Ich hatte die Jungs von Black Veil Brides als coole Söhne
von Mötley Crüe in Erinnerung. Überraschten und überzeugten mich die
Musiker doch mit ihrem 2011-Werk «Set The World On Fire» als den
legitimen Nachfolger eines Meisterwerks wie «Shout At The Devil».
Songs wie «Fallen Angels», «Rebel Love Song» und «The Legacy» besassen
diese Unbekümmertheit, diese rohe Frische und diese «kick ass»
Attitüde, wie damals der wilde Crüe-Haufen. Black Veil Brides hätten
in meinen Augen etwas ganz Grosses werden können, hätte sie diesen
musikalischen Weg konsequent weiter verfolgt. Sie wurden zu etwas
Grossem, auch wenn der Fünfer um Sänger Andy Biersack sich immer
mehr einer moderneren Richtung zuwandte. Speziell, und dies
wurde an diesem Sonntagabend in Solothurn deutlich, die jungen
Mädchen fallen reihenweise in Ohnmacht und schmachten willenlos den
nackten Oberkörpern der Bandmitgliedern zu. Du meine Güte, wo bin ich
da nur gelandet?!
Als ich auf den Parkplatz des
Kofmehls einbog, erwartete mich am Eingang eine lange
Warteschlange. Das Schöne daran war, dass ich locker über alle Köpfe
sah, das etwas Speziellere, dass ich den Altersdurchschnitt (von 16
Jahren) mal kurz in die Höhe rückte. Dadurch, dass gefühlte 95 % der
Besucher weiblich waren und sich die restlichen männlichen 5 % aus
«ich-bin-der-Freund-dieses-Girl-und-muss-verdammt-nochmals-aufpassen-dass-die-mir-nicht-mit-dem-Sänger-durchbrennt»-Besucher
(4 %) und «ich-fand-früher-Mötley-Crüe-verdammt-gut»-Fans (1 %)
bestand, erinnerte Vieles an die gute alte Beatles-Manie oder an
den ersten Auftritt von Mötley Crüe 1984 in der St. Jakobs Arena als
Support von Iron Maiden. Thema: «Was würdest du alles tun, um The
Crüe treffen zu können?». Anyway, der Kreischpegel der
Pubertierenden und teils auch älteren Frauen knallte jeder
Dezibel-Messanlage den Pegel raus. Unglaublich, die letzte dieser
Kreischattacken erlebte ich bei The 69 Eyes, aber im Vergleich zu dem hier war
dies ein kleiner Pups. Das fast ausverkaufte Kofmehl tat gut daran
die Amis nach Solothurn zu holen, denn eins kann ich jetzt schon
vorweg nehmen. Hätte Andy auch nur während dem etwas mehr als 60
Minuten dauernden Vorstellen einen Furz abgelassen, Schlagzeuger
Christian Coma einmal sein Propeller-Headbanging gezeigt, Bassist
Ashley Purdy mit seinem Arsch gewackelt und die beiden Gitarristen
Jake Pitts und Jeremy «Jinxx» Ferguson sich die Haare
zurecht gerückt, die spitzen Schreie wären nie verstummt, es hätte
genau so viele Teenies gegeben, die man aus der Masse heben musste
zwecks Kollaboration, und die Feuchtigkeit der schwarzen Unterwäsche
wäre für den tropischen Regenwald eine grosse Konkurrenz gewesen.
Like A Storm
Doch bevor die Amerikaner die Bühne bestiegen stand der Vierer von
Like A Storm auf der Bühne. Die Neuseeländer um das Gebrüder-Trio
Chris, Matt und Kent Brooks rockten die Bühne, auch wenn die Songs
auswechselbar sind. Aber die Tracks wurden mit einem unglaublichen
Charme und einer packenden Performance vorgestellt. Das Fan-Geschrei
wurde schon mal auf Betriebstemperatur gebracht und die ersten
wilden Fan-Attacken der holden Weiblichkeit – man sah NUR Girls in
den ersten Reihen! – unterstützten das Quartett bei ihren 25 Minuten
Spielzeit. Der Sound war modern, erinnert an eine rockigere Version
von Alter Bridge und musste mit minimalen Platzverhältnissen auf der
Bühne dargeboten werden. Der Weg von links nach rechts, bei dem man
vor dem Schlagzeug durchlaufen musste, wurde zum Spiessrutenlauf und
es war ein kleines Wunder, dass Sänger Chris nicht in den Fotograben
flog. Bewaffnet mit Didgeridoo und Slide-Gitarre wurde für
Abwechslung gesorgt und durch die spitzbübische Art von Chris
erinnerte mich der Shouter immer wieder an Andy B. Franck von
Brainstorm. Nicht musikalisch, sondern von der «guten Laune» her, welche
der Neuseeländer verbreitete. Nach der Show standen die Jungs noch
bis spät am Abend den Fans am Merchandisingstand für Fotos und
Smalltalk zur Verfügung!
Fearless Vampire Killers
Nach Like A Storm betraten die Engländer von Fearless Vampire
Killers die Stage. Die Alternative-Truppe, mit einem Hauch aus dem
Punk und einer fetten Seite Melancholie, wurden ebenso abgefeiert
wie Like A Storm. Wieso, weiss wohl niemand so recht, aber wenn man
schon in der Stimmung ist und die Hormone
dermassen
verrückt spielen, dann kann man auch eine Combo wie Fearless Vampire
Killers abfeiern. Die Herren hätten tatsächlich aus einem
Vampir-Filme entsprungen sein können. Und wie es sich für loyale
Vampir-Fans gehört, hingen die verzückten Weibchen, den Musikern mit
blutunterlaufenen Augen an den Lippen. Konnten mich Like A Storm
noch mit ihrer Musik zufrieden stellen, entpuppte sich der Sound der
Briten als zu austauschbar. Ein bisschen Rock hier, ein bisschen Punk da
und ganz viel Melancholie von H.I.M. reichen in der heutigen Zeit
nur noch für die Leser der Bravo. Bangt man sich auf der Bühne
bei einem Lied wie «Unbreakable Hearts» die Rübe von den Schultern,
stellt sich die Frage, wo die tiefgehenden, herzerschütternden
Gefühle geblieben sind. Trotzdem, die Teenies hatten ihre Freude und
kreischten den Londonern zu.
Black Veil Brides
Mit einer fantastischen Lichtshow, einem erhöhten Drumpodest, ja es
wurde plötzlich geräumiger auf der Bühne (!), und einem aus
Gitterstäben bestehenden Laufsteg an vorderster Bühnenfront, durch
welchen immer wieder viel Rauch geblasen wurde, betraten die
Verantwortlichen für nasse Tangas, Nerven-zusammenbrüche und wildes
Geschrei die Stage, um für die nächste, etwas mehr als 60 Minuten
dauernde Spielzeit das Kofmehl zum Beben zu bringen. Die beiden
Gitarristen stellten sich rasch als bewegungsfreudige Bühnencracks
heraus, die das musikalische Rückgrat der Truppe sind. Was Jake und
Jeremy an ihren Werkzeugen ablieferten, war schlicht und ergreifend
der Brüller! Die Doppel-Soli packten die Besucher an den Eiern
(okay nur den männlichen!) und sorgten für gute Laune. Selbst als
"Jinxx" mit einer Violine die Bühne betrat («Shadows Die»), sah dies
einfach nur fantastisch und nicht banal aus! Bassist Ashley war
derweilen der Aktivposten neben Andy. Wackelte er mit seinem Arsch,
riss er seine weiblichen Fans in einem erotischen Abgrund voll
wilder Fantasien. Streckten ihm seine devoten Ladies ihre Finger
entgegen, leckte er genüsslich an denen mit dem Bewusstsein, dass
diese Stellen in den nächsten Jahren kaum mehr Wasser und Seife
sehen würden. Trommler Christian drosch auf sein Instrument ein, wie
Tommy Lee von Mötley Crüe. Die Propeller drehenden
Drumsticks
wurden sicherlich weniger exzessiv eingesetzt, aber es machte Spass CC
zuzusehen. Einzig nervend war der getriggerte Drumsound, bei dem die
Bassdrum alles andere wegdrückte. Tja und in der Mitte stand die
Diva in Person: Andy Biersack. Entpuppte sich der 25-jährige Shouter
zuerst als unzufriedene, missmutige und viel zu überhebliche Diva,
änderte sich dies mit zunehmender Spieldauer. Mit einem breiten
Grinsen im Gesicht und viel Freude in den Backen erstrahlte der
Shouter viel freundlicher und nahbarer. Mister Biersack ist
grundsätzlich mit einer verdammt geilen Stimme gesegnet. Wieso der
Gute dann immer wieder mit kreischenden Screams und Growls den
Liedern das Flair rauben musste, bleibt wohl ein trendig, gut
behütetes Geheimnis!
Werft ihr ein paar hungrigen Löwen, die
in den letzten vier Wochen nichts gegessen haben, ein Stück Fleisch
zu, wisst ihr was passiert. Das Gleiche trifft auch zu, wenn Andy
sein Gesicht und seinen Achselschweiss mit einem Badetuch abwischt und
dieses darauf den weiblichen Fans zuwirft. Zudem beherrscht der Ohioaner
den «ich-greif-mir-in-die-Eier-Michael-Jackson-Gedächtnis-Klemmer».
Er ist ein Showman. Einer der weiss, wie er seine Anhängerinnen in
Ekstase versetzen kann. Einer, der mit einem Lächeln die Hoffnung
auf eine sextriefende Nacht erweckte und einer der mit versteinerter
Miene alle Weiblein zu seinen Sklavinnen macht. Dabei jonglierte er
mit
seinem Mikrofon und bestach durch eine sehr professionelle
Darbietung. Frei nach dem Motto: «Black is beautiful!», und dies von
den hochtoupierten Haaren, über die knappe Reizwäsche bis hin zu den
Schuhsohlen. Musikalisch baute sich die Show von Song zu Song auf.
Allerdings ist die Mötley Crüe-Coverversion von «Kickstart My Heart»
ein kleiner Stimmungsbrecher, die aber gekonnt von «Rebel Love Song»
überbrückt wurde. Zum Glück wechselten die Herren vor den Soloparts
den Song, denn von der Coolness des Gespanns Sixx/Neil/Mars/Lee sind
Black Veil Brides noch weit entfernt. Mit dem letzten Track der
offiziellen Setliste «Fallen Angels» räumten die Jungs jedoch gewaltig ab
und die hohen Chorgesänge der weiblichen Anhänger erreichten einen
Gläser zerbrechenden Stand. Mit lauten «Black Veil Brides»-Rufen und
dem Beifall aller Anwesenden, die einen, weil sie mehr wollten (Weib) und
die anderen in der Hoffnung, dass alles fertig sei (Buben), wurden
die Fünf auf die Bühne zurück geholt, damit beim abschliessenden «In The
End» nochmals sämtliche Reserven hervor gerufen und alle Dämme zum
Brechen gebracht wurden. Tja BVB rockten ohne Ende, bringen
eigentlich nichts Neues, aber das, was die Amis bieten, wird mit
Hingabe und viel Rock zelebriert!
Einer Frage muss sich der
Fünfer aber stellen. Was, WAS, wenn ihre Teenie-Girls erwachsen
werden und sich anderer Musik zuwenden, was im heutigen Zeitalter
von YouTube sehr wahrscheinlich ist?! Rücken andere Fans nach oder
verschwindet der Hype um diese Jungs wieder? Was grundsätzlich
schade wäre, denn die Songs können sich hören lassen. Musikalisch
ist das klasse und gibt auf der Bühne Einiges her. Das nächste Mal
aber bitte mit einer Headliner-Show würdigen Spielzeit! An das
Tinnitus verursachende Gekreisch gewöhnt man sich mit der Zeit…
Setliste: «Heart Of Fire» - «I Am Bulletproof» - «Coffin» -
«Faithless» - «Let You Down» - «Wretched And Divine» -
«Knives And Pens» - «Overture» - «Shadows Die» - «Kickstart My Heart
(Cover Mötley Crüe)/Last Rites» - «Drum Solo Christian CC Coma» - «The
Legacy» - «Sweet Blasphemy» - «Fallen Angels» - «In The End».
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