Livereview: Axxis - Vice

14. September 2019, Pratteln – Z7
By Tinu
Warmer Herbsttag, sonniges Wetter und sonniges Gemüt bei Axxis. Wie immer war Sänger Bernhard Weiss bestens gelaunt und in absoluter Plauderstimmung. Wer einen solchen Entertainer in den eigenen Reihen hat, kann nicht verlieren. Es sind nicht nur die oftmals leicht (selbst-) ironischen Kommentare über das Business oder die alte Plattenfirma EMI, die Axxis nicht überlebte, sondern auch die weltkritischen Äusserungen, die schon zum Nachdenken anregen können. Daneben boten Axxis, zur Feier ihres 30-jährigen Bühnenjubiläums, viel Material aus der frühen Schaffensphase, die im November mit der kommenden «Best Of The EMI Years» gewürdigt werden wird. Doch zum Konzert der Deutschen später mehr…

Vice
…zuerst betraten die Teils-Münchner Vice die Bühne. Die Jungs um den ehemaligen Bonfire-Gitarristen Chris "Yps" Limburg legten für die Anwesenden einen "mitreissenden" Gig hin. In meinen Ohren "kuschelten" sich Melodien, die mir grundsätzlich gefallen sollten, aber irgendwie doch nicht ein Freudenfeuer entzündeten. Lag es an einer fehlenden zweiten Gitarre, an der eher monotonen Stimme von Mario, den teils fast Rap bezogenen Einflüssen oder den in der richtigen Bierstimmung wunderbar funktionierenden Animationssprüchen der Truppe, "Prost ihr Säcke..." (Sabaton-Fans hätten ihre Freude daran), die bei mir aber einen faden Beigeschmack hinterliessen? Am Ende des Gigs spielte meine Empfindung aber keine wichtige Rolle, denn Vice wurden vom Publikum mit viel Applaus verabschiedet. Somit Mission gelungen. Eine, die mit dem Joan Jett Cover «I Hate Myself For Loving You» startete. Na ja..., das Original ist ein Klassiker, der nur sehr schwer zu covern ist, da speziell die kratzige Stimme von Joan kaum zu übertreffen ist. Im weiteren Verlauf wurde immer wieder auf das am Freitag, den 13. September neu veröffentlichte Werk «3 Fingers Up» hingewiesen. Mit den Songs «Made For Pleasure» und «Hot Summer Night Party» kamen auch Tracks des Debütalbums zu ehren. Ein Gig, der in einem kleinen Club sicher viel Spass machen könnte, aber an diesem Abend zumindest (nur bei mir?) eher vorbei rauschte.

Axxis
Im direkten Vergleich zu Axxis fielen Vice klar ab. Das lag einerseits an den Songs, die von Axxis um einiges mehr zündeten und ganz einfach Ohrwürmer sind, zum anderen an der Bühnenpräsentation der kompletten Band und natürlich an den schon erwähnten Qualitäten von Bernhard. Klar musste nochmals die Geschichte von Jakob erzählt werden, dem Jungen, der in Balingen auf die Bühne kam. Axxis wollten vermeiden, dass besoffene Ladys den Weg auf die Stage finden, und so holten sie sich einen kleinen Bub auf die Stage, da hier die Gefahr, dass er zu alkoholisiert war, eher gering schien. Dass Jakob aber aus lauter Aufregung eine Pulle Wasser auf Ex trank und dann die ganze Bühne vollkotzte, konnten die Musiker nicht ahnen. Was damals als gut gemeinter Zusatzgag und für den Kleinen etwas ganz Grosses sein sollte, entwickelte sich zu einem Lauffeuer, über das die Truppe noch heute immer berichten muss (nachzusehen auch auf der neuen Blu-ray). So starteten Axxis mit «Rolling Like Thunder» und «A Little War» und zündeten von Beginn weg ein Feuerwerk, das seine Spuren geradewegs ins Publikum zog. Die Melodien, die Refrains und die sympathische Art, wie die Tracks vorgeführt wurden, waren der direkte Weg der Band zu den Fans. Man spürte förmlich, dass diese Musik für die Musiker mehr als nur ein "Job" ist, sondern alles mit viel Hingabe zelebriert wurde. Ehrliche Handarbeit hätte man früher gesagt. Heute ist es eine nicht immer an der Tagesordnung erscheinende Herangehensweise.

Dirk Brand baute ein beachtliches Drumkit auf, auf dem er sich bei seinem Solo nach Herzenslust austoben konnte. Sofort schnellten die Handys in die Höhe und der solistische Ausflug des Trommlers wurde für alle nicht Anwesenden in Bild und Ton festgehalten. Ja meine Lieben! Eigentlich war es eine Schande, dass nur so wenige Leute im Z7 waren. Solche Bands wie Axxis gibt es nur noch sehr selten zu sehen. Wer sich diese Möglichkeiten nehmen lässt, den kann man wirklich nur bedauern. Wo bekommt man noch dermassen in konzentrierter Form tolle Musik und beste Unterhaltung geboten? Eben! Also, das nächste Mal hoch den Arsch und ab zu Axxis! Diejenigen, welche den Weg nach Pratteln auf sich nahmen, wurden fürstlich belohnt. Lieder wie das Instrumental «Trash In Tibet» mit toller Arbeit des neuen Gitarristen Matthias Degener, das vom Bass getragene «Brother Moon» (Rob bleibt einer der druckvollsten, agilsten und sympathischsten Four-Stringer), die Mitsinghymne «Little Look Back», die nach wie vor unter die Haut gehende und von MTV (Zitat Bernhard: "Kennt von euch noch jemand MTV?") gespielte Halbballade «Stay Don't Leave Me», das lange vergessene und wieder ausgegrabene «C'est La Vie» vom völlig untergegangenen «Matters Of Survival»-Album und das fetzige «Save Me» haben auch heute nichts von ihrem Charme verloren. Hier liegt aber auch das einzige Problem begraben. Der Fünfer hat in den vergangenen dreissig Jahren dermassen viele Hits geschrieben, dass einige davon auf der Strecke blieben. Die hier alle aufzuschreiben, würde den Rahmen sprengen. In sich stimmig war das Set, weil sich die Herren auf ihre Frühphase konzentrierten und rund 90% der Songs von den ersten drei Alben stammten (Zitat Bernhard: "Beim zweiten Album hat sich die Plattenfirma in riesige Unkosten gestürzt, die Kreativität kannte keine Grenzen und wir bekamen ein rein graues Cover!").

Von Song zu Song stieg die Stimmung und zu guter Letzt hatten die Jungs alle Leute in den Axxis-Bann gezogen. Grundsätzlich hatte ich keine andere Erwartung an diesen Abend, denn die Herren enttäuschten mich noch NIE! So verliessen die Anwesenden glücklich und mit einem breiten Grinsen die Konzerthalle, und manchem summte noch der eine oder andere Track in den Ohren oder die Refrains geisterten noch in den Gedankenstuben herum. Wer mit einem solchen Elan, einem solchen Feuer und Power sowie mit dermassen Hummeln im Arsch noch immer auf die Bühne geht und ohne Ende begeistert, hat noch lange seine Daseinsberechtigung. Danke für einen mehr als nur unterhaltsamen Abend, und hoffen wir, dass Bernhard, Matthias, Rob, Dirk und Harry (ohne sein Beisein wären Axxis undenkbar!) uns noch lange mit ihren Songs erfreuen und das Leben eine Spur leichter machen.

Setliste: «Rolling Like Thunder», «A Little War», «Brother Moon», «Love Is Like An Ocean», «Stay Don't Leave Me», «C'est La Vie», «Save Me», «Drum Solo Dirk Brand», «Trash In Tibet», «Ships Are Sailing (Acoustic)», «Touch The Rainbow (Acoustic)», «Face To Face», «Young Souls», «Kings Made Of Steel», «Little Look Back» - «Fire And Ice», «Living In A World» - «Kingdom Of The Night»