Auf Metal Factory ist es nicht üblich, dass
wir über Motorradtreffen schreiben. Zwar sind
einzelne Schreiberlinge öfter an solchen anzutreffen, es fehlt aber
meist der für uns ausschlaggebende musikalische Grund. Nicht so beim
Big7 MotoRock & Chill Festival, mit dem der Gamblers MC dieses Jahr
seinen 5. Geburtstag feierte. Auf dessen Torten glänzten neben den
üblichen leicht bekleideten Damen Bands wie QL, China, Shakra,
Granit, Ghörsturz, Doro und ein erstaunlich hard rockiger Luke
Gasser. Aber auch die nicht-metalfactory-relevanten Bands Vivian und
vor allem Dr. Feelgood sorgten für Stimmung. Zudem versprach der
Event einige Unterhaltung neben der Bühne und dies zu einem äusserst
fairen, wenn nicht gar günstigen Preis.
Freitag 6. Juli 2007
„Ja wo sind denn hier die Leute?“, wird sich wohl der ein oder
andere der spärlich Anwesenden gefragt haben. Die Marktstände mit
zwei Tattoo-Shops waren aufgebaut, ebenso der Airbrusher und die
verschiedenen Bars und Foodstände. Nur dazwischen herrschte um 18.30
Uhr noch gähnende Leere. Ebenso im grossen Festzelt mit
Konzertbühne. Also hiess es für die Funpunker QL Augen zu und durch,
als sie vor dieser Kulisse das Festival eröffneten. „Das isch ned de
Soundcheck, das isch’s Konzärt!“ meinte Fronter Pät. Und die Bieler
nahmen sich dies zu Herzen. Mit Erfolg! Denn im Verlauf der nächsten
Stunde tröpfelten immer mehr Leute ins Zelt, die lieber vor der
Bühne stehend verrockte Mundarthits à la „Sex“, „d’Venus vo Bümpliz“
oder „Dr. Ferdinand“ mitsangen, als an der Bar ihre Kehle zu
benetzen. Das Singspielchen bei „Ewigi Liebi“ klappte dann auch, und
das nur bei geschätzten 50 Personen. Von diesem Erfolg gerührt,
meinte Schlagzeuger Tosi dann auch vor den mit Nachdruck geforderten
Zugaben: „Mer spieled lieber vor 200 glatte Sieche als vor 10'000
Arschlöcher!“ Die Lorbeeren dürfen sich QL aber ruhig selber binden,
denn was sie boten war beste Unterhaltung in einem extrem schwach
gefüllten Zelt.
China
Andere Band, ähnliche Vorraussetzung hiess es danach bei den
wiedervereinten China. Trotz späterer Stunde tummelten sich nach wie
vor nicht viele Nasen vor der Bühne. China schienen davon aber
unbeeindruckt und zockten mit grosser Spielfreude kleine Hits wie „Medicine
Man“ oder „In The Middle Of The Night“. Sichtlich genossen sie es,
auf der Bühne zu stehen. Besonders Bassist Beat Kopfmehl strahlte
über beide Ohren während er schon fast funkig seine Läufe spielte.
Ebenfalls fielen mir die starken Backing-Vocals auf. Hier ist
definitiv eine Band am Werk, welche nochmals etwas erreichen will.
Und damit haben wir endlich wieder einmal eine Reunion, die die Welt
braucht!
Shakra
Noch keine Reunion braucht es von Shakra, die diesen Abend
beschlossen. Die Emmentaler haben mit Infected ein weiteres
Meisterwerk am Start, welches sie nun auf grosser
Sommer-Festival-Tour unter die Rocker tragen. „Make Your Day“ sog
gleich mal alle Biker vom Gelände ins Festzelt. Sänger Mark Fox
kündete danach ein heisses Wocheende an und legte gleich ein paar
Brickets nach, indem er „Now Or Never“ und „The One“ ins Feuer (äh
Publikum) schob. Als Blasbalg machten Shakra mit ihrem engagierten
Stageacting ihren Job sehr gut und
hielten so die Flammen immer am züngeln. Lieder wie das als Sex-Song
angekündete „Take Me Now“ taten ihr Übriges und sorgten im nach wie
vor nicht mal zu einem Viertel gefüllten Zelt für gute Stimmung. Nur
eines störte während des ganzen Konzerts. Was es war fand ich aber
erst gegen Ende raus. Irgendwie war dauernd zwischen der Musik
sirenenartiges Geheule zu hören, welches nur während der Ansagen
aufhörte. Lag es an einem kaputten Verstärker oder meldete sich da
mein Freund Mr Tinitus? Die Ursache war schlimmer und weit weniger
einfach zu behandeln: In der ersten Reihe tummelten sich ein paar
Teenager-Girls, die kreischend die vermeintlichen Rockstars zu
anhimmelten. Shakra nahmen es aber mit Humor und berührten immer
wieder die ihnen entgegen gestreckten Hände. Mich persönlich nervte
das Geschrei aber gewaltig, denn Lieder wie die finalen „Why Don’t
You Call Me“ und „Rising High“ stammen schliesslich nicht von „Tokyo
Hotel“ sondern von Shakra!
Der Abend endete danach mit zwei, drei Biere an der Bar und mit
einigen Jungs, die zum vergnügen aller auf ihren Motorräder Burnouts
rissen.
Samstag 7. Juli 2007
Irgendwie meinten es die Metal-Götter heute nicht so gut mit mir,
verpasste ich doch trotz minutiöser Planung den Auftritt von Granit.
Schuld daran war natürlich wieder einmal das Wetter, welches mich
dazu brachte, noch ein Weilchen länger in der Stadt Bern zu
flanieren, um dann pünktlich zum Granit-Auftritt zu erscheinen. Tja,
pünktlich war ich. Nur stimmte leider die Running Order nicht mehr,
welche ich am Vortag aufgeschnappt hatte. Die Band wurde mit den
Bernern Ghörsturz vertauscht, welche musikalisch aber auch nicht
schlecht waren. Ihr bluesiger Hard Rock mit vielen Coverversionen
gefällt vor allem durch Ädu’s Stimme, welche immer wieder an den
seeligen AC/DC-Shouter Bon Scott erinnert. Zudem verfügen sie mit
Dänu über einen leidenschaftlichen Lead-Gitarristen, der seine
Emotionen transparent ins Publikum projiziert. Schwachpunkte sind
sicher noch die holprigen Ansagen, die das Publikum nun wirklich
nicht von den Festbänken vor die Bühne bewegt. Aber vielleicht war
es dazu auch noch schlicht zu früh.
Ob eine Band wie die Pop-Rocker Vivian auf ein Biker-Festival
gehört, soll jeder selber entscheiden. Tatsache ist aber, dass sie
es trotz gutem Einsatz und netten Songs nicht einfach hatten und
während des ersten Teils des Konzerts wie bereits „Ghörsturz“
niemanden vor die Bühne locken konnten. Dass dies bei dieser Anzahl
Personen möglich gewesen wäre, hatten am Vortag QL bewiesen. Ihre
Musik ist aber weder Metal Factory relevant noch meine Baustelle,
weshalb ich mich raus aus dem Zelt an die Markstände verzog und
prompt an ein Fotoshooting mit zwei feschen Bienen und ein paar
heissen Maschinen lief. Die Bilder sprechen hier wohl für sich.
Wer Luke Gasser erst seit seinem Trio mit Marc Storace und Doro
Pesch im Song „On My Own“
irgendwie mit der Metal-Szene in Verbindung bringt, tut ihm Unrecht.
Denn seine Lieder klingen erstaunlich frisch und Hardrockig. Nur
seine durchwegs in Schweizer Deutsch gesungenen Texte verstand man
an diesem Samstag wegen den Sound-Einstellungen nicht. Das Programm
war aber schlicht bikertauglich. Wieso schlussendlich trotzdem
niemand vor die Bühne stand, lag trotz solidem Auftritt schlicht an
Lukes inneren Einstellung. Man darf selbst als „bekannter“ Künstler
nicht erwarten, dass sich das Publikum selber von den Bänken erhebt.
Mit ein paar geschickten Ansagen hätte er durchaus was reissen
können. Stattdessen gab es verärgerte Kommentare, nach denen sich
nun wirklich keiner mehr vor die Bühne getraute. Wer zudem mit dem
Bassisten und Rhythmus-Gitarristen eine langweilige gesichtlose
Begleitband an den vordersten Bühnenrand stellt, muss sich nicht
wundern, wenn es niemanden interessiert. Dagegen hilft auch der
aktive Einsatz des Leadgitarristen, Schlagzeugers und Herrn Gasser
nichts mehr. Selten habe ich einen so angepissten Bandleader und
eine Band gesehen, die ihr Potential live so verspielt hat. Zugaben
gab’s demzufolge auch nicht.
Doro
Was aber auch nicht nötig war, folgte doch mit dem Auftritt von Doro
Pesch mein persönliches Highlight des MotoRock & Chill Festivals.
Und diesmal klappte es, dass eine Schar Headbanger ohne
entsprechende Aufforderung vor der Bühne stand. Mit „I Rule The
Ruins“ ging’s mit einer für mich gewaltigen Überraschung los. Denn
niemand geringerer als Savatage-Gitarrist Chris Caffrey bediente auf
der linken Seite die Leadgitarre. Doro Pesch war in Bestform, so
dass sich die ersten Reihen
begeistert
mitreissen liessen und die blonde Schönheit voller Eifer
unterstützten. Es ist schon gewaltig, was diese kleine Sängerin
leistet. Ihr scheint es schlicht nichts auszumachen, ob sie an
Wacken vor 30'000 oder in Bern vor 200 begeisterten Fans spielt. Im
Gegenteil: Sie schien sogar besonders Spass daran zu haben, einmal
ohne Fotograben hautnah vor den Fans aufzutreten. So streckte sie
immer wieder bei den Refrains das Mikrofon einzelnen Personen vor
die Nase und liess sie mitsingen. Etwas, was besonders bei „All We
Are“ bei verfehlten Tönen und Rhythmen für Lacher sorgte. Und so
frassen ihr die ersten Reihen aus der Hand und sangen begeistert
mit. Als Judas Priest Tribute gab es heute die Classic Diamonds
Version von „Breaking The Law“, aber ohne Orchester. „Strangers
Yesterday“ des noch aktuellen Albums Warrior Soul wurde Luke Gasser
gewidmet, bei dessen bereits erwähntem Film Doro mitgespielt hatte.
Gleichzeitig deutete Doro an, dass wir als Zugabe wohl noch „On My
Own“ zusammen mit Luke Gasser hören würden. Was aber schliesslich
nicht mehr passierte. Denn Luke war wohl noch zu enttäuscht von
seinem Auftritt, so dass Doro einem Fanwunsch aus der ersten Reihe
den Vorzug gab und „Fight For Rock“ intonierte. Klasse!
Nach dieser einmaligen Show war es Zeit, den Veranstalter mit Fragen
über den Anlass zu löchern. Der Präsident des Gamblers MC gab zu,
dass dieses Jahr noch ein paar Fehler gemacht wurden, die künftig
vermieden werden. Zum Beispiel sollen nächstes Jahr die Spielpläne
übers Internet sichtbar sein, damit keiner seine Lieblinge verpasst.
Für einen Erstanlass, der in nur gerade 3 Monaten aus dem Boden
gestampft wurde, klappte aber schon vieles. Finanziell seien sie
trotz eher wenigen Besuchern auf dem Trockenen. Unter anderem, weil
die Aussteller mit den bezahlten Teilnahmegebühren für die
Infrastruktur aufkamen, was sicher mit ein Grund war, wieso die
Preise für ein Zwei-Tages-Ticket mit 50 Fr. eher tief angesetzt
waren. „Wir haben versucht, mit den beschränkten Mitteln ein Maximum
rauszuholen“, meinte der Veranstalter. „Ein blosses Streben nach
Gewinn gibt es bei uns nicht. Wir machen das vielmehr weil wir es
wollen und es leben!“ Die Idee ist, ein jährlicher „Benzinanlass“ zu
organisieren, der raucht und donnert. Am Bea-Expo-Gelände will der
Gamblers MC auch künftig festhalten. „Darin steckt ein riesen
Potential. Ich werde am Montag für drei Wochen auf Motorradtour
gehen und danach bereits mit der Planung fürs nächste Jahr beginnen“
fasste (Name) seine Zukunftspläne zusammen, bevor er ins Festzelt
verschwand, um einer seiner Jugendbands zuzuhören.
Diese hörte auf den Namen Dr. Feelgood und ist bekannt für
energiegeladene Bluesshows. Es ist spätestens seit den Rolling
Stones bekannt, dass alte Säcke noch rocken können. Und wie! Wer je
die Gelegenheit hatte, einem Auftritt der „Grausam Blueser“ Dr.
Feelgood beizuwohnen und diesen verpasste, sollte sich schleunigst
an der Nase nehmen. Die Band spielte sich an diesem Abend mit
Leidenschaft den Arsch ab und genoss in ähnlicher Weise wie am Tage
zuvor China das Konzert in vollen Zügen. Sänger Rober Kane packte
immer wieder die Mundharmonika aus, um die Songs zu unterstützen.
Manchmal legte er sich auf den Rücken oder rannte auf der Bühne
umher. Natürlich gab es auch die üblichen Gitarrensoli, wobei eines
wohl zu schnell fertig war. Jedenfalls wunderte sich Steve Walwyn
nach einem, wo denn der Rest der Band sei. Dem Publikum gefiel der
Auftritt und schunkelte vergnügt zu „Back In The Night“, „Down At
The Doctors“ oder „All Through The City“ mit, um nur einige Nummern
zu nennen.
Wie Tags zuvor konnte man den Abend danach bei einem Drink oder beim
Zuschauen der Burnouts ausklingen lassen. Insgesamt darf man von
einem gelungenen Anlass sprechen, der nur ein paar Leute mehr
vertragen könnten. Auf ein nächsten Mal!
|
|