Livereview: Blues Pills - Kadavar - Stray Train

22. Oktober 2016, Pratteln – Z7
By Rockslave
Es steht ausser Frage, dass die aktuell mit drei schwedischen, einem französischen sowie einem amerikanischen Musiker bestückte Band Blues Pills um die charismatische Frontfrau Elin Larsson zur richtigen Zeit das Richtige gemacht hat und vom professionellen Umfeld entsprechend gepusht, sprich voran gebracht wurde. Obwohl ihre Mucke ja nicht wirklich als Metal bezeichnet werden kann, zeugen Auftritte, wie zum Beispiel am Rock Hard Festival 2014 in Gelsenkirchen davon, dass man sich selbst vor den Fans der härteren Fraktion durchaus behaupten kann. Das liegt in erster Linie am kräftigen Bluesrock, der den Anfang der Karriere charakterisierte und nach den ersten EPs auch das selbstbetitelte Debüt vor zwei Jahren beherrschte. Durch ausgedehntes Touren war die Retro-Truppe omnipräsent und wurde von der einschlägigen Presse bald einmal als das nächste grosse Ding der Szene gehandelt. Sowas kann einen gewissen Druck erzeugen, fortan den vorgezeichneten Weg zu gehen. Mit dem zweiten Album «Lady In Gold» wurde die vermeintliche Gleichförmigkeit jedoch durchbrochen, ohne die Wurzeln zu verleugnen. Letzteres taten Kadavar und Stray Train ebenso nicht.

Stray Train

Es ist nicht das erste Mal, dass ich in der letzten Zeit positiv über Support-Bands berichten kann, die ich zuvor noch nie gesehen habe. Das passierte mir unter anderem bei Honeymoon Disease, Electric Citizen oder den Schweizern Jack Slamer. Zu diesem natürlich stets unvollständigen Reigen gesellt sich nun eine weitere Combo, nämlich Stray Train! Die stammen nota bene und man glaubt es kaum, aus Ljubljana, sprich also Slowenien! Davon hatte ich freilich keinen blassen Schimmer, als die Truppe auf die Bühne stieg und frisch von der Leber weg mit ihrem kernigen Heavy Blues Rock loslegte! Mit im Gepäck hatten sie das anfangs Jahr in nur fünf Tagen eingespielte Debüt mit dem ellenlangen Titel «Just ‘Cause You Got The Monkey Off Your Back Doesn’t Mean The Circus Has Left Town». Ganz im Geiste von The Vintage Caravan nutzten Stray Train ihre halbe Stunde Auftrittszeit optimal aus und präsentierten sich als spritzige Einheit, die es richtig krachen liess. Ursprünglich von durchs Band hindurch versierten Musikern als Club-Band konzipiert, die eigentlich nur Genre-Covers zum Besten geben wollte, waren plötzlich einige eigene gute Ideen am Start und Stray Train im Studio. Zum Glück muss man sagen, denn was die Jungs da in Kürze auf der Bühne von der Leine liessen, war nichts als unbändiger Groove, der einen gleich mitriss. Dabei punkteten die funkigen Ausflüge ebenso, die das variable Gesamtbild wunderbar ergänzten. Und wenn wir schon die Optik ansprechen, dann muss man ein paar Worte über Gitarrist Boban Milunović verlieren, der mit seinen grauen Haaren und dem buschigen Bart so aussah, als könnte er glatt der Vater der restlichen Bandmembers, als da wären Luka Lamut (v), Jure Golobič (g), Niko Jug (b) und Viktor Ivanović (d), sein. Als ich mir am Merchstand freudig das signierte Vinyl abgriff, klärte sich dieser Umstand zufälligerweise. Nämlich, dass alle etwa gleich alt seien. Seis drum, aber wenn die Truppe den Schwung des exzellenten Debüts in gleicher Weise weiterführen kann, kommt es definitiv gut, und ich werde diese überraschend gute Band fortan auf dem Radar haben.


Kadavar
Mit dem Berliner Trio folgte danach ein anderes Kaliber, das ich bisher jedoch nur stiefmütterlich bis eigentlich gar nicht beachtet habe. Ein Fehler, wie sich schon bald herausstellen sollte, doch grundsätzlich gibt es in dieser Stilecke ja einige solcher Krach-Combos, die es meistens kaum bis gar nicht mit Legenden wie Spiritual Beggars, Kyuss oder Monster Magnet aufnehmen können. Folglich fallen somit etliche Bands durch den selbstgewählten Raster, und da kann es passieren, dass einem halt mal eine geile Truppe durchschlüpft, trotz Berichten wie Interviews in der Szene-Journaille. Spätestens mit dem Deal bei Nuclear Blast musste aber was dran sein an den Jungs, und deren drittes Album «Berlin» bekam bekanntlich ziemlich gute Kritiken. Dennoch liess ich die Truppe bis anhin links liegen, aber kaum hatten sie angefangen zu spielen, musste ich meine Meinung umgehend revidieren! Augenfällig war die Positionierung des Arbeitsgerätes von Schlagzeuger Christoph „Tiger“ Bartelt. Der drahtige Langhaar- und Bartträger agierte nämlich in der Mitte, respektive ganz vorne am Bühnenrand, während seine Kollegen Christoph „Lupus“ Lindemann (v/g) und Simon „Dragon“ Bouteloup jeweils links und rechts von ihm postiert waren. Das körperintensive Spiel des Drummers stach dabei umgehend ins Auge und verlieh dem lärmigen Trio zusätzlichen Drive. Dazu passte die Retro-Mucke wie die Faust aufs Auge und machte keine Gefangenen. Wie zuvor schon bei Stray Train war auch bei Kadavar ein Element zentral, und das war gnadenlos nach vorne treibender Groove. Dabei profitiert die Band von der Dreierbesetzung, die wie geschaffen ist für den psychedelisch getränkten Stoner Rock der Deutschen. Zu fetten schrillen Riffs polterte der Bass und das schweisstreibende Drumming hielt den mächtigen Soundkoloss stets beisammen. Dazu kamen durchdringende Vocals und fertig ist eine weitere Hommage an die 70er, die den Sprung in die Neuzeit locker geschafft hat, ohne dabei altbacken rüber zu kommen. Die Folge davon war ein begeistertes Publikum, das echt steil abging und Kadaver nach allen Regeln der Kunst abfeierte, und dies zurecht! Vom Beatles-Klassiker «Helter Skelter» gibt es ja einige Interpretationen, aber die Version von Kadavar pulverisierte alles, was zuvor an meine Lauscher drang. Ebenso kultig wie unerwartet war der alte Bee Gees Heuler «Stayin‘ Alive» als Outro, den offenbar einige gut fanden und gleich mitsangen wie dazu halbwegs das Tanzbein schwangen. Mein Fazit nach etwas mehr als einer Stunde dieses Soundinfernos war klar: supergeil, und somit eine weitere Pendenz für meine Vinyl-Sammung, die bald einmal getilgt werden muss.


Blues Pills
Und nun war ich wirklich gespannt, ob der Headliner diesem hochkarätigen Vorprogramm paroli bieten konnte. Um es vorweg zu nehmen: ja, er konnte! Doch alles schön der Reihe nach. Am Anfang steht das neue Meisterwerk «Lady In Gold», das deshalb so gut geworden ist, weil die Band es verstanden hat, sich trotz dem ganzen Hype musikalisch weiter zu entwickeln, bevor man in die Falle des kompositorischen Ersterfolges tappt. Im Wesentlichen heisst das vor allem, dass Frontfrau Elin eigentlich erst jetzt in vollem Umfang zeigen kann, was sie wirklich drauf hat. Schreien können viele, singen auch noch, aber über die ganze Bandbreite überzeugen?! Dazu braucht es mehr und wenn man sich Songs wie den Titeltrack «Lady In Gold», das treibende «Won't Go Back» oder die ergreifende Solonummer «I Felt A Change anhört, dann wird klar, was damit gemeint ist. Nicht verwunderlich ist dabei, dass nicht weniger als acht neue Songs (von total zehn) auf der Setliste standen. Blues Pills wollen auf dieser Tour unmisverständlich aufzeigen, dass sie vollstes Vertrauen ins neue Material und dies auch schon bald demonstrierten. Nicht unwesentlich ist dabei die erfreuliche Tatsache, dass mit der Hinzunahme des Live-Musikers Rickard Nygren, der eben die Hammond-Sounds bringt und die zweite Gitarre bedient, der Album-Sound optimal auf der Bühne umgesetzt werden kann. Wenn man hier was Wesentliches ab Band einspielen würde, wäre die Magie dieser geilen Band mit einem Schlag weg! Und so zelebrierte der Headliner eine Hammer-Show auf der Basis dessen, was es braucht, um den in so kurzer Zeit erschaffenen guten Namen auch weiterhin in die Welt hinaus tragen kann.

Die Chose kam zwar nicht so brachial wie bei Kadavar zuvor daher, aber die eigentliche Lautstärke war teilweise höher, was letztlich ja dem Status entsprach. Nebst der sehr agilen Miss Larsson, die so für uns Fotographen eher erschwerte Bedingungen schuf, war es in erster Leadgitarrist Dorian Sorriaux, der voll in seinem Spiel aufging. Dabei gebärdete er sich nicht wie ein Derwisch auf der Bühne, sondern wirkte, wie man es von ihm nicht anders kennt, total in sich gekehrt und fokussiert auf seine Performance. Das war auch Bassist Zack Anderson, der sich mit seiner fast allzu ruhigen Art allerdings stets in einer anderen Sphäre aufzuhalten schien. Die nötigen Bässe kamen jedoch so wie sein müssen, und es reicht ja im Wesentlichen zur Genüge, wenn der golden gelockte Engel wie von der Tarantel gestochen unentwegt umher hüpft. Nur einmal wurde dies unterbrochen und zwar als sich Elin bei «I Felt A Change» alleine an ein Elektropiano setzte und ihre gesanglichen Stärken ein weiteres Mal voll ausspielte. Dass die beiden Zugaben auch zwei neue Songs waren, unterstrich am heutigen Abend ein letztes Mal, unter welchem Banner diese Tour, die nächstes Jahr noch fortgesetzt werden wird, steht. Nach für mich zu kurzen 75 Minuten ging ein sehr intensiver und schweisstreibender Konzertabend mit der freudigen Gewissheit zu Ende, dass wir von dieser tollen Truppe in den kommenden Jahren wohl oder besser hoffentlich noch viel gute Musik zu hören bekommen werden!

Setliste: «Lady in Gold» - «Little Boy Preacher» - «Bad Talkers» - «Won't Go Back» - «Black Smoke» - «Bliss» - «Little Sun» - «Elements And Things (Cover Tony Joe White)» - «You Gotta Try» - «High Class Woman» - «Ain't No Change» - «Devil Man» - «I Felt A Change (Elin on Keyboard)» -- «Rejection» - «Gone So Long».