Ein Risiko ist es, im Sommer Konzerte zu organisieren. Macht man
sie draussen, fürchtet man den Regen. Macht man sie drinnen,
fürchtet man die Sonne. Feucht, das wird es sowieso, ob durch das
Wasser von oben oder den Schweiss aus den Poren. Wenn denn auch
wirklich Leute kommen. Mit letzterem Problem mussten die
Veranstalter jedenfalls nicht kämpfen, als die amerikanischen
Ausnahme-Metaller Baroness zusammen mit den Basler Lokalhelden
Zatokrev und den Genfern Wardhill das Sommercasino am 26. Juli zum
Kochen brachten. Schon bei der Ankunft erstaunte einen die Vielzahl
der Menschen, die sich auf den Sitzgelegenheiten des Basler
Kultschuppens die letzten Sonnenstrahlen des Tages reinzogen. Und
als dann später Baroness das Publikum mit ihrem grandiosen
Doppeldecker «Yellow & Green» im Gepäck in kollektive Ekstase
rockten, interessierte sich dann auch niemand mehr für den Schweiss,
ob er nun von einem selbst oder von seinem Nachbarn stammte.
Wardhill
Ob es wirklich ein Dürfen, oder doch eher ein Müssen ist, an einem
wolkenlosen Sommertag um 19.30 Uhr in einem aufgewärmten Club einen
Konzertabend zu eröffnen, das sei dahingestellt. Wardhill jedenfalls
meisterten diese Aufgabe mehr als gekonnt. Das Trio aus Genf
klatschte dem zugegeben noch beschaulichen Publikum ohne Mätzchen
seinen Sludge Metal ins sowieso schon schwitzende Gesicht. Nicht
zuletzt wegen dem grundlos kargen und hellen Bühnenlicht versprühte
der Dreier um Basser und Brüller Julien zwar nicht gerade
Rockstar-Flair, doch zumindest musikalisch gaben sie sich keine
Blösse. Mal stonermässig rollend, dann wieder vertrackter, immer
aber tight empfahlen sich Wardhill dem Basler Publikum als eine
weitere Band aus der Romandie, die es in der Deutschschweiz erst
noch zu entdecken gilt.
Zatokrev >>>
In Basel nicht mehr entdeckt werden müssen Zatokrev. Die Truppe um
Front-Bestie Freddy Rotter gehört seit Jahren zur Speerspitze der
Schweizer Extrem-Metal-Szene. Wie verdient dies ist, das zeigt das
Quartett mit dem dieser Tage erschienenen neuen Machwerk «The Bat,
The Weel And A Long Road...» ebenso wie mit ihren schweisstreibenden
Live-Shows. Der Schweiss, der lief einem an diesem Abend zwar
sowieso schon durch alle Ritze, doch steigerten Zatokrev den
Feuchtigkeitsgrad im nunmehr ordentlich gefüllten Sommercasino noch
einmal erheblich. Im Gleichklang propellerbangten die vier Jungs zu
ihrem zähflüssigen Doom Sludge und das Publikum tat es ihnen gleich.
Mit Inbrunst schrie sich derweil Rotter in seinen kurzen Hosen die
Seele aus dem Leib, die lange Haarpracht im klitschnassen Gesicht
und Bart klebend.
Baroness
Inbrunst, um dieses Wort kommt man auch nicht herum, will man
beschreiben, was danach Baroness ablieferten. Heftige Riffs und
Geschrei voller Kraft vorzutragen, das ist das eine, doch mit
ebensolcher, wenn nicht sogar noch grösserer Power filigrane Epik
darzubieten, das zeugt schon von echtem Können. Dabei war ich mir im
Vorfeld alles andere als sicher, dass es Baroness schaffen würden,
den hymnisch tiefgründigen Sound ihrer letzten beiden Scheiben «Blue Record» und «Yellow & Green» ohne Abstriche
auf die Bühne zu
transportieren. Doch schon nach dem als Intro verwendeten «Yellow
Theme» konnte man sich aller Zweifeln befreien. Das treibende «A
Horse Called Golgatha» zog das Publikum kollektiv in einen
musikalischen Strudel, aus welchem es erst gut 80 Minuten später mit
dem schwebenden Instrumental «Grad» und mit tropfenden Shirts und
strapazierten Nackenwirbeln wieder auftauchte. Dabei verliess sich
der Vierer vor allem auf die schon erwähnten neusten und
gleichzeitig softeren Scheiben. Einzig gegen Schluss, mit «Isak» vom
«Red Album» und dem harschen «The Sweetest Curse» packte man noch
einmal die Sludge-Rammböcke aus. Ansonsten gab es erhebende Melodien
en masse, von dem choralen «Steel that Sleeps the Eye» mit seinen
Schrummel-Gitarren, über das ergreifend triste «Eula» bis zum leicht
lounge-ige «Cocainium». Doch wie gesagt: Nie, wirklich nie fehlte
dabei die Inbrunst. Noch so zierlich konnte der Gitarrenpart, noch
so schön die Gesangslinie sein, die Jungs um das
Gitarren/Gesang-Doppel John Baizley und Peter Adams präsentierten
das Ganze voller Intensität, ja beinahe in Ekstase, ohne dabei die
nötige Exaktheit vermissen zu lassen. Das stimmte einen auch
irgendwie melancholisch, denn sowohl Band als auch Publikum zeigten
sich dabei so euphorisch, dass man sich sicher sein konnte, Baroness
bald in einer grösseren Location schauen gehen zu müssen und es
überraschte nicht, dass sich nach dieser fulminanten Show mehr als
eine Handvoll Leute dafür entschied, sich am nächsten Tag im Zürcher
Dynamo die Wiederholung derselben zu Gemüte zu führen. Erneutes
Schweissbad hin oder her.
Setlist Baroness: «Yellow Theme» (Intro) - «A Horse Called Golgatha»
- «March to the Sea» - «Steel that Sleeps the Eye» - «Swollen and
Halo» - «The Gnashing» - «Take my Bones away» - «Ogeechee Hymnal» -
«Eula» - «Cocainium» - «The Line between» - «The sweetest Curse» -
«Isak» ----- «Jake Leg» - «Grad»
Update: Wie vor Kurzem bekannt wurde, waren Baroness vor einigen
Tagen in einen üblen Verkehrsunfall verwickelt. Ihr Tourbus stürzte
in England von einem Viadukt 10 Meter in die Tiefe, wobei sowohl
Crew als auch Band verletzt wurde. Fronter John Baizley etwa liegt
mit gebrochenem linkem Arm und linkem Bein im Spital, genauso wie
Drummer Allen Blickle und Basser Matt Maggioni, welche beide unter
angebrochenen Rückenwirbeln leiden. Am schlimmsten erwischt hat es
aber den Fahrer, welcher immer noch in kritischem Zustand ist. Dass
alle anstehenden Gigs bis auf weiteres verschoben wurden versteht
sich von selbst.
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