Livereview: Brienzersee Rockfestival 2017

03. & 04. August 2017, Brienz
Text & Pics by Oliver H.

Die diesjährige Brienzersee Rockfestival-Ausgabe war eine besondere. Bereits seit drei Jahrzehnten steht das Festival am oberen Ende des Brienzersees für „heissen Rock, am kühlen See“. In diesem Jahr durfte man mit Bands wie Pretty Maids oder The Sweet feiern.

The Sweet

Den Donnerstagabend rockten die alten Herren von The Sweet. Bereits um 21:00 anstatt um 23:00 Uhr legte das Quartett aus England auf der Brienzer Seebühne los. Ein zwei schnellere Nummern zu Beginn, um das vorwiegend ältere Publikum in Stimmung zu bringen. Nach 50 Jahren im Business und unzähligen produzierten Alben, konnte die Band aus den Vollen schöpfen. Gerade die älteren Semester schienen die Songs bestens zu kennen und sangen lautstark mit. Was sie sich natürlich auch nicht nehmen liessen, war das altbekannte Schlagzeugsolo. Gut zwei Minuten knüppelte Bruce Bisland auf seinen Fellen herum und demonstrierte eindrucksvoll, dass auch faltige Männer noch lange keinen Krückstock brauchen. Das jüngere Publikum hatte zumeist nur Fragezeichen ins Gesicht geschrieben. Die Herren lieferten auf der Bühne eine tadellose Show ab und sie wirkten auch gegen Ende des Gigs nicht wirklich müde. Mit zunehmendem Showverlauf kamen dann schliesslich auch noch die hierzulande radiotauglichen Hits wie „Teenage Rampage“, „Fox On The Run“ oder „Blockbuster“ zum Zug. Da erhellten sich sogar die Gesichter der jüngeren Generation, da sie feststellten, dass sie den einen oder anderen Song von The Sweet ja doch noch kennen. Beim ultimativen Schlusssong „Ballroom Blitz“ wurde das Zelt nochmals heftig durchgeschüttelt und alle Anwesenden schwangen richtig das Tanzbein. Unter frenetischem Jubel, liess sich der Vierer schliesslich noch eine Runde feiern, da es wohl der letzte Auftritt ihrer Karriere in der Schweiz gewesen ist. The Sweet sind momentan auf Abschiedstournee und machten dafür auch noch einmal in Brienz Halt. Falls dieser Abend nun definitiv einen Schritt in ihren Ruhestand bedeutet, so haben ihn die Musiker absolut verdient. Chapeau, vor so einer langen Karriere und dennoch so viel Spielfreude!

Setliste: «Action» «New York Groove» «Hellraiser» «Six Teens» «Peppermint Twist» «ACDC» «Lost Angels» «Coco/Funny/Joe» «Teenage Rampage» «Wig Wam» «Little Willy» «Love Is Like Oxygen» «Fox On The Run» «Blockbuster» «Ballroom Blitz»


Hells Belles
Gleich im Anschluss folgte die wohl bekannteste weibliche AC/DC-Coverband Hells Belles. Auf ihren Auftritt habe ich mich besonders gefreut, da AC/DC, ob Cover oder Original, auf einer solchen Fete doch immer passt. Leider folgte der Freude schnell Ernüchterung, denn nachdem die Band eine gute Viertelstunde zu spät auf die Bühne kam, klang es nicht wirklich einladend. Die fünf Girls wirkten alles andere als sicher auf der Bühne. Nach fast jedem Song wurde im Ordner am Bühnenrand geblättert, um die richtigen Noten oder der passende Text zum Stück zu finden. Die Ansagen der Sängerin wirkten peinlich und wenig überzeugend. Die Stimmung beim Publikum war ganz von deren Alkoholpegel abhängig. Je mehr intus desto besser war die Show, je nüchterner, desto enttäuschender war der ganze Auftritt. Diverse AC/DC Fans regten sich lautstark über die Performance der fünf Girls auf und waren der Meinung, dass diese eher hätten zahlen müssen, als für diese Scheisse noch Gage zu beziehen. Mehr schlecht als recht zogen die Mädels ihr Programm durch, wobei sie auch noch den ZZ Top-Klassiker „Gimme All Your Loving“ mit verheerendem Texthänger total verhunzten. Ein Gemisch aus Jubel- und Buh-Rufen begleitete schliesslich die Hells Belles, als sie eine knappe halbe Stunde vor dem offiziellen Schluss verkündeten, dass sie nun ihren letzten Song spielen werden. Musik kam dann auch keine mehr, nur noch ein langweiliges Geplänkel mit einem Fan auf der Bühne, der sich noch als der „falsche“ Fan herausstellte und währenddessen lief das Publikum in Scharen davon. Da hätte man doch eher auf die einheimische Coverband von „Whole Lotta DC“ setzen sollen. Da wären alle, ob betrunken oder nicht, auf ihre Kosten gekommen. Habe fertig!


Quireboys
Freitag um 19:00 Uhr hiess es wieder einmal mehr: „Please welcome, the Quireboys!“ Spike und seine Truppe sind Wiederholungstäter und bereits zum zweiten Mal am Rockfest in Brienz vertreten. Der typische Quireboys-Sound, bestehend aus Rhythm’n’Blues beeinflusstem Hard Rock zog erneut Scharen ins Festzelt und liess die Menge innert kurzer Zeit tanzen. Zu tanzen wusste auch der Frontmann, der wie immer Mikroständer hoch in die Luft schwingt und ihn dann wieder an sich zieht. Zwischendurch ein Spässchen mit dem Publikum aber dann sofort wieder zurück zum Sound. Trotz gut gelaunter Band und vielen Zuschauern, hatte ich dennoch das Gefühl, dass die Jungs auch schon einen besseren Tag gehabt hatten. Die Show der Londoner war zweifellos gut aber vermochte an diesem Tag nicht richtig zu zünden. Obwohl sie viele Klassiker wie „7’o clock“ oder „Sex Party“ zum Besten gaben, waren im Set doch zu viele neue Titel vertreten, die etliche im Zelt nicht kannten. Die Zuschauer blieben zwar vor der Bühne stehen und hörten zu aber bis zum totalen Durchdrehen fehlte noch eine Menge. Vielleicht lag es auch noch ein wenig am strahlend schönen Wetter, das das Publikum vom Zelt weg nach draussen an den See lockte. Die Musik war am „Beach“ noch perfekt zu hören. Was wollte man mehr. Die Reise in die 90er Jahre endete schliesslich nach gut eineinhalb Stunden und Spike und seine Quireboys schienen mit ihrem Auftritt ganz zufrieden. Die Zuschauer nutzten die Gelegenheit um Biernachschub zu beschaffen und warteten schon ziemlich gespannt auf die Show von Hardline, die gleich im Anschluss folgte.


Hardline
Als das Licht anging und ein erster Schrei ertönte war vielen Zuschauern klar: „Wow… was für eine Wahnsinnsstimme.“ Und diese gehörte niemand geringerem als Sänger Johnny Gioeli. Er ist noch einziges verbliebenes Gründungsmitglied der US-amerikanischen Hardrockband Hardline. Ihr Opener „Where Will We Go From Home“ vom neuen Album „Human Nature“ war ein waschechter Gassenhauer, der die Zuschauer von Beginn weg mitriss. Schlag auf Schlag ging es so weiter und Hits wie „Taking Me Down“ oder „Doctor Love“ vom Erfolgsalbum „Double Eclipse“ von 1992 brachten die vorderen Reihen beinahe zum Durchdrehen. Die Fans feierten in bester Manier und die Band wurde so richtig gefeiert. Ob es an der Hitze, zu viel Alkohol oder der Songauswahl lag liess sich nicht feststellen, doch irgendwann zur Mitte des Konzerts hin, machten sich Ermüdungserscheinungen beim Publikum bemerkbar. Auch Hardline wirkten nicht mehr ganz so frisch und es schien, als hätten die Amis ihr bestes Pulver gleich zu Beginn verschossen und müssten jetzt auf zweitklassige Songs zurückgreifen. Fakt ist, die Truppe blieb bis zum Schluss spielfreudig und versuchte die Menge bei Laune zu halten. Wahre Fans klebten von der ersten Minute an am Absperrgitter vor der Bühne und dort waren sie auch noch, als der Gig sich langsam aber sicher dem Ende hin zuneigte. Beim letzten Track zogen Gioeli & Co. nochmals alle Register und bliesen ein sagenhaftes „Rhythm From A Red Car“ in den lauen Nachthimmel hinaus. Damit entliessen sie die Menge zufrieden in die Pause bevor deren Ohren nochmals von Pretty Maids massiert wurden.

Setliste: «Where Will We Go From Home» «Taking Me Down» «Doctor Love» «Human Nature» «Love Is Gonna Take You Home» «Trapped In Muddy Waters» «Drum Solo» «Life’s A Bitch» «Fever Dreams» «Hands Of Time» «Everythings» «Hot Cherie» «I’ll Be There» «Rhythm From A Red Car»


Pretty Maids
Als letzte Gruppe dieses Tages stand die 1981 gegründete Formation Pretty Maids auf der Bühne des Brienzersee Rockfestivals. Ronnie Atkins und Ken Hammer zeigten sich in Bestform und zogen nochmals die Leute vom See ins Festzelt. Allerdings war es auch hier vorwiegend die ältere Generation, die sich um 23:00 Uhr erneut aufrappelte. Die Dänen, deren Hardrock sich hauptsächlich im Midtempo-Bereich aufhält, fanden bei den jüngeren Zuschauern nicht die gewünschte Resonanz. Da das Publikum vor Ort aber zuhauf aus Ü-30ern besteht, bekamen dies die „Hübschen Mädels“ kaum mit und zogen ihren Gig überzeugend durch. Eher mit sanften Tönen beginnend, fanden die „Maids“ immer mehr zu ihrer Form und mit „Red, Hot And Heavy“ oder der darauffolgenden Nummer „Yellow Rain“ liessen sie rockige Kracher vom Stapel, sodass jene die noch über lange Haare verfügten, diese auch kreisen lassen konnten. Danach wurde es über die verbleibende Zeit ruhiger und die Menge hatte nur noch selten Gelegenheit richtig abzugehen. Mitwippen und dazwischen immer einen gepflegten Schluck Bier zu sich zu nehmen wurde zur Tagesordnung, während Atkins sich mehrheitlich an den älteren Songs ihrer Karriere zu schaffen machte. Ehrlich gesagt hatte ich mich auf die Pretty Maids gefreut, denn als ich Ronnie zusammen mit Avantasia sah, war dies bombastisch. Hier in Brienz vermochte er und eine Truppe mich nicht vollends zu überzeugen. Allerdings war dies auch nicht die Aufgabe der Band, denn am Schlussapplaus zu entnehmen, waren die meisten Zuschauer mit der Leistung der Dänen zufrieden. Mehr noch… sie forderten sogar noch eine Zugabe, die ihnen aber verwehrt blieb. Die Zeit war um und hinter der Bühne wartete die Kiss Forever Band, die den Tagesabschluss machen durfte… jedoch ohne mich.

Setliste: «Mother Of All Lies» «Kingmaker» «Heavens Little Devil» «Red Hot And Heavy» «Yellow Rain» «Rodeo» «Walk Away» «Pandemonium» «I.N.V.U» «Bulls Eye» «Little Drops Of Heaven» «Back To Back» «Future World» «Love Games»

Dies waren die rockigen Zutaten des 30. Brienzersee Rockfestivals. Die weiteren beiden Tage standen ganz im Zeichen des Mundart Rock und für ein Jubiläum aus meiner Sicht etwas dürftig. Um das Ganze aber noch ein wenig abzurunden und zu einem guten Abschluss zu bringen, feierten einige noch ordentlich am Stand unserer Kollegen von „Souls Of Rock“ mit aufblasbarer E-Gitarre zu geballter Ladung Hair-Metal.