Das Brienzersee Rockfestival (im Volksmund schlicht
Rockfescht genannt) gehört wahrlich nicht zu den grössten und auch
nicht zu den härtesten Festivals der Saison es ist aber mit
Bestimmtheit eines der am Schönsten gelegenen. Am oberen Ende des
Brienzersees steht das Festzelt mit direktem Seeanstoss, das zum
Baden und auch im Schlechtwetterfall ca. 4000 BesucherInnen einen
trockenen Platz garantiert. Der Regen sollte aber zumindest die
ersten beiden Tage nicht das Problem sein, denn mit Temperaturen um
die 30 Grad waren Bier und der eigene Schweiss, das Einzige in
flüssiger Form. Für drei Tage RocknRoll steht beinahe ein ganzes
Dorf im Einsatz, was dem Ganzen eine familiäre Note aufdrückt.
Maxxwell Die Truppe aus Luzern betrat am
Freitag um 19 Uhr die Bühne. Der Fünfer legte mit enormer
Spielfreude los und schaffte es innert Kürze, mit ihrem rotzig rauen
Hard Rock, die Zuschauer vom Seeufer in das Festzelt zu locken.
Optisch sind die Herren eher unauffälliger Natur. Haare kurz, Jeans
und T-Shirt fertig! Nur der neue Sänger Gilberto Meléndez stach mit
seiner Glatze und kurzen Hosen aus der Band heraus. Er strahlte von
Anfang an mit dem Publikum um die Wette, das vom Dialekt her
geschätzt, an diesem Tag zu einem Grossteil sicher wegen Maxxwell
angereist war. Gerade stimmlich und in Sachen Härte hat sich bei der
Formation einiges getan. Meléndez singt mit Abwechslung aber immer
mit dem Gefühl dafür, dass der Sound im Ohr hängen bleibt. Die
typische Pose, das Mikrofon am Kabel in der Luft kreisen zu lassen,
feierte die Menge euphorisch. Musikalisch top und immer in Bewegung.
Fürs Publikum war der Auftritt von Maxxwell ein wahrer Genuss und
beim Song Slapshot gab es kein Halten mehr. Hart, straight und
dynamisch. So traten die Innerschweizer im Berner Oberland auf. Mit
ihrem Album Tabula Rasa von 2014 haben sie sich endgültig der
härteren Gangart verschrieben, die aber dennoch mit fetten Riffs
melodiös geblieben und mitsingbar ist. Dies haben sie auch am
Brienzer Rockfest sehr eindrucksvoll gezeigt und müssen mittlerweile
den Vergleich mit internationalen Topacts keineswegs mehr scheuen.
Setliste: «Partykings» «Fuck It!» «Nothing Changes» «Boogie Man»
«No Pain No Gain» «Out Of Contro»l «Gone Forever» «Run Or Hide»
«Trails Of Hate» «Heads Or Tails» «Slapshot» «Dead End Street» «Man
Of Steel» «Black Widow» «Outlaw» «Cause Im Lovin It» «Take Me Away»
«The Devil Walks»
H.E.A.T. Die Rocker aus
dem hohen Norden traten sehr energiegeladen und überzeugend auf. Die
noch ziemlich junge Band tat alles, um das Publikum auf ihre Seite
zu ziehen. Besonders jüngere weibliche Fans füllten nun die
vordersten Plätze am Gitter aus. Sänger Erik Grönwall spukte und
tanzte wie ein Derwisch auf der Bühne rum
und auch Gitarrist Eric
Rivers stampfte beim Refrain jeweils so laut mit dem Fuss auf, dass
man im Fotograben um den Boden fürchten musste. Während eineinhalb
Stunden zeigten die Schweden ohne zu schwächeln was sie können und
überzeugten musikalisch auf ganzer Linie. Grönwall stoppte wohl mit
diesem Auftritt auch den letzten Zweifler, der den wenig rühmlichen
Werdegang des Sängers kennt. Bekannt wurde er nämlich 2009 als
Schmuserocker und Gewinner in der Castingshow Swedish Idol. Nachdem
der ehemalige Frontmann Kenny Leckremo im Jahr 2010 H.E.A.T.
verlassen hatte, kam Erik Grönwall als neuer Mann am Mikro zur Band.
Das diese Tatsache dem einen oder anderen hartgesottenen Freund der
Rockmusik grauste, ist mehr als nur verständlich. Für die wenigen
Balladen konnte Grönwall von seinem alten Image Gebrauch machen und
allein mit Gitarre ein Liebeslied anstimmen. Unter frenetischem
Applaus verliess die Band schliesslich um 22:30 Uhr die Bühne. Sehr
publikumsnah zeigten sich die Schweden auch nach ihrem Gig, als sie
alle geschlossen im Publikum standen und mit Bier und guter Laune,
Foto- und Autogrammanfragen bewältigten.
Thunder
Als Headliner des ersten Abends standen dann um 23:00 Uhr die
Altrocker von Thunder auf dem Programm. Abgeklärt und sichtlich
professionell zeigten die Briten, was sie in fast dreissig Jahren
Bühnenerfahrung gelernt und mit zehn Studioalben geleistet haben.
Der perfekte Auftritt der Band und Danny Bowes klare Stimme sorgte
im Publikum für Begeisterung. Thunder spielen harten Rock mit
Einflüssen von Led Zeppelin, The Who, Deep Purple und den zeitlosen
Genies, den Beatles. Die Mischung aus fetzigem RocknRoll, Blues oder
sogar Soul liess das Festzelt in Brienz erbeben und die Massen
tanzen. Die alternden Herren sorgten mit musikalischen
Überraschungen und einer gezielten Showeinlage von Gitarrist Luke
Morley beim eher älteren Publikum für Furore. Die wenigsten der
jungen BesucherInnen, kannten auf meine Nachfrage hin, die Band
Thunder noch. Dies ist eigentlich nicht weiter erstaunlich, da sie
ihre grössten Erfolge mit dem Album Laughing on Judgement Day in
1992 feierten. Nichts desto trotz, liessen sie es sich nicht nehmen,
einer legendären Band beizuwohnen und beim einen oder anderen Song
mit zu wippen. Auffälligstes äusseres Merkmal der Londoner waren
sicherlich die kurzen Haare. Allesamt haben sie die wilden Mähnen
mit einem mehr oder weniger adretten Kurzhaarschnitt getauscht. Mit
Dirty Love beendeten sie schliesslich um halb eins in der Nacht
ihren Auftritt am See. Zum Schluss standen nun noch die Jungs von
Crystal Ball auf dem Programm.
Setliste: «Wonder Days» «River
Of Pain» «Black Water» «Resurrection Day» «Broken» «The Devil Made
Me Do It» «Backstreet Symphony» « Ill Be Waiting» «The Thing I Want»
«When The Music Played» «Love Walked In» «I Love You More Than
RocknRoll» «Low Life In High Places» «Higher Ground» «Dirty Love»
Crystal Ball Die Schweizer Hard Rock/Metal
Combo Crystal Ball durfte den ersten Festivaltag beenden. Nach einem
langen und heissen Tag, zogen die Schweizer um 01:00 Uhr nochmals
alle Register. Das schon etwas mitgenommene Publikum kam dennoch
wieder in Schwung und liess sich zumindest in den vorderen Reihen
gehörig
mitreissen. Die ersten drei Songs folgten nahezu nahtlos
aneinander und heizten die Stimmung so richtig auf. Frontmann Steven
Mageney, lässig mit Fliegerbrille und Lederhose, war die Freude
anzusehen und er spielte regelrecht mit dem Publikum. Den Fuss
locker auf dem Monitor platziert, suchte er immer wieder
Blickkontakt mit den weiblichen Fans der ersten Reihe. Die
restlichen Bandmitglieder bearbeiteten ihre Instrumente nach aller
Art der Kunst und schüttelten dazu ihre Metal Mähnen, die an diesem
Tag doch klar in der Unterzahl lagen. Nach Stranded, etwa zur Hälfte
des Konzerts, wurden vier Standtoms auf die Bühne gebracht und in
einer Reihe aufgestellt. Unter der Führung von Drummer Marcel
Sardella gaben alle fünf Bandmitglieder ein Schlagzeugsolo der
Extraklasse, das auch lichttechnisch eine gelungene Abwechslung
darstellte. Im Anschluss setzte das Quintett nochmals unbändige
Energien frei und brachte den Raum erneut zum Kochen. Mit Liferider
und Paradise folgte ein powergeladenes Schlussbouquet bevor es nach
einer kurzen Pause mit zwei Zugaben in die Schlussrunde ging. Um
02:30 Uhr verstummten dann auch ihre Verstärker und im Anschluss
standen auch Crystal Ball, schweissgebadet und gut gelaunt den Fans
noch für kurze Zeit ganz nahe zur Verfügung.
Setliste:
«Balls Of Steel» «Hellvetia» «Mayday! » «He Came To Change The
World» «Hold Your Flag» «Rock Of Life» «Dance With The Devil» «The
Brothers Were Right» «Stranded Floor» «Toms» «Break Of Dawn» «Gods
Of Rock» «Back For Good» «LifeRider» «Paradise» «Powerflight»
«Anyone Can Be A Hero»
The Quireboys
Samstag, pünktlich um 7o clock, war es time for a party! Die
Quireboys, die nun doch schon eine ganze Weile im Musikbusiness
dabei sind, betraten selbstsicher und motiviert die Bretter des
Brienzer Rockfestivals. Sänger und Mastermind Jonathan Spike Gray
begrüsste das Publikum persönlich mit einem Drink in der Hand, bevor
es dann auch musikalisch zur Sache ging. Der typische
Quireboys-Sound, bestehend aus RhythmnBlues beeinflusstem Hard Rock
zog Scharen ins Festzelt und liess die Menge innert kurzer Zeit
tanzen. Unter vielen BesucherInnen galt die Band bereits im Vorfeld
als Geheimfavorit. Für mich war der Auftritt der Quireboys ebenfalls
lang ersehnt, da ich die Truppe zuletzt als Vorband für GunsnRoses
auf ihrer Use your Illusion-Tour 1993 live gesehen hatte, bevor die
Band in der aufsteigenden Grunge-Welle unterging. Der Auftritt in
Brienz hatte bestimmt ein paar Zuschauer weniger als noch vor
zwanzig Jahren aber er war bestimmt doppelt so gut! Die Show der
Londoner war herausragend und musikalisch auf höchstem Niveau. Immer
wild, immer laut und dennoch angenehm in den Ohren, dröhnte der
Sound über eineinhalb Stunden über das Publikum hinweg. Klassiker
reihte sich an Klassiker und die Zeit verging wie im Flug. Die Reise
in die 90er Jahre endete schliesslich mit dem legendären Hit Sex
Party. Was der eine oder andere Besucher mit dieser Aufforderung
anfing sei dahingestellt und entzieht sich meiner Kenntnis. Für mich
waren die Quireboys die geheimen Headliner mit dem besten Auftritt
des Festivals.
Setliste: «Too Much» «Misled» «There She Goes
Again» «Roses & Rings» «This Is RocknRoll» «Whippin Boy» «I Dont
Love You Anymore» «Tramps & Thieves» «Hey You» «Searching»
«Beautiful Curse» «7O Clock» «Sweet Mary Ann» «Black Mariah» «Sex
Party»
Magnum Der Beginn von Magnum stand
nicht unter einem guten Stern. Beinahe eine Stunde später, anstatt
der geplanten 30 Minuten Unterbruch, betrat der Ansager die Bühne
mit dem Spruch, dass bei den älteren Herren wohl alles ein wenig
länger dauert. Trotz der Verspätung blieben die Magnum Anhänger in
den vorderen Reihen ruhig, bis Sänger und Mitbegründer Bob Catley
die Bühne betrat. Da gab es für sie kein Halten mehr. Die äussere
Erscheinung dieses Mannes, eine Mischung aus Hobbit und Fuchur dem
Glücksdrachen (nicht böse gemeint) haben mich zu Beginn ein wenig
schmunzeln lassen und ich habe ehrlich gesagt nicht sehr viel
erwartet. Dann aber diese Stimmgewalt! Mit bald 68 Jahren besitzt
Catley noch eine Stimme von der manche Jungmusiker nur träumen
können. Magnum hatten sichtlich Spass und spielten vermehrt mit dem
Publikum. Je mehr Titel die
Herren gespielt hatten umso besser kamen
sie in Fahrt. Musikalische Arrangements und die grossartige
technische Qualität der Band liessen Vergleiche mit Queen oder Meat
Loaf in mir aufkommen. Wenn man bedenkt, dass Magnum seit 1972
unterwegs sind dann ziehe ich meinen Hut! Catley und seine
Mitstreiter powerten sich so richtig aus und bliesen schweren Hard
Rock durchs Festzelt am Brienzersee. Gegen Ende des Konzerts ging
aber den Zuschauern ein wenig die Puste aus und es wollte nicht mehr
ganz so viel Stimmung aufkommen, da sich die Fangemeinde doch auch
schon im fortgeschrittenen Alter befindet. Der Sound der Briten ist
aber keineswegs in Vergessenheit geraten und ans Aufhören denken
Magnum noch lange nicht. Bob Catley hat zum Schluss angekündigt,
dass sie nächstes Jahr wieder in die Schweiz kommen wollen im Gepäck
das neue Album.
Setliste: «Live Til You Die» «Freedom Day»
«Dance Of The Black Tattoo» «Blood Red Laughter» «Unwritten
Sacrifice» «Jerusalem» «Les Morts Dansant» «Falling For The Big
Plan» «All Englands Eyes» «Vigilante» «Kingdom Of Madness» «The
Spirit» «Sacred Hour»
Dies waren die härteren Highlights des
diesjährigen Brienzersee Rockfestivals. Der Sonntag stand dann ganz
im Zeichen des Mundart Rock mit Span und Polo Hofer und heftigem
Regen. Diese Urgesteine haben sicherlich ganz schön Party gemacht,
passen aber definitiv nicht in einen Livebericht von Metal Factory.
Die Rockbands der letzten Tage haben die Stimmung dermassen
angeheizt, dass eine Abkühlung mehr als nötig und bei einigen
BesucherInnen sicher auch willkommen war. Die Organisatoren können
mit dem Anlass wirklich voll zufrieden sein und planen sicherlich
bereits am Programm des 29. Brienzersee Rockfestivals. Wir sehen und
hören uns im nächsten Jahr, wenn es wieder heisst: Heisser Rock, am
kühlen See!
|
|