Livereview: Bonfire - Grey Attack

05. Mai 2018, Aarburg – Musigburg
By Tinu
Die Musigburg in Aarburg entwickelt sich so langsam vom Geheimtipp zum grossen Gewinner der Konzertlocations in der Schweiz. Das liegt einerseits am Angebot der Bands und andererseits am Charme des kleinen Ladens. Waren vor nicht allzu langer Zeit Death Angel oder RAM zu Gast, beehrten Bonfire Aarburg nun schon zum zweiten Mal. Eine Band, welche in den achtziger Jahren mit ihrem amerikanisch geprägten Hardrock für viel Aufsehen sorgte. Balladen wie «You Make Me Feel» oder «Give It A Try» waren Dauergäste in den Medien. Aber auch mit genügend Dreck unter den Fingernägeln konnte sich der Fünfer behaupten und hatte mit Songs wie «Ready For Reaction», «Under Blue Skies», «Day 911», «Daytona Nights», «Strike Back», oder «Don't Touch The Light» Juwelen im Angebot. Nach dem erneuten Zwist zwischen den beiden Bandleadern Claus Lessmann (Gesang) und Hans Ziller (Gitarre) scharte sich Hans eine Truppe um sich, die bedeutend härter ans Werk geht. Nach dem Rauswurf von Shouter David Reece steht nun Alexx Stahl bei Bonfire am Mikrofon.

Grey Attack
"Dich kenne ich, zumindest deine Frisur. Es ist schön, wenn uns Fans nachreisen, auch wenn es wegen Bonfire ist", grinste Sänger Grey Charlez und legte mit seinen Ansagen zumindest einen guten Draht ins Publikum. Ansonsten hatten es Grey Attack schwer, die Anwesenden zu überzeugen. Ihr Sound, ein Gemisch aus Alternative- und Classic Rock, war irgendwie auch das falsche Puzzle-teilchen, um an diesem Abend punkten zu können, auch wenn mit zunehmendem Bierkonsum und Spielzeit sich zumindest eine gewisse Lockerheit beim Publikum breit machte. Ob sich nach dem Gig noch jemand an den Bandnamen erinnern konnte, ist jedoch fraglich. Es ist auch nicht gerade das Klügste, wenn man auf der eh schon kleinen Bühne noch das eigene Schlagzeug aufstellt und sich so noch mehr der vorhandenen Fläche beraubt. So blieb es eine eher saftlose Vorstellung, bei der sich die Herren bemühten, aber bei den Zahlenden am Ende des Abends wohl kaum was haften blieb. Eigentlich schade, denn wenn das Quartett richtig los rockt, dann macht die Mucke durchaus Spass.

Bonfire
«Es war einmal…», so fangen viele Märchen an und auch bei mir schlich sich nach einigen Minuten diese weltbekannte Einleitung in meine Gedächtnisstube. Nicht dass Bonfire etwa zu einer schlechten Band verkommen sind. NEIN! Aber von der rockigen Attitüde haben sich die Herren, nach Aussage von Hans Ziller, bewusst entfernt. Sänger Alexx, Hans, Gitarrist Frank Pané, Bassist Ronnie Parkes und Schlagzeuger Tim Breideband sind sehr gute Musiker. Es macht Freude Frank zuzusehen, wie er die Solos spielt und mit welcher Leichtigkeit, aber auch Virtuosität er den bekannten Hits ein neues Leben einhaucht. Tim alleine ist schlicht ein Hingucker. Was der Junge an seinem Arbeitsgerät verrichtet, mit welchen Showelementen er das Ganze würzt und mit welchem Elan wie Power er spielt, sucht Seinesgleichen. Ronnie ist indes der typische Bassist, der eher ein bisschen bescheiden auf der linken Bühnenseite steht, aber einen sehr wichtigen und druckvollen Job erledigt. Tja, und Hans ist Hans, der mit einer unglaublichen Lässigkeit und Lockerheit auf der Bühne steht und versucht, den neuen Bonfire ein frischeres Leben einzuflössen. Alexx ist schliesslich ein verdammt geiler Shouter, der mit seinen Screams beim Opener «Temple Of Lies» viele an Rob Halford von Judas Priest erinnern liess. Auch wenn es schien, dass ihm zuweilen ein bisschen der Atem fehlte, muss man sagen, dass es verdammt heiss war in der Musigburg und man die Luft in Scheiben schneiden konnte. "Das habe ich echt noch bei keinem Konzert gefragt, aber hat jemand Haarspray dabei? Bei der Hitze fallen mir meine Locken immer ins Gesicht." Ob dies nun die beste Ansage war, die man bis anhin von einem Sänger zu hören bekam? Man kann durchaus darüber diskutieren.

Auch als Mister Stahl die kommenden Konzerte von «Bonfire And Friends» mit vielen namhaften Künstlern ansagte und dabei nicht mehr wusste, wer denn jetzt alles dabei sein wird, war das Schlusszitat: «…das gibt heute Abend wieder Schelte vom Chef…», sicherlich lustig gemeint, aber die Art, wie diese Aussage getätigt wurde, war eher ein trockener, denn ein humorvoller Akt. Und hier kommt schon der erste Kritikpunkt zum Tragen. Konnte früher Claus mit seiner sympathischen Art das Publikum locker aus der Reserve holen, war man sich nicht sicher, was hinter gewissen Aussagen steckte. Die Band rockte sehr gut los, aber nicht als Einheit, sondern eher als Einzelkämpfer. Die Kehrtwende vom Hardrock hin zur eher metallischeren Version ist zudem eine gewichtige Geschmacksfrage. Wer mit den Songs aufgewachsen ist, hat sie im Ohr und musste deshalb durchaus bis zu Refrain warten, bis sie erkannt wurden. Dieser Soundwechsel mag für einige durchaus seine Berechtigung haben, liess für andere aber auch ein schlechtes Gefühl aufkommen. Der aktuelle Erfolg, der Einstieg in die Schweizer Charts war noch nie so hoch seit «Fire Works», mag Hans und seiner Truppe recht geben. Aber Lieder wie «Under Blues Skies» muss man nicht "modernifizieren", denn die Originalversion besitzt schon ein unglaubliches Flair und sorry, kann nur von einem gesungen werden. Hier ist die Stimme von Alexx unpassend. Nochmals, Bonfire haben sich einer musikalischen Kurskorrektur unterzogen und beschreiten bedeutend härtere Wege. Dieser Weg wurde an diesem Abend von den Fans durchaus lautstark unterstützt und mitgegangen. Trotzdem darf man sich die Frage stellen, ob man sich als Truppe mit einem doch nicht unerheblichen Erfolg aus der Vergangenheit aktuell auf neue Pfade begeben muss? "Schuster bleib bei deinen Leisten", ist nicht nur ein altes, sondern auch ein bewährtes Sprichwort. Judas Priest mussten dies, als Beispiel genannt, ebenso am eigenen Körper erfahren.

Bonfire sind nach wie vor eine verdammt geile Band und musikalisch über vieles erhaben. Die Gitarristen spielen nach wie vor tolle Doppel-Leads und mit Nummern wie «Sword And Stone» (geschrieben von Desmond Child und Paul Stanley), «American Nights», «Never Mind», aber auch mit neueren Nummern wie «Crazy Over You», «Praying 4 A Miracle» oder «Temple Of Lies» können sie locker für Laune sorgen. Es würde aber durchaus Sinn machen, wenn man den alten Klassikern dessen vorhandenes Flair nicht raubt und zusammen mit den härter ausgerichteten Tracks als gute Ergänzung spielt. Ja, ich war nicht überzeugt von diesem Konzert, und ich denke, man darf durchaus auch seine persönliche Meinung dazu abgeben, solange man der Truppe attestiert, dass sie nach wie vor sehr gute Eigenschaften besitzt, aber mit dieser Neuausrichtung folglich auch auf geteilte Meinungen stösst!

Setliste: «In The Beginning (Intro)», «Temple Of Lies», «Never Mind», «Don’t Touch The Light», «Stand Or Fall», «Under Blue Skies», «Praying 4 A Miracle», «Lonely Nights», «Sword And Stone», «American Nights», «Can’t Break Away», «Tony’s Roulette», «Crazy Over You», «S.D.I.», «Sweet Obsession», «Ready For Reaction» - «You Make Me Feel», «Champion»