Livereview: Brienzersee Rockfestival 2016

05. - 07 August 2016, Brienz
Text & Pics by Oliver H.

Das Brienzersee Rockfestival, am oberen Ende des schönen Brienzersees, steht ganz und gar für „heissen Rock, am kühlen See“. In diesem Jahr durften sich Bands wie Quiet Riot oder The Darkness dieser herrlichen Kulisse aussetzen. Im Vorfeld stand beinahe das ganze Dorf im Einsatz, um diesen Event zu ermöglichen. Das Festzelt, das ca. 4000 BesucherInnen fasst, war bereit Menschenmassen aufzunehmen und in den nächsten drei Tagen mit musikalischer und essbarer Feinkost zu verwöhnen. Freitag und Samstag war für laute Gitarrenmusik reserviert und brachte das Publikum ins Schwitzen, der Sonntag stand wie fast immer im Zeichen der Familie, mit deutlich ruhigeren Klängen.

Dynamite

Den Freitagabend rockten die sympathischen Schweden von Dynamite. Um 19 Uhr legte das Quintett aus Växjö so richtig los. Die Truppe trat mit enormer Spielfreude auf und schaffte es innert Kürze, mit ihrem rotzig rauen Hard Rock, die Zuschauer vom Seeufer in das Festzelt zu locken. Optisch sind die Herren in den 70-ern stehengeblieben und mit ihrer Dynamite-Kutte, die jeder Band-Member trug, waren sie auch optisch eine Einheit! Musikalisch bewegen sich die Jungs nahe an AC/DC zu Bon Scotts Zeiten – powergeladener, explosiver Rock n Roll! Die Stimme von Frontmann Mattis Karlsson ist rau und frech und bildet mit dem rohen Sound eine perfekte musikalische Mischung. Songs wie „Lock n`Load“, „Gone Wild“ oder „Wild, Wild Woman“ liessen das Publikum abtanzen und verstreuten eine rockige Atmosphäre im ganzen Festzelt. Unter frenetischem Applaus verliess die Band schliesslich nach eineinhalb Stunden die Bühne. Sehr publikumsnah zeigten sich die Schweden auch nach ihrem Gig, als sie alle geschlossen am Merch-Stand auftauchten und mit Bier und guter Laune, Foto- und Autogrammanfragen bewältigten.

Setliste: «Bulls Eye» «Hail Rock n`Roll» «Work Hard For The Money» «Diamond Vagabond» «Long Way Home» «Midnight Lady» «Dynamite» «Damn You Woman» «Blackout Station» «Burn It Down» «Wild Wild Woman» «Streetfighting Blues» «Ride Alone» «Talk Is Cheap» «Lock N`Load» «Wild And Untame» «Stone Heart Rebel» «Gone Wild»


Eclipse
Gleich im Anschluss traten die Rocker von Eclipse, aus dem ebenfalls schönen Schweden, sehr energiegeladen und überzeugend auf. Die Stockholmer Kombo tat alles, um das Publikum auf ihre Seite zu ziehen. Besonders Sänger Erik Mårtensson gab von Beginn an 100%. Wirbelnd drehte er Runde für Runde auf der Bühne und schwang dabei seinen tuchbehangenen Mikroständer durch die Luft. Jüngere, vor allem weibliche Fans füllten nun die vordersten Plätze am Gitter aus. Showman und neuestes Mitglied Philip Crusner war sichtlich gut aufgelegt und spielte gerne mit der Kamera der Fotografen, wenn er nicht gerade damit beschäftigt war, die Felle seiner Drums auf Übelste zu gerben. Während neunzig Minuten zeigten die Schweden ohne zu schwächeln ihr ganzes Können und überzeugten musikalisch auf ganzer Linie. Eclipse haben den Sprung von der Nachwuchshoffnung zum etablierten Phänomen der Rockszene spätestens mit dem letzten Album „Armageddonize“ geschafft. Energiegetrieben und unbändig rockend gab ihre Musik allen, die meinten, Glam-Rock sei nur noch Nostalgie, einen Denkzettel, der in die Beine fuhr. Am schönst gelegenen Rockfestival der Schweiz waren sie nicht „Million Miles Away“, sondern mitten unter dem Publikum.

Setliste: «I Don’t Wanna Say I’m Sorry» «Caught Up In The Rush» «Wake Me Up» «The Storm» «Battlegrounds» «Breakdown» «About To Break» «Million Miles Away» «Blood Enemies» «Stand On Your Feet» «Love Bites» «To Mend A Broken Heart» «Ain’t Dead Yet» «Bleed And Scream» «Runaways / Breaking My Heart»


Quiet Riot
„Cum On Feel The Noize…“ war das Motto des ersten Abends am Brienzer Rockfest! Niemand konnte diesen Slogan besser vertreten als die Altrocker von Quiet Riot, die als erste Headliner des Festivals auf dem Programm standen. Abgeklärt und sichtlich professionell zeigten die Kalifornier, was sie in gut vierzig Jahren Bühnenerfahrung gelernt und mit zwölf Studioalben geleistet haben. Der Auftritt von Frankie Banali und Chuck Wright (schon seit 1982 bei der Band) und dem Rest der Crew sorgte vorzugsweise beim älteren Publikum für Begeisterung. Viele jüngere Besucher des Festivals kannten weder die Band aus den USA noch die Songs dazu. Eigentlich kein Wunder, denn ihr erfolgreichstes Album „Metal Health“, wurde bereits 1983 veröffentlicht. Die Singleauskoppelung „Cum On Feel The Noize“ - ein Cover der Band Slade - erreichte die Top 5 der amerikanischen Singlecharts und wurde ein Millionenseller, das Album „Metal Health“ landete auf Platz 1 der Billboard-Charts und gilt somit als erstes Heavy-Metal-Album, das in Amerika die Nummer 1 erreichte. Die Mischung aus Heavy- und Glam Metal liess das Festzelt in Brienz erbeben und die noch vorhandenen Massen im Takt mitwippen. Die ziemlich in die Jahre gekommenen Herren sorgten mit gezielten Showeinlagen beim Publikum für Furore und auch in Sachen Kleidung und Haarschnitt waren allesamt „real“ und überzeugend. Sie haben die wilden Mähnen mit Herzblut geschüttelt, so gut es ihre Nacken eben noch zuliessen. Mit „Cum On Feel The Noize“ beendeten sie schliesslich um halb eins ihren nächtlichen Auftritt. Der Applaus war Quiet Riot damit sicher.



The Darkness
Am zweiten Tag des Brienzer Rockfests hiess es feinsten Glam Rock der Engländer von The Darkness zu geniessen. Ein sichtlich blendend gelaunter Justin Hawkins betrat in alt bekannter Manier, Latexhosen mit Monsterausschnitt die Bühne. Breit grinsend und sich mit Zahnspange präsentierend legte er krachend mit „Black Shuck“ los. Die restlichen Bandmitglieder bearbeiteten ebenfalls ihre Instrumente nach aller Art der Kunst. Bassist Frankie Poullain nutzte seinen Bass regelmässig als Tischplatte, von wo er seine Plektrums gezielt ins wartende Publikum schnippte. Gitarrist Dan Hawkins und Drummer Rufus Taylor blieben vermehrt im Hintergrund, zumindest was die Showeinlagen betraf. Ansonsten lieferten auch die beiden volles Rohr ab und machten diesen Abend zu einem Darkness-Abend. Gerade in Brienz mag dies etwas heissen, denn die Engländer spielten nach dem Lokalentertainer Trauffer, der im Vorfeld für ein volles Zelt gesorgt hatte. Hawkins und Co. schaffte es aber mit Leichtigkeit, die Massen zu begeistern und waren an diesem Abend sicherlich zu Recht als Headliner gesetzt. Gerade die auffällige Falsett-Stimme (Kopfstimme), die häufig bei ihrem Sound als Stilmittel eingesetzt wird, kam gut zur Geltung und sorgte für jede Menge Mitsing- und Tanzmöglichkeiten. Hits wie „Everybody Have A Good Time“, „One Way Ticket“ oder „I Believe In A Thing Called Love“ brachte das Zelt zum Kochen. Kopfschüttler hatten ebenso die Gelegenheit sich auszudrücken wie auch die eher Verschmusten, die bei „Love Is Only A Feeling“ ihre Liebsten in den Arm nehmen konnten. Für mich waren The Darkness live eine Premiere und mit Abstand der beste Gig des diesjährigen Festivals. Schade, dass sie im Anschluss keine Zeit fanden, sich noch etwas unters Volk zu mischen aber dennoch – die Show hallte noch lange nach!


Reckless Love
Nach einer kurzen Umbaupause standen schliesslich noch die smarten Jungs von Reckless Love auf der Brienzerseebühne. Die Finnen zogen nochmals, zumeist weibliche Fans aller Altersgruppen an die Absperrgitter vor der Bühne, die bereits mit Plüschtieren aller Art auf ihre(n) Liebling(e) warteten. Magnet und Aushängeschild der Finnen ist Frontmann und Sänger Olli Herman. Dieser betrat dann auch als letzter der Band, unter Gekreische die Bühne. Optisch hergerichtet sah er aus, wie ein Vince Neil-Klon in jungen Jahren. Überzeugend und energiegeladen nahm die Show ihren Anfang und die ersten Songs heizten so richtig ein. Das Publikum war begeistert und feierte ihre Helden frenetisch ab. Zwischenzeitlich kam aber dann doch ein wenig das Gefühl auf, dass Band oder zumindest deren Songauswahl für einen leichten Durchhänger sorgte. Poppige Songs im Midtempo-Bereich konnten um Mitternacht nicht mehr restlos überzeugen. Um dann nochmals Schwung in den Laden zu bringen, liess Frontmann Oli Herman doch noch sein Jeans-Gilet fallen, was sicherlich den weiblichen Zuschauerinnen einen Energieschub verlieh. Sie schrien und warfen die mitgebrachten Kuscheltiere auf die Bühne, was den Sänger kurzzeitig aus dem Rhythmus brachte. Die Zurufe brachten aber auch Reckless Love erneut in Fahrt und sie powerten sich schliesslich die letzte Viertelstunde nochmals richtig aus. Songs wie „Beautiful Bomb“, „On the Radio“ oder ihr Superhit „Night On Fire“ waren sicherlich einige der Highlights dieses Konzerts. Sichtlich erwacht und in unermüdlicher Spiellaune, wurde ihnen aber nach dem letzten Schlussakkord abrupt der Ton abgedreht und die Verbeugung der Band fand mit Saallicht und leichten Umbauarbeiten im Hintergrund statt. Wer schnell genug war, konnte den Sänger im Anschluss noch auf der Strasse treffen. Allerdings musste man schon zweimal hinschauen, da er die Spandexhosen und das Gilet bereits gegen lockere Shorts und Shirt eingetauscht hatte.


Dies waren zumindest die geräuschvolleren Highlights des Brienzersee Rockfestivals. Die „Highlights“ die sonst noch geboten wurden, habe ich getrost verschlafen, denn man kann ja bekanntlich nicht überall sein. Ich bin mir sicher, dass Toni Vescoli auch ohne mein Beisein, einen wunderschönen Tag am Brienzerrock erlebt hat. Nächstes Jahr feiert das Brienzersee Rockfestival sein 30-jähriges Jubiläum und soll Unkenrufen zur Folge, ganze vier Tage dauern. Man darf also gespannt sein, welche Leckerbissen einen im August 2017 erwarten.