Livereview: Blue Öyster Cult - Backwater

31. Juli 2016, Pratteln – Z7
By Rockslave
Am Tag vor dem Schweizer Nationalfeiertag befand ich mich bereits in Feierlaune, denn nach 28 Jahren, als Blue Öyster Cult am 05. März 1988 nämlich im Zürcher Volkshaus das letzte Mal bei uns zu Gast waren, musste ich jetzt also tatsächlich zuerst 52 Jahre alt werden, um dieser kultigen Premiere beiwohnen zu können! Aber wie der Volksmund so schön sagt: “Besser spät als gar nie mehr!“ Dass dies wirklich so ist, wurde einem eigentlich schon 2007 bewusst, als Gitarrist und Sänger Allen Lanier, der nebenbei auch Bass und Keyboard spielte, sich nach vier Dekaden Bandzugehörigkeit zurück zog und sechs Jahre später mit 67 Jahren leider verstarb. Obwohl BÖC in den 80ern auch mal mit Black Sabbath auf Tour waren, nahm ich die Truppe nie wirklich wahr und wenn, dann eigentlich nur wegen dem stilistisch eher untypisch anmutenden Monster-Hit «Don’t Fear The Reaper». In den Jugenddiscos dürfte «Godzilla» mit Sicherheit auch gespielt worden sein, aber die Blütezeit von AC/DC mit Bon Scott überstrahlte damals alles. Immerhin standen heute Abend aber Eric Bloom (v, g, keyb) und Donald „Buck Dharma“ Roeser (g, v) auf der Bühne, toll supportet von den Schweizer Rockern Backwater.

Backwater

Während es beim Headliner zum allerersten Mal gereichte, ist das bei der Vorband aus Lausanne schon geschehen, wenn auch noch gar nicht so lange her. Genauer war dies in der „Hall Of Fame“ in Wetzikon und zwar heuer im Frühling als Anheizer für SOTO. Diese Affiche war unter dem Strich ganz in Ordnung, aber beim heutigen Konzert konnte man schon fast beispielhaft miterleben, was es ausmacht, wenn eine Band grundsätzlich vor dem richtigen Publikum aufspielen kann. Das hatte vor allem damit zu tun, dass sich die anwesende Klientel vom Altersrange her mehrheitlich zwischen vierzig und sechzig Jahren bewegte. Immerhin sah man erfreulicherweise auch ein paar jüngere Gesichter unter den Besuchern des Z7. Backwater wussten zu Beginn wohl noch selbst nicht genau, was sie erwartete und legten deshalb einfach mal beherzt los. Ihren Sound bezeichnen sie als „ Roaring Southern-Rock vocals, high voltage guitars and hard driving rythm section”, was im Wesentlichen sicher zutrifft. Allzu heftig kam die Chose dann allerdings nicht daher, aber vor allem Frontmann Marc Vermot traf mit seiner passenden und leicht rauchigkratzigen Stimme den Nerv des Publikums, das mit jedem Lied spürbar lauter antizipierte und für eine tolle Stimmung sorgte. Die Band zeigte sich sichtlich überrascht wie gleichzeitig erfreut über die Reaktionen vor der Bühne und legte sich deshalb mit spürbarem Elan mächtig ins Zeug. Die Gitarristen-Front mit Fred Gudit (Ex-Sideburn) und Stéphane Monbaron überzeugte mit Spielfreude, fettem Rhythmus und filigranen Soli. Obwohl man sich bezüglich des Sounds durchaus noch etwas mehr Punch gewünscht hätte, lieferten Backwater im Z7 weitaus besser als in der „Hall Of Fame „ ab, und es bleibt zu hoffen, dass es in Zukunft weiterhin so läuft, was jedoch unter Umständen leichter gesagt als getan ist.

Setliste: «Lie To Me» - «Rock’n’Roll Devil» - «Freedom Ride» - «Backwater» - «The Duel» - «Looking For The Thrill» - «Born For The Rhythm» - «Hey Man» - «Never Be Down».


Blue Öyster Cult
Dass ich 1988 nicht bereit für BÖC war, ist aus heutiger Sicht natürlich unverzeihlich, zumal ich damals eben auch noch in den Genuss des Spiels von Allen Lanier (R.I.P.) gekommen wäre. Dazu kommt, dass sich die Amerikaner nicht so oft in Europa haben blicken lassen, und darum war der Besuch dieses Konzertes so zu sagen auf fast der letzten Rille angesiedelt. Das letzte Studioalbum «Curse Of The Hidden Mirror» ist von 2001 (!) und somit war klar, dass dieser Event eine Art „Best-Of“-Konzert absetzen würde. Obwohl ich mir vor einer Weile mit «The Essential Blue Öyster Cult wenigstens eine gute DCD von ihnen ins Regal gestellt habe, konnte keine Rede davon sein, dass ich ausser den zwei bisher genannten Songs noch irgendwas anderes kenne. Dafür hatte ich nachher zu Hause ein cooles Déja-vu, denn bisher war ich der Meinung, dass die hammergeile Version von «Veteran Of The Psychic Wars» von Tarot sei! Tja, so kann man sich täuschen, wenn man nicht aller Songcredits mächtig ist. Somit liess ich die musikalische Reise ins BÖC-Universum einfach auf mich einwirken und war, wie die meisten Fans auch, von Anfang an wie elektrisiert! Neben Eric und Donald besteht das aktuelle Line-Up noch aus Richie Castellano (g, v, keyb), Kasim Sulton (b) und Jules Radino (d). Während Letzterer früher mit Popa Chubby unterwegs war, stand Kasim einige Zeit für Todd Rundgren auf den Brettern, die die Welt bedeuten. Allen-Ersatz Richie gebärdete sich vom Körpereinsatz her als aktivster Musiker auf der Bühne und zeigte mehrmals, welch brillanter Musiker er ist. Zu wunderbaren Lichtprojektionen auf dem raumfüllenden Backdrop wurde man fast in die 70er zurück katapultiert. Während der Opener «This Ain't The Summer Of Love» und «Golden Age Of Leather» zwei flotter Rocker waren, hätte «Burnin' For You» wahlweise auch von Asia oder Barclay James Harvest sein können. Auch «True Confessions» hatte eher was Liebliches an sich und «The Vigil» klang etwas nach den frühen Eagles mit einem Schuss alte BJH. Die Liveversionen kamen dann allerdings schon eine ganze Ecke schmissiger als auf Konserve daher.

Wie schon bei The Sweet sind die abwechselnden Lead- und Backing-Vocals das untrügliche Markenzeichen der Amerikaner. Spätestens bei «Lips In The Hills» ging es dann aber doch noch etwas heftiger ab. Der rock’n’rollige Song, der Vibes von Lynyrd Skynyrd und Cheap Trick verströmte, lieferte mir zunehmend die Erklärung, warum ich nie wirklich auf die Band abfuhr. Obwohl handwerklich völlig in Ordnung, klingt das Songmaterial einfach zu fest nach dieser oder der anderen Band, die in dieser Rezi genannt wurden. Selbst «Godzilla» könnte gut und gerne auf einer Scheibe von Bachmann Turner Overdrive stehen. So bleibt dann am Schluss fast nur noch der einstige Hit «Don’t Fear The Reaper» übrig, der letztlich wiederum Barclay James Harvest zugeschrieben werden könnte. Das sehen eingefleischte BÖC-Fans sicher ganz anders, zumal die Band zu Beginn ihrer Karriere als Erste mit fetten Laser-Shows auftrumpfte, und ohne die beiden berühmten „Ö“-Pünktchen hätte es weder Motörhead, Mötley Crüe noch Queensrÿche in dieser Schreibweise gegeben. Immerhin wurden in Pratteln aufgrund der wirklich geilen Stimmung gleich drei Zugaben gespielt, die tags zuvor beim «Rock Of Ages» ebenso nicht auf der offiziellen Setliste standen. Und da offenbarte sich schliesslich wie erfreulich zugleich, was die Amis auf dem Kasten haben, inklusive der Ehrerbietung an Black Sabbath bei «Cities On Flame With Rock And Roll». Der mit Sicherheit interessanteste Europa-Auftritt dieser Tour war jedoch der in London im „O2 Forum Kentish Town“ zwei Tage zuvor. Dort wurden nämlich nicht weniger als 25 Songs (!) gespielt, und der mehrfache Gastauftritt von Alt-Drummer Albert Bouchard bejubelt, der bei vier Songs die Lead-Vocals, wie wohl schon früher schon, übernahm. Nichtsdestotrotz war der rund 100-minütige Z7-Gig eine mehr als lohnenswerte Erfahrung, und ich bereute mein Kommen zu keiner Sekunde. Sollten die beiden Ur-Members Bloom und Roeser mit ihren Kollegen nochmals in unseren Breitengraden auftauchen, werde ich auf jeden Fall wieder mit dabei sein.

Setliste: «This Ain't The Summer Of Love» - «Golden Age Of Leather» - «Burnin' For You» - «OD'd On Life Itself» - «True Confessions» - «ME 262» - «Harvest Moon» - «The Vigil» - «Lips In The Hills» - «Then Came The Last Days Of May» - «Godzilla» - «Buck's Boogie» - «(Don't Fear) The Reaper» -- «Hot Rails To Hell (with Richie on lead vocals)» - «See You in Black» - «Cities On Flame With Rock And Roll».“