Eines ist unbestritten: Ohne die elektrische, meist verzerrte
Gitarre gäbe es keine Rockmusik und keinen Metal. Dass dabei die
Herren an der Klampfe meist nicht weniger, oft gar mehr als die
eigentlichen Fronter, die Sänger, vergöttert wurden und werden ist
ebenso nicht von der Hand zu weisen, sei es bei AC/DC oder sonstwem.
So geschieht es denn auch nicht selten, dass die Saitenzauberer ihre
eigenen Combos auf die Beine stellen, um selbst in der Mitte der
Bühne stehen zu dürfen, so geschehen nicht nur bei Michael Schenker,
Ritchie Blackmore oder Yngwie Malmsteen. Zwar steht ein gewisser
Zakk Wylde auch nach Jahren noch (oder wieder) zu seinem
Karriere-Ziehvater Ozzy Osbourne, doch seit Ende des letzten
Jahrtausend lässt der fingerfertige Rauschebart mit Black Label
Society sich die Scheinwerfer und Augenpaare alleine auf ihn
richten.
Da sich die biererprobte Gang in den letzten Jahren vor allem in
Europa äussert rar gemacht hatte und auch die 2008er Tour lediglich
10 Daten umfasste, von welchen alleine die Hälfte in Skandinavien
stattfand, war es nicht schwer vorauszuahnen, dass man im Zürcher
Rohstofflager Arm an Arm und Bauch an Rücken stehen würde.
Unerwartet hingegen war das überhebliche Gezicke Wyldes bzw. Des
Tourmanagers, der am Konzerttag kurzerhand die für den Support
gebuchten The Order wegen Platzmangel auf der Bühne nach Hause
schickte. Nicht genug, dass Wylde dazu noch die Signing-Session in
einem Gitarrenladen platzen liess, auch auf der Bühne zeigte sich
der muskelbepackte Hühne nicht in der Form, in welcher man ihn
erwartet hätte, zockte zwar einwandfrei, dabei aber auch nicht
weniger egoman als seine Klampfenkollegen Malmsteen oder Satriani.
Das gute Material von BLS machte dies glücklicherweise aber nicht
vollends zunichte.
Black Label Society
Dass man sich an einem Konzert von Black Label Society auf
haufenweise Solis und den einen oder anderen Alleingang von Zakk
Wylde's Fingern gefasst machen kann, das war wohl jedem Besucher,
auch mir, schon im Vornherein klar. Dass Mr. Wylde es sich aber
herausnehmen würde, Griffbrettgymnastik und Tremolo-Klimmzüge auf
Kosten von Songs und Spannung zu performen, damit hatte ich wirklich
nicht gerechnet, glänzen BLS-Scheiben doch gerade dadurch, dass
Wylde seine Fertigkeiten in den Dienst des Songmaterials stellt und
dieses selten mit Licks und Vorzeigeübungen überlädt. Und in diesem
wünschenswerten Sinne begann die in Jeans und Leder gekleidete Gang
ihr Set zuerst: Zu den ersten Riffs von «New Religion» (vom letzten
und auch besten BLS-Rundling «Shot To Hell» von 2006) fällt der
schwarze Vorhang und offenbart die Biker-Gruppe vor einer massiven
Marshall-Wand, von welcher das Drumkit von Dreschmann Criag
Nunenmacher eingeramt ist und hinter welchem ein klassisches
BLS-Kreuz prangt. Mit «Forever Down» und «Been A Long Time» vom
Vorgänger «Mafia» bringt man die restlos gut aufgelegte und nach und
nach schweissgetränkte Meute richtig zum Kochen. Setlisttechnisch
berücksichtigt Wylde dabei sämtliche Erzeugnisse seiner Band, bringt
sowohl ältere Perlen («The Beginning... At Last» oder «Bleed For Me»)
als auch neuere Riffmonster wie etwa «Suffering Overdue» (mitunter
einer der intensivsten Tracks dieser Show) «Blood Is Thicker Than
Water», ein Leitspruch Zakks, dem er auch darin Ausdruck verleiht,
indem er seine Fans kontinuierlich als als ''Brothers & Sisters''
betitelt, wie man es auch etwa von Rose Tattoo oder Manowar kennt.
Macht seine Backing Band dabei eine durchwegs glänzende Figur,
spielt thight und souverän und lassen dem Meister dabei mehr als
genug Platz, so tun sich zwischen dem instrumentalen und dem
singenden Wylde doch kleinere Welten auf.
Während er seine Finger
nämlich beeindruckend und (zu) ausgiebig über die Saiten flitzen
lässt, kann sein rauhes Organ nur mässig mit demjenigen mithalten,
welches uns auf den Studio-Outputs so markig und voll entgegenheult.
Den Fans scheint dies aber genauso wenig zu machen wie den fast nach
jedem Song dargebotenen Griffbrettmasturbationen, die dem ganzen
sowohl Spannung als auch Zug abnehmen. Zwar nicht gerade spannend,
dafür doch reichlich emotional, man möchte schon fast schreiben
''kitschig'', gestaltet sich der darauffolgende Piano-Teil. Zu «Spoke
In The Wheel» & «In This River» greift Zakk in die Tasten und zwar
vor dafür eigens über die Verstärker geworfenen
Dimebag-Darrell-Gedenkflaggen. Ein Tost auf den verstorbenen Pantera/Damageplan-Klampfer
darf da natürlich nicht fehlen, doch als zu «Black Mass Reverend»
schwarze BLS-Plastikbälle (zur Freude raffgieriger Souvenirsammler)
ins Publikum geballert werden, wechselt man von etwas zäher
Andachts-Stimmung schnell wieder zur verzerrten Rock-Party. Live
erhält die «Shot To Hell»-Single «Concret Jungle» darauf eine ganz
neue Bildkomponente, wirkt Wylde am Bühnenrand stehend und mit den
Fäusten auf seine Brust trommelnd doch wie ein in Jeans gesteckter
Gorilla. Die ganzen Soloeinlagen nach jedem einzelnen Song haben
zwar sicherlich ihre Berechtigung, führen sie doch eindrücklich vor
Augen, welch begnadeter Gitarrist im Rohstofflager auf der Bühne
steht und dass es Zakk sicherlich mit Mr. Malmsteen aufnehmen kann,
anstatt dem Shredd-Marathon wäre der eine oder andere Schwatz mit
dem Publikum aber doch wünschenswerter gewesen, zeigte sich der
Rock-Grizzlies doch eher von einer wortkargen Seite.
Dies allem und
dem doch eher matschigen Sound zum Trotz feiert das Publikum auch «Fire
It Up» euphorisch ab, genauso wie der finale Doppelschlag «Suicide
Messiah» und «Stillborn», welcher auch dem Rezensenten zum Schluss
nocheinmal die Rübe auf der Wirbelsäule rotieren lässt. Dennoch,
trotz der klasse Setlist: Black Label Society haben zumindest meine
durch ihre lange Abwesenheit gewachsenen Erwartungen nur bedingt
erfüllt. Allen voran Zakk Wylde, der bis anhin gerade wegen seiner
Solo-Bescheidenheit bei mir punkten konnte, stellte leider klar,
dass Gitarristen, die die Chance dazu erhalten, ohne Zurückhaltung
drauflosfideln was das Zeug hält. Die anwesende
Schwarz-Etiketten-Gesellschaft lag dem Herren allerdings bis auf den
letzten kreischenden Ton zu Füssen. Wem's gefällt...
Setlist BLS (ohne Gewähr):
New Religion – Forever Down – Been A Long Time – The Beginning... At
Last – Bleed For Me – The Blessed Hellride – Suffering Overdue –
Blood Is Thicker Than Water – Spoke In The Wheel (Piano) – In This
River (Piano) – Black Mass Reverends – Concrete Jungle – Fire It Up
– Suicide Messiah – Stillborn
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