Es steht ausser Frage, dass die aktuell mit drei
schwedischen, einem französischen sowie einem amerikanischen Musiker
bestückte Band Blues Pills um die charismatische Frontfrau Elin
Larsson zur richtigen Zeit das Richtige gemacht hat und vom
professionellen Umfeld entsprechend gepusht, sprich voran gebracht
wurde. Obwohl ihre Mucke ja nicht wirklich als Metal bezeichnet
werden kann, zeugen Auftritte, wie zum Beispiel am Rock Hard
Festival 2014 in Gelsenkirchen davon, dass man sich selbst vor den
Fans der härteren Fraktion durchaus behaupten kann. Das liegt in
erster Linie am kräftigen Bluesrock, der den Anfang der Karriere
charakterisierte und nach den ersten EPs auch das selbstbetitelte
Debüt vor zwei Jahren beherrschte. Durch ausgedehntes Touren war die
Retro-Truppe omnipräsent und wurde von der einschlägigen Presse bald
einmal als das nächste grosse Ding der Szene gehandelt. Sowas kann
einen gewissen Druck erzeugen, fortan den vorgezeichneten Weg zu
gehen. Mit dem zweiten Album «Lady In Gold» wurde die vermeintliche
Gleichförmigkeit jedoch durchbrochen, ohne die Wurzeln zu
verleugnen. Letzteres taten Kadavar und Stray Train ebenso nicht.
Stray Train Es ist nicht das erste Mal, dass ich in der
letzten Zeit positiv über Support-Bands berichten kann, die ich
zuvor noch nie gesehen habe. Das passierte mir unter anderem bei
Honeymoon Disease, Electric Citizen oder den Schweizern Jack Slamer.
Zu diesem natürlich stets unvollständigen Reigen gesellt sich nun
eine weitere Combo, nämlich Stray Train! Die stammen nota bene und
man glaubt es kaum, aus Ljubljana, sprich also Slowenien! Davon
hatte ich freilich keinen blassen Schimmer, als die Truppe auf die
Bühne stieg und frisch von der Leber weg mit ihrem kernigen Heavy
Blues Rock loslegte! Mit im Gepäck hatten sie das anfangs Jahr in
nur fünf Tagen eingespielte Debüt mit dem ellenlangen Titel «Just
‘Cause You Got The Monkey Off Your Back Doesn’t Mean The Circus Has
Left Town». Ganz im Geiste von The Vintage Caravan nutzten Stray
Train ihre halbe Stunde Auftrittszeit optimal aus und präsentierten
sich als spritzige Einheit, die es richtig krachen liess.
Ursprünglich von durchs Band hindurch versierten Musikern als
Club-Band konzipiert, die eigentlich nur Genre-Covers zum
Besten
geben wollte, waren plötzlich einige eigene gute Ideen am Start und
Stray Train im Studio. Zum Glück muss man sagen, denn was die Jungs
da in Kürze auf der Bühne von der Leine liessen, war nichts als
unbändiger Groove, der einen gleich mitriss. Dabei punkteten die
funkigen Ausflüge ebenso, die das variable Gesamtbild wunderbar
ergänzten. Und wenn wir schon die Optik ansprechen, dann muss man
ein paar Worte über Gitarrist Boban Milunović verlieren, der mit
seinen grauen Haaren und dem buschigen Bart so aussah, als könnte er
glatt der Vater der restlichen Bandmembers, als da wären Luka Lamut
(v), Jure Golobič (g), Niko Jug (b) und Viktor Ivanović (d), sein.
Als ich mir am Merchstand freudig das signierte Vinyl abgriff,
klärte sich dieser Umstand zufälligerweise. Nämlich, dass alle etwa
gleich alt seien. Seis drum, aber wenn die Truppe den Schwung des
exzellenten Debüts in gleicher Weise weiterführen kann, kommt es
definitiv gut, und ich werde diese überraschend gute Band fortan auf
dem Radar haben.
Kadavar
Mit dem Berliner Trio folgte danach ein anderes Kaliber, das ich
bisher jedoch nur stiefmütterlich bis eigentlich gar nicht beachtet
habe. Ein Fehler, wie sich schon bald herausstellen sollte, doch
grundsätzlich gibt es in dieser Stilecke ja einige solcher
Krach-Combos, die es meistens kaum bis gar nicht mit Legenden wie
Spiritual Beggars, Kyuss oder Monster Magnet aufnehmen können.
Folglich fallen somit etliche Bands durch den selbstgewählten
Raster, und da kann es passieren, dass einem halt mal eine geile
Truppe durchschlüpft, trotz Berichten wie Interviews in der
Szene-Journaille. Spätestens mit dem Deal bei Nuclear Blast musste
aber was dran sein an den Jungs, und deren drittes Album «Berlin»
bekam bekanntlich ziemlich gute Kritiken. Dennoch liess ich die
Truppe bis anhin links liegen, aber kaum hatten sie angefangen zu
spielen, musste ich meine Meinung umgehend revidieren! Augenfällig
war die Positionierung des Arbeitsgerätes von Schlagzeuger Christoph
„Tiger“ Bartelt. Der drahtige Langhaar- und Bartträger agierte
nämlich in der Mitte, respektive ganz vorne am Bühnenrand, während
seine Kollegen Christoph „Lupus“ Lindemann (v/g) und Simon „Dragon“
Bouteloup jeweils links und rechts von ihm postiert waren. Das
körperintensive Spiel des Drummers stach dabei umgehend ins Auge und
verlieh dem lärmigen Trio zusätzlichen Drive. Dazu passte die
Retro-Mucke wie die Faust aufs Auge und machte keine Gefangenen. Wie
zuvor schon bei Stray Train war auch bei Kadavar ein Element
zentral, und das war gnadenlos nach vorne treibender Groove. Dabei
profitiert die Band von der Dreierbesetzung, die wie geschaffen ist
für den psychedelisch getränkten Stoner Rock der Deutschen. Zu
fetten
schrillen Riffs polterte der Bass und das schweisstreibende Drumming
hielt den mächtigen Soundkoloss stets beisammen. Dazu kamen
durchdringende Vocals und fertig ist eine weitere Hommage an die
70er, die den Sprung in die Neuzeit locker geschafft hat, ohne dabei
altbacken rüber zu kommen. Die Folge davon war ein begeistertes
Publikum, das echt steil abging und Kadaver nach allen Regeln der
Kunst abfeierte, und dies zurecht! Vom Beatles-Klassiker «Helter
Skelter» gibt es ja einige Interpretationen, aber die Version von
Kadavar pulverisierte alles, was zuvor an meine Lauscher drang.
Ebenso kultig wie unerwartet war der alte Bee Gees Heuler «Stayin‘
Alive» als Outro, den offenbar einige gut fanden und gleich
mitsangen wie dazu halbwegs das Tanzbein schwangen. Mein Fazit nach
etwas mehr als einer Stunde dieses Soundinfernos war klar:
supergeil, und somit eine weitere Pendenz für meine Vinyl-Sammung,
die bald einmal getilgt werden muss.
Blues Pills
Und nun war ich wirklich gespannt, ob der Headliner diesem
hochkarätigen Vorprogramm paroli bieten konnte. Um es vorweg zu
nehmen: ja, er konnte! Doch alles schön der Reihe nach. Am Anfang
steht das neue Meisterwerk «Lady In Gold», das deshalb so gut
geworden ist, weil die Band es verstanden hat, sich trotz dem
ganzen Hype musikalisch weiter zu entwickeln, bevor man in die Falle
des kompositorischen Ersterfolges tappt. Im Wesentlichen heisst das
vor allem, dass Frontfrau Elin eigentlich erst jetzt in vollem
Umfang zeigen kann, was sie wirklich drauf hat. Schreien können
viele, singen auch noch, aber über die ganze Bandbreite überzeugen?!
Dazu braucht es mehr und wenn man sich Songs wie den Titeltrack
«Lady In Gold», das treibende «Won't Go Back» oder die ergreifende
Solonummer «I Felt A Change anhört, dann wird klar, was damit
gemeint ist. Nicht verwunderlich ist dabei, dass nicht weniger als
acht neue Songs (von total zehn) auf der Setliste standen. Blues
Pills wollen auf dieser Tour unmisverständlich aufzeigen, dass sie
vollstes Vertrauen ins neue Material und dies auch schon bald
demonstrierten. Nicht unwesentlich ist dabei die erfreuliche
Tatsache, dass mit der Hinzunahme des Live-Musikers Rickard Nygren,
der eben die Hammond-Sounds bringt und die zweite Gitarre bedient,
der Album-Sound optimal auf der Bühne umgesetzt werden kann. Wenn
man hier was Wesentliches ab Band einspielen würde, wäre die Magie
dieser geilen Band mit einem Schlag weg! Und so zelebrierte der
Headliner eine Hammer-Show auf der Basis dessen, was es braucht, um
den in so kurzer Zeit erschaffenen guten Namen auch weiterhin in die
Welt hinaus tragen kann.
Die
Chose kam zwar nicht so brachial wie bei Kadavar zuvor daher, aber
die eigentliche Lautstärke war teilweise höher, was letztlich ja dem
Status entsprach. Nebst der sehr agilen Miss Larsson, die so für uns
Fotographen eher erschwerte Bedingungen schuf, war es in erster
Leadgitarrist Dorian Sorriaux, der voll in seinem Spiel aufging.
Dabei gebärdete er sich nicht wie ein Derwisch auf der Bühne,
sondern wirkte, wie man es von ihm nicht anders kennt, total in sich
gekehrt und fokussiert auf seine Performance. Das war auch Bassist
Zack Anderson, der sich mit seiner fast allzu ruhigen Art allerdings
stets in einer anderen Sphäre aufzuhalten schien. Die nötigen Bässe
kamen jedoch so wie sein müssen, und es reicht ja im Wesentlichen
zur Genüge, wenn der golden gelockte Engel wie von der Tarantel
gestochen unentwegt umher hüpft. Nur einmal wurde dies unterbrochen
und zwar als sich Elin bei «I Felt A Change» alleine an ein
Elektropiano setzte und ihre gesanglichen Stärken ein weiteres Mal
voll ausspielte. Dass die beiden Zugaben auch zwei neue Songs waren,
unterstrich am heutigen Abend ein letztes Mal, unter welchem Banner
diese Tour, die nächstes Jahr noch fortgesetzt werden wird, steht.
Nach für mich zu kurzen 75 Minuten ging ein sehr intensiver und
schweisstreibender Konzertabend mit der freudigen Gewissheit zu
Ende, dass wir von dieser tollen Truppe in den kommenden Jahren wohl
oder besser hoffentlich noch viel gute Musik zu hören bekommen
werden!
Setliste: «Lady in Gold» - «Little Boy Preacher» -
«Bad Talkers» - «Won't Go Back» - «Black Smoke» - «Bliss» - «Little
Sun» - «Elements And Things (Cover Tony Joe White)» - «You Gotta
Try» - «High Class Woman» - «Ain't No Change» - «Devil Man» - «I
Felt A Change (Elin on Keyboard)» -- «Rejection» - «Gone So Long».
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