Das Brienzersee Rockfestival, am oberen Ende des schönen
Brienzersees, steht ganz und gar für „heissen Rock, am kühlen See“.
In diesem Jahr durften sich Bands wie Quiet Riot oder The Darkness
dieser herrlichen Kulisse aussetzen. Im Vorfeld stand beinahe das
ganze Dorf im Einsatz, um diesen Event zu ermöglichen. Das Festzelt,
das ca. 4000 BesucherInnen fasst, war bereit Menschenmassen
aufzunehmen und in den nächsten drei Tagen mit musikalischer und
essbarer Feinkost zu verwöhnen. Freitag und Samstag war für laute
Gitarrenmusik reserviert und brachte das Publikum ins Schwitzen, der
Sonntag stand wie fast immer im Zeichen der Familie, mit deutlich
ruhigeren Klängen.
Dynamite
Den Freitagabend rockten die sympathischen Schweden von Dynamite. Um
19 Uhr legte das Quintett aus Växjö so richtig los. Die Truppe trat
mit enormer Spielfreude auf und schaffte es innert Kürze, mit ihrem
rotzig rauen Hard Rock, die Zuschauer vom Seeufer in das Festzelt zu
locken. Optisch sind die Herren in den 70-ern stehengeblieben und
mit ihrer Dynamite-Kutte, die jeder Band-Member trug, waren sie auch
optisch eine Einheit! Musikalisch bewegen sich die Jungs nahe an
AC/DC zu Bon Scotts Zeiten – powergeladener, explosiver Rock n Roll!
Die Stimme von Frontmann Mattis Karlsson ist rau und frech und
bildet mit dem rohen Sound eine perfekte musikalische Mischung.
Songs wie „Lock n`Load“, „Gone Wild“ oder „Wild, Wild Woman“ liessen
das Publikum abtanzen und verstreuten eine rockige Atmosphäre im
ganzen Festzelt. Unter frenetischem Applaus verliess die Band
schliesslich nach eineinhalb Stunden die Bühne. Sehr publikumsnah
zeigten sich die Schweden auch nach ihrem Gig, als sie alle
geschlossen am Merch-Stand auftauchten und mit Bier und guter Laune,
Foto- und Autogrammanfragen bewältigten.
Setliste: «Bulls
Eye» «Hail Rock n`Roll» «Work Hard For The Money» «Diamond Vagabond»
«Long Way Home» «Midnight Lady» «Dynamite» «Damn You Woman»
«Blackout Station» «Burn It Down» «Wild Wild Woman» «Streetfighting
Blues» «Ride Alone» «Talk Is Cheap» «Lock N`Load» «Wild And Untame»
«Stone Heart Rebel» «Gone Wild»
Eclipse
Gleich im Anschluss traten die Rocker von Eclipse, aus dem ebenfalls
schönen Schweden, sehr energiegeladen und überzeugend auf. Die
Stockholmer Kombo tat alles, um das Publikum auf ihre Seite zu
ziehen. Besonders Sänger Erik Mårtensson gab von Beginn an 100%.
Wirbelnd drehte er Runde für Runde auf der Bühne und schwang dabei
seinen tuchbehangenen Mikroständer durch die Luft. Jüngere, vor
allem
weibliche Fans füllten nun die vordersten Plätze am Gitter aus.
Showman und neuestes Mitglied Philip Crusner war sichtlich gut
aufgelegt und spielte gerne mit der Kamera der Fotografen, wenn er
nicht gerade damit beschäftigt war, die Felle seiner Drums auf
Übelste zu gerben. Während neunzig Minuten zeigten die Schweden ohne
zu schwächeln ihr ganzes Können und überzeugten musikalisch auf
ganzer Linie. Eclipse haben den Sprung von der Nachwuchshoffnung zum
etablierten Phänomen der Rockszene spätestens mit dem letzten Album
„Armageddonize“ geschafft. Energiegetrieben und unbändig rockend gab
ihre Musik allen, die meinten, Glam-Rock sei nur noch Nostalgie,
einen Denkzettel, der in die Beine fuhr. Am schönst gelegenen
Rockfestival der Schweiz waren sie nicht „Million Miles Away“,
sondern mitten unter dem Publikum.
Setliste: «I Don’t Wanna
Say I’m Sorry» «Caught Up In The Rush» «Wake Me Up» «The Storm»
«Battlegrounds» «Breakdown» «About To Break» «Million Miles Away»
«Blood Enemies» «Stand On Your Feet» «Love Bites» «To Mend A Broken
Heart» «Ain’t Dead Yet» «Bleed And Scream» «Runaways / Breaking My
Heart»
Quiet Riot
„Cum On Feel The Noize…“ war das Motto des ersten Abends am Brienzer
Rockfest! Niemand konnte diesen Slogan besser vertreten als die
Altrocker von Quiet Riot, die als erste Headliner des Festivals auf
dem Programm standen. Abgeklärt und sichtlich professionell zeigten
die Kalifornier, was sie in gut vierzig Jahren Bühnenerfahrung
gelernt und mit zwölf Studioalben geleistet haben. Der Auftritt von
Frankie Banali und Chuck Wright (schon seit 1982 bei der Band) und
dem Rest der Crew sorgte vorzugsweise beim älteren Publikum für
Begeisterung. Viele jüngere Besucher des Festivals kannten weder die
Band aus den USA noch die Songs dazu. Eigentlich kein Wunder, denn
ihr erfolgreichstes Album „Metal Health“, wurde bereits 1983
veröffentlicht. Die Singleauskoppelung „Cum On Feel The Noize“ - ein
Cover der Band Slade - erreichte die Top 5 der amerikanischen
Singlecharts und wurde ein Millionenseller, das Album „Metal Health“
landete auf Platz 1 der Billboard-Charts und gilt somit als erstes
Heavy-Metal-Album, das in Amerika die Nummer 1 erreichte. Die
Mischung aus Heavy- und Glam Metal liess das Festzelt in Brienz
erbeben und die noch vorhandenen Massen im Takt mitwippen. Die
ziemlich in die Jahre gekommenen Herren sorgten mit gezielten
Showeinlagen beim Publikum für Furore und auch in Sachen Kleidung
und Haarschnitt waren allesamt „real“ und überzeugend. Sie haben die
wilden Mähnen mit Herzblut geschüttelt, so gut es ihre Nacken eben
noch zuliessen. Mit „Cum On Feel The Noize“ beendeten sie
schliesslich um halb eins ihren nächtlichen Auftritt. Der Applaus
war Quiet Riot damit sicher.
The Darkness
Am zweiten Tag des Brienzer Rockfests hiess es feinsten Glam Rock
der Engländer von The Darkness zu geniessen. Ein sichtlich blendend
gelaunter Justin Hawkins betrat in alt bekannter Manier, Latexhosen
mit Monsterausschnitt die Bühne. Breit grinsend und sich mit
Zahnspange präsentierend legte er krachend mit „Black Shuck“ los.
Die restlichen Bandmitglieder bearbeiteten ebenfalls ihre
Instrumente nach aller Art der Kunst. Bassist Frankie Poullain
nutzte seinen Bass regelmässig als Tischplatte,
von wo er seine Plektrums gezielt ins wartende Publikum schnippte.
Gitarrist Dan Hawkins und Drummer Rufus Taylor blieben vermehrt im
Hintergrund, zumindest was die Showeinlagen betraf. Ansonsten
lieferten auch die beiden volles Rohr ab und machten diesen Abend zu
einem Darkness-Abend. Gerade in Brienz mag dies etwas heissen, denn
die Engländer spielten nach dem Lokalentertainer Trauffer, der im
Vorfeld für ein volles Zelt gesorgt hatte. Hawkins und Co. schaffte
es aber mit Leichtigkeit, die Massen zu begeistern und waren an
diesem Abend sicherlich zu Recht als Headliner gesetzt. Gerade die
auffällige Falsett-Stimme (Kopfstimme), die häufig bei ihrem Sound
als Stilmittel eingesetzt wird, kam gut zur Geltung und sorgte für
jede Menge Mitsing- und Tanzmöglichkeiten. Hits wie „Everybody Have
A Good Time“, „One Way Ticket“ oder „I Believe In A Thing Called
Love“ brachte das Zelt zum Kochen. Kopfschüttler hatten ebenso die
Gelegenheit sich auszudrücken wie auch die eher Verschmusten, die
bei „Love Is Only A Feeling“ ihre Liebsten in den Arm nehmen
konnten. Für mich waren The Darkness live eine Premiere und mit
Abstand der beste Gig des diesjährigen Festivals. Schade, dass sie
im Anschluss keine Zeit fanden, sich noch etwas unters Volk zu
mischen aber dennoch – die Show hallte noch lange nach!
Reckless Love
Nach einer kurzen Umbaupause standen schliesslich noch die smarten
Jungs von Reckless Love auf der Brienzerseebühne. Die Finnen zogen
nochmals, zumeist weibliche Fans aller Altersgruppen an die
Absperrgitter vor der Bühne, die bereits mit Plüschtieren aller Art
auf ihre(n) Liebling(e) warteten. Magnet und Aushängeschild der
Finnen ist Frontmann und Sänger Olli Herman. Dieser betrat dann auch
als letzter der Band, unter Gekreische die Bühne. Optisch
hergerichtet sah er aus, wie ein Vince Neil-Klon in jungen Jahren.
Überzeugend und energiegeladen nahm die Show ihren Anfang und die
ersten Songs heizten so richtig ein. Das Publikum war begeistert und
feierte ihre Helden frenetisch ab. Zwischenzeitlich kam aber dann
doch ein wenig das Gefühl auf, dass Band oder zumindest deren
Songauswahl für einen leichten Durchhänger sorgte. Poppige Songs im
Midtempo-Bereich konnten um Mitternacht nicht mehr restlos
überzeugen. Um dann nochmals Schwung in den Laden zu bringen, liess
Frontmann Oli Herman doch noch sein Jeans-Gilet fallen, was
sicherlich den weiblichen Zuschauerinnen einen Energieschub verlieh.
Sie schrien und warfen die mitgebrachten Kuscheltiere auf die Bühne,
was den Sänger kurzzeitig aus dem Rhythmus brachte. Die Zurufe
brachten aber auch Reckless Love erneut in Fahrt und sie powerten
sich schliesslich die letzte Viertelstunde nochmals richtig aus.
Songs wie „Beautiful Bomb“, „On the Radio“ oder ihr Superhit „Night
On Fire“ waren sicherlich einige der Highlights dieses Konzerts.
Sichtlich erwacht und in unermüdlicher Spiellaune, wurde ihnen aber
nach dem letzten Schlussakkord abrupt der Ton abgedreht und die
Verbeugung der Band fand mit Saallicht und leichten Umbauarbeiten im
Hintergrund statt. Wer schnell genug war, konnte den Sänger im
Anschluss noch auf der Strasse treffen. Allerdings musste man schon
zweimal hinschauen, da er die Spandexhosen und das Gilet bereits
gegen lockere Shorts und Shirt eingetauscht hatte.
Dies
waren zumindest die geräuschvolleren Highlights des Brienzersee
Rockfestivals. Die „Highlights“ die sonst noch geboten wurden, habe
ich getrost verschlafen, denn man kann ja bekanntlich nicht überall
sein. Ich bin mir sicher, dass Toni Vescoli auch ohne mein Beisein,
einen wunderschönen Tag am Brienzerrock erlebt hat. Nächstes Jahr
feiert das Brienzersee Rockfestival sein 30-jähriges Jubiläum und
soll Unkenrufen zur Folge, ganze vier Tage dauern. Man darf also
gespannt sein, welche Leckerbissen einen im August 2017 erwarten.
|
|