch, wenn sich Tobi eine
kleine Auszeit nimmt und «The Wicked Symphony» von Oliver, Jørn,
Amanda, Herbie und Eric singen lässt. Und wenn wir dann schon bei
Amanda und Herbie sind… Über Amanda noch was zu schreiben, bedeutet
Wasser ins Meer zu tragen. Einmal mehr überzeugte sie mit einer
unglaublichen Stimme und Präsenz. Hinter der brauchte sich der bis
anhin ziemlich unbekannte Herbie
Langhans
keineswegs zu verstecken. Wer sich schon mal mit der Band Sinbreed
auseinander gesetzt hat, weiss, zu was der Shouter in der Lage ist.
Dies bewies er beim für ihn eher untypischen «Draconian Love», das
sich mehr in der HIM-Ecke wiederfindet. Aber die tiefe Stimme von
Herbie überzeugte hier ebenso, wie wenn er richtige geile Screams
von sich lässt. Nach diesem Track war dann auch das Publikum
aufgewärmt, was Tobi veranlasste zu sagen: «Pratteln, das ist
richtig gut, und da nehme ich meine Beleidigungen wieder zurück!
Pratteln! Ihr seid ein tolles Publikum, vielen Dank! Wer war damals
dabei, als wir den Dezibelmeter auf 160 db brachten?», wollte der
Shouter vom Publikum wissen. «Nein, es waren nur 123 (lacht). Meint
ihr wir schaffen dies heute nochmals?», animierte der Sänger das
Publikum um den Lärmpegel nochmals anzustacheln. «115… Na, ganz
knapp 124 aufgeblitzt, das lass ich durchgehen» beglückwünschte Tobi
mit einem breiten Grinsen die Leistung des Publikums.
Mit
lauten Kiske-Rufen begrüssten die Anwesenden die Bühnenrückkehr von
Michael. «Die haben dich nicht vergessen», lobte Tobi seinen
Sangespartner, worauf dieser erwiderte: «Das liegt an der Frisur und
dass ich zugenommen habe.» Mit «Shelter From The Rain», dem unter
die Haut gehenden «The Story Ain't Over», göttlich vorgetragen von
Bob und Tobi, der Bandhymne «Avantasia» - «Twisted Mind», erneut ohne
Tobi vorgetragen und «Dying For An Angel» verfügte die Show über weitere
Highlights. Solche, die von weiteren Sprüchen Tobis unterbrochen
wurden. "Wir lieben das Z7, ob dies nun mit Edguy oder Avantasia
ist, wir kommen immer wieder gerne ins Z7, und dies liegt nicht nur
am tollen
Essen und der tollen Bühne, sondern speziell an euch, dem
Publikum". Dass es aber überhaupt möglich ist, dass eine Truppe wie
Avantasia auf Tour geht, liegt am Dackelblick von Tobi, wie Jørn zu
berichten wusste. "Dem kann niemanden widerstehen", verkündete der
Norweger mit einem breiten Grinsen. Eine weitere Tour stellte Tobi
ganz am Schluss des Konzertes aber in Frage. Nicht in Frage stellen
musste man hingegen die Reaktion des Publikums an diesem Abend. "Zwei
ausverkaufte Shows. Wir können jetzt eigentlich aufhören und den
Rest morgen spielen. Pratteln, morgen werden wir in äh… Pratteln
sagen, wie geil es in äh… Pratteln war. Oder, dass das Publikum
morgen schlechter war als heute, weil ja einige morgen auch schon
wieder hier sein werden. Also, dass es viel besser sein wird als
heute." Die Verwirrung war perfekt und der Lacher auf der Seite von
Tobi. Mit dem Rausschmeisser «Lost In Space», einem fantastischen
Duett zwischen Tobi und Amanda und dem grossen Finale, bei dem sich
alle Sänger für «Sign Of The Cross / The Seven Angels» ein letztes Mal auf die Bühne
stellten, beendeten Tobi und sein Ensemble einen hammergeilen Abend.
Ob es Avantasia nochmals auf der Bühne zu sehen geben wird, wird die
Zukunft weisen. Ob ein Abend wie dieser zu toppen sein wird, wage
ich zu bezweifeln. Das Schöne daran war, ich war dabei!
Setliste: «Also sprach Zarathustra - (Theme from "2001: A
Space Odyssey")» - «Mystery Of A Blood Red Rose» - «Ghostlights (with
Michael Kiske)» - «Invoke The Machine (with Ronnie Atkins)» - «Unchain
The Light (with Ronnie Atkins and Michael Kiske)» - «A Restless Heart
And Obsidian Skies (with Bob Catley)» - «The Great Mystery (with Bob
Catley)» - «The Scarecrow (with Jørn Lande)» - «Lucifer (with Jørn
Lande)» - «The Watchmakers' Dream (with Oliver Hartmann)» - «What's
Left Of Me (with Eric Martin)» - «The Wicked Symphony (with Oliver
Hartmann, Jørn Lande, Amanda Somerville, Herbie Langhans and Eric
Martin; without Tobias)» - «Draconian Love (with Herbie Langhans)»,
«Farewell (with Amanda Somerville and Michael Kiske)» - «Stargazers
(With Michael Kiske, Jørn Lande, Ronnie Atkins and Oliver Hartmann;
without Tobias Sammet)» - «Shelter From The Rain (with Michael Kiske
and Bob Catley)» - «The Story Ain't Over (with Bob Catley)» - «Let The
Storm Descend Upon You (with Jørn Lande and Ronnie Atkins)»,
«Promised Land (with Jørn Lande)» - «Prelude» - «Reach Out For The
Light (with Michael Kiske)» - «Avantasia (with Michael Kiske)»,
«Twisted Mind (with Eric Martin and Ronnie Atkins; without Tobias
Sammet)» - «Dying For An Angel (with Eric Martin)» - «Lost In Space
(with Amanda Somerville)» - «Sign Of The Cross / The Seven Angels
(with everyone on stage)».
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