Livereview: Brienzersee Rockfestival 2018

03. & 04. August 2018, Brienz
Text & Pics by Oliver H.

Die diesjährige Brienzersee Rockfestival-Ausgabe teilte sich die Schweiz wieder einmal mehr mit Schweden. Eine Kombination die in den vergangenen Jahren immer gut funktioniert hat und vom Publikum gerne gesehen war. Auffällig war in diesem Jahr, dass man bei den Headlinern nicht wie in den Vorjahren, hauptsächlich auf „alte Hasen“ im Geschäft gesetzt hat, sondern vermehrt die jungen Wilden zur besten Zeit lärmen liess. Zugegeben, einige davon sind auch nicht mehr ganz taufrisch, rocken aber so ordentlich, dass es auch das junge Publikum zu begeistern vermochte. Dies sicher eine Intervention, die beim Grossteil des Publikums gut ankam und auch künftig ein cleveres Konzept sein dürfte. So konnten sich in diesem Jahr Hardcore Superstar und Shakra die Klinke in die Hand geben.

Thundermother
Mein Freitagabend startete mit dem schwedischen Female-Quartett von Thundermother. Die Band die 2009 ursprünglich als Fünfer startete, 2017 auf einen Schlag zur Solonummer mutierte und dank der Disziplin und dem Durchhaltewillen von Gründerin und Gitarristin Filippa Nässil wieder wie ein Phönix der Asche entstieg, rockten die Bühne des Brienzersee Rockfestivals ganz gewaltig. Bei mehr als 30 Grad im Festzelt heulten die Gitarren und krachten die Drums der Ladies aus dem hohen Norden. Dem Publikum lief nur vom Rumstehen der Schweiss in Bächen übers Gesicht, während Frontröhre Guernica Mancini noch relativ frisch aussah. Dies war allerdings nur von kurzer Dauer, denn schon nach ein paar Songs nervte sie sich über ihre langen blonden Haare, die lästig unter den Achseln klebten. Ihre Show war kein Feuerwerk an Spezialeffekten dafür umso mehr musikalischer Natur. Ihr dreckiger Rock‘n‘Roll drückte ganz gewaltig ab und liess das Publikum trotz der Hitze abgehen. Beim Ausflug Nässils ins Publikum, hatten die Schwedinnen die Trümpfe in der Hand. Viele Zuschauer wollten ein Foto, filmten die Aktion oder ergänzten ihr Gitarrenspiel mit mehr oder weniger gekonnten Luftgitarreneinlagen. Während gut 90 Minuten durften sich die Ladies am Equipment so richtig austoben und fanden dazwischen immer wieder rühmende Worte für die grandiose Location. Nach dem offiziellen Teil wurden Fans auf die Bühne geholt, die beim finalen Schlusssong mitrocken durften. Dies geschah mit mehr oder weniger Geschick der Protagonistinnen und wer nach dem letzten Akkord noch immer nicht genug Thundermother hatte, durfte sich noch mit den Girls bei einem Bad im Brienzersee vergnügen. Zumindest drei von ihnen stiegen nämlich nach ihrem schweisstreibenden Konzert und zu den Klängen ihrer Landsmänner von Eclipse ins kühle Nass.

Setliste: «Whatever» «Cheers» «Revival» «Racing On Mainstreet» «Survival Song» «Hellevator» «Hanging» «Tease» «Follow» «Rip Your Heart Out» «Deal With The Devil» «Quitter» «FFWF» «Fire In The Rain» «Gimme Some Lights» «Thunderous» «We Fight For Rock‘n‘Roll»


Eclipse
Nach rotzigem Schweinerock durften sich die Melodic-Hard Rocker von Eclipse die Ehre geben. Der Vierer um Frontmann Erik Martensson hat in den letzten Jahren eine enorme Entwicklung und Reife an den Tag gelegt und gehört momentan zum Besten, was dieses Genre zu bieten hat. Dies beinhaltet ebenfalls die Livequalitäten des Quartetts. So nicht anders am diesjährigen Rockfestival in Brienz. Die vorderen Reihen gehörten den Girls oder auch den schon etwas älteren Ladies, die teilweise in Eclipse Fan-Kutten am Absperrgitter warteten. Um 21 Uhr war es dann endlich soweit und die Band stürmte die Bühne. Bereits von Anfang an machte die Truppe gehörig Dampf im Kessel, was dem Publikum gefiel. Für Gitarrist Magnus Henriksson war der Einstieg ins Set allerdings nicht so prickelnd, da er mit der voreingestellten Höhe seines Mikroständers nicht einverstanden war. Als der sich schliesslich auch noch weigerte auf der neu eingestellten Stufe zu verharren, wurde er kurzerhand in einem kleinen Anflug von Wut auf dem Boden zerlegt. Dieses Malheur konnte aber innert Kürze korrigiert werden, sodass auch Mister Henriksson Spass am Auftritt entwickeln konnte. Sie wurden von der Menge richtig gefeiert und die Stimmung war so grossartig, dass sie zu den heimlichen Headlinern des Abends mutierten. Hardcore Superstar wurde jedenfalls im Anschluss keine solche Megastimmung zu teil. Mit viel Witz und Charme erfüllten die vier ihre Aufgabe bravurös und auch nach der regulären Spielzeit schienen Band und Publikum noch nicht genug zu haben. Sänger Martensson hatte allem Anschein noch Kraftreserven, denn er sprang noch fast wie zu Beginn auf der Bühne hin und her und auch die Zuschauer wurden kaum leiser. Nebst ihren Alben „Bleed And Scream“ (2012) und „Armageddonize“ (2015) präsentierten sie ihr aktuelles Werk „Monumentum“ dem Brienzer Publikum. Wer sich nicht gerade die Füsse im See kühlte oder seinen Rausch auf dem Gelände ausschlief, der durfte wieder einmal mehr einen erstklassigen Gig von Eclipse erleben. Im Anschluss folgten noch die hochangepriesenen und etwas durchgeknallten Schweden von Hardcore Superstar.

Setliste: «Vertigo» «Bleed And Scream» «The Storm» «Wake Me Up» «Jaded» «Hurt» «To Mend A Broken Heart» «Drum Solo» «Acoustic Downfall Of Eden» «Black Rain» «Instrumental» «Blood Enemies» «Stand On Your Feet» «I Don’t Wanna/Never/Runaways»


Hardcore Superstar
Der Höhepunkt am Freitag sollten die Köttbullar-Jungs von Hardcore Superstar sein. Das Publikum war warm gelaufen, nicht nur wegen des fantastischen Wetters und erwartete nun auf testosteronstrotzenden Hard Rock im Stile von den Backyard Babies. Seit 1997 mischen Hardcore Superstar bereits in dieser Liga mit, wobei die ersten Jahre viele noch nicht mitbekommen haben. Das Quartett selbst bezeichnet ihren Sound als Street Metal, eine Mischung aus Thrash Metal und Sleaze Rock, wobei der Thrash meiner Ansicht nach einen minimalen Anteil ausmacht. Egal, denn die Jungs starteten sehr motiviert und gerade der Sänger Joakim „Jocke“ Berg sowie Gitarrist Vic Zino schienen bereits in den ersten Minuten ihr ganzes Energiepotential zu verschleudern. Weit gefehlt, denn in Sachen Bewegung hielt die Truppe bis zum Schluss durch. Beim Publikum sah es indessen ein wenig anders aus. Was zu Beginn noch das Festzelt am See rockte, verkam im Verlauf des Gigs zu einer überschaubaren Menge an HS-Fans. Die ersten Reihen waren wie an solchen Konzerten schon fast üblich, fest in weiblicher Hand. Zeitweise die Band anschmachtend, dann wieder Haare schüttelnd – ein guter Mix. Dahinter die balzende Männerschar, die den Biervorrat des Tages aus ihren Körpern herausschwitzte. Während der ersten Viertelstunde gab es gehörig Schmackes auf die Ohren, was bei dieser Hitze und der Uhrzeit auch von Nöten war, damit das Publikum am Ball bleibt. Zwischenzeitlich gab es auch eher schleppende Nummern zu hören, die sich irgendwie negativ auf das „Klima“ auswirkten, denn von da an wurde es vor der Bühne immer ruhiger und die Reihen lichter. Viele pilgerten nach draussen an den See, der auch um Mitternacht noch sehr einladend zum Baden war und lauschten von dort aus den Klängen der Hardcore Superstars, die unermüdlich ihre Show ablieferten. Ob es an der Soundauswahl der Schweden lag oder am heimischen Publikum sei dahingestellt aber an die Show und Intensität von Eclipse kam die Truppe an diesem Abend nicht heran. So war es dann um 00:30 Uhr auch des einen Freud und des andern Leid, als das Quartett definitiv den Stecker zog und in die Dunkelheit der Nacht entschwand.

Setliste: «Kick On The Upperclass» «Electric» «Dreamin‘ In A Casket» «Liberation» «Wildboys» «Touch The Sky» «Last Call For Alcohol» «Bring House» «Someone Special» «Have Percy» «Moonshine» «Sundays» «Above The Law»






Shakra
Einen Tag später, nicht weniger heiss als sein Vorgänger, wurden die Emmentaler Rocker von Shakra auf die Bühne gebeten. Pünktlich um 19:00 Uhr betraten sie ihren Arbeitsplatz im beschaulichen Brienz im Berner Oberland. Ihr Ruf eilt ihnen seit dem 2016er Album „High Noon“ stets voraus und somit war das Zelt bereits um diese Uhrzeit gut gefüllt. Der Opener „Cassandra’s Curse“ war zum Einsteigen nicht gerade der Kracher, den ich mir gewünscht hätte aber den Leuten gefiel es. Sie gingen vom ersten Ton an richtig ab und auch die Band schien diese Energie zu spüren. Hit an Hit reihten die Schweizer Hardrock Urgesteine und auch vom neuen Werk „Snakes & Ladders“ (der Name fürs „Leiterlispiel“ im englischsprachigen Raum) hatten sie reichlich Material im Gepäck. Was ich als schon fast als Shakra-untypisch empfand, war das Ausbleiben der grossen Balladen. Gerade mal zwei langsame Titel fanden den Weg in die Setliste des Abends. Dies spielte aber keine Rolle, denn zum Slow-Tanzen wäre es unter dem Zeltdach eindeutig zu heiss gewesen und die Paare wären reihenweise umgekippt. So liess sich unter gelegentlicher Bierdusche und ordentlichem Headbanging richtig gut Party feiern. Für die anschliessenden Showacts bedeutete dies ein steiniger Weg und gehörig viel Arbeit. Mark Fox war wie so oft ziemlich gut aufgelegt und hatte immer den einen oder anderen Spruch für seine Fans auf Lager. Wichtiger war aber natürlich seine Reibeisenstimme und die leistete wieder einiges. Rau und mit viel Ausdruck sang er die Stücke der Emmentaler und es wurde bis in die hintersten Reihen klar, warum Fox und Shakra einfach zusammen gehören. Eine Wucht, die es erstmal zu toppen gilt. Fans der wohl ersten Stunde klebten von der ersten Minute an am Absperrgitter und dort waren sie auch noch, als der Gig sich langsam aber sicher dem Ende hin zuneigte. Fakt war nach eineinhalb Stunden knackigem Hardrock von Tom Blunier und Co. - 12 Felder vorwärts für Shakra und „Snakes & Ladders“.


CoreLeoni
Den erwähnenswerten Abschluss des Tages durften die Herren von CoreLeoni übernehmen. Vor 25 Jahren bereits mit Steve Lee, die in hohem Masse gefeierten Gotthard gegründet, seit 2017 mit seinem neuen Projekt unterwegs – Leo Leoni und seine CoreLeoni. Leoni ist bereit für eine neue musikalische Schaffensphase und dies wollte er auch in Brienz unter Beweis stellen. Fairerweise muss man an dieser Stelle auch erwähnen, dass sich die Kombo mit neuem Material noch nicht wirklich beweisen konnte, da es sich bei den Songs, abgesehen von „Walk On Water“ um neu eingespielte Gotthard-Songs handelt. Alles schnurz, denn der Erfolg des Fünfers gibt ihnen Recht und zeigt, dass Leo Leoni auch nach Jahren im Business noch immer den richtigen Riecher hat. Das Zelt war brechend voll und das Banner der Band so gross, dass es nicht einmal vollständig im Hintergrund aufgehängt werden konnte. Ronnie Romero, bekannt als Shouter bei Lords Of Black und auch bei Rainbow, liess seine Stimmgewalt ertönen und mit dem knüppelharten Sound der restlichen Mitstreiter liessen die Herren von Anfang an keine Zweifel über ihr musikalisches Können aufkommen. Vom ersten Moment an die Menge fest im Griff, sogar wenn zumindest dem jüngeren Publikum die meisten Songs wohl nicht sehr geläufig waren, da es sich beim aktuellen Repertoire meist um Stücke aus der Anfangsära von Gotthard handelt. Zugegeben, mir erging es nicht viel anders, denn bis zu ihrem Hit „Mountain Mama“ hatte ich weder von Gotthard gehört, noch haben sie mich interessiert. Man merkte immer extrem schnell, wann der „Hitfaktor“ zuschlug und so gab es bei bekannten Titeln aus Radio und Fernsehen wie „Anytime Anywhere“ und „Mountain Mama“ für die Menge kein Halten mehr. Es wurde gegrölt, gejohlt, gesungen und sogar echte Feuerzeuge wurden in stimmungsvollen Momenten gezückt und in Szene gesetzt. Für meinen Geschmack war die Vorstellung der Band und die Gitarrensoli-Session der einzelnen Musiker wieder viel zu lang, denn dass sie ihr Handwerk verstehen, das wissen wir ja bereits. Gerne hätten sie währenddessen noch zwei weitere Klassiker raushauen dürfen aber eben. Alles in allem ein gelungener Gig, vor einem Publikum das bis dahin brav der Hitze getrotzt und standhaft durchgerockt hat.

Setliste: «Higher» «Standing In The Light» «Downtown» «Fist In Your Face» «Walk On Water» «Firedance» «Get It While You Can» «All I Care For You» «Let It Be» «In The Name» «Tell No Lies» «Make My Day» «Mountain Mama» «She Goes Down» «Whammy Moto» «Ride On» «Here Comes The Heat» «Immigrant Song» «Anytime Anywhere»

Dies die Highlights des 31. Brienzersee Rockfestivals. Der Sonntag stand wieder ganz im Zeichen der Mundart-Künstler wie Stiller Has oder Sandee. Wer bis dahin noch immer nicht genug See, Hitze und Bier getankt hatte, konnte sich auch damit den Tag um die Ohren schlagen. Für mich war am Samstag nach CoreLeoni definitiv Schicht im Schacht und ich lauschte der Sonntagsandacht nur noch aus der Ferne.