Die diesjährige Brienzersee Rockfestival-Ausgabe teilte sich die
Schweiz wieder einmal mehr mit Schweden. Eine Kombination die in den
vergangenen Jahren immer gut funktioniert hat und vom Publikum gerne
gesehen war. Auffällig war in diesem Jahr, dass man bei den
Headlinern nicht wie in den Vorjahren, hauptsächlich auf „alte
Hasen“ im Geschäft gesetzt hat, sondern vermehrt die jungen Wilden
zur besten Zeit lärmen liess. Zugegeben, einige davon sind auch
nicht mehr ganz taufrisch, rocken aber so ordentlich, dass es auch
das junge Publikum zu begeistern vermochte. Dies sicher eine
Intervention, die beim Grossteil des Publikums gut ankam und auch
künftig ein cleveres Konzept sein dürfte. So konnten sich in diesem
Jahr Hardcore Superstar und Shakra die Klinke in die Hand geben.
Thundermother
Mein Freitagabend startete mit dem schwedischen Female-Quartett von
Thundermother. Die Band die 2009 ursprünglich als Fünfer startete,
2017 auf einen Schlag zur Solonummer mutierte und dank der Disziplin
und dem Durchhaltewillen von Gründerin und Gitarristin Filippa
Nässil wieder wie ein Phönix der Asche entstieg, rockten die Bühne
des Brienzersee Rockfestivals ganz gewaltig. Bei mehr als 30 Grad im
Festzelt heulten die Gitarren und krachten die Drums der Ladies aus
dem hohen Norden. Dem Publikum lief nur vom Rumstehen der Schweiss
in Bächen übers Gesicht, während Frontröhre Guernica Mancini noch
relativ frisch aussah. Dies war allerdings nur von kurzer Dauer,
denn schon nach ein paar Songs nervte sie sich über ihre langen
blonden Haare, die lästig unter den Achseln klebten. Ihre Show war
kein Feuerwerk
an Spezialeffekten dafür umso mehr musikalischer Natur. Ihr
dreckiger Rock‘n‘Roll drückte ganz gewaltig ab und liess das
Publikum trotz der Hitze abgehen. Beim Ausflug Nässils ins Publikum,
hatten die Schwedinnen die Trümpfe in der Hand. Viele Zuschauer
wollten ein Foto, filmten die Aktion oder ergänzten ihr
Gitarrenspiel mit mehr oder weniger gekonnten Luftgitarreneinlagen.
Während gut 90 Minuten durften sich die Ladies am Equipment so
richtig austoben und fanden dazwischen immer wieder rühmende Worte
für die grandiose Location. Nach dem offiziellen Teil wurden Fans
auf die Bühne geholt, die beim finalen Schlusssong mitrocken
durften. Dies geschah mit mehr oder weniger Geschick der
Protagonistinnen und wer nach dem letzten Akkord noch immer nicht
genug Thundermother hatte, durfte sich noch mit den Girls bei einem
Bad im Brienzersee vergnügen. Zumindest drei von ihnen stiegen
nämlich nach ihrem schweisstreibenden Konzert und zu den Klängen
ihrer Landsmänner von Eclipse ins kühle Nass.
Setliste:
«Whatever» «Cheers» «Revival» «Racing On Mainstreet» «Survival Song»
«Hellevator» «Hanging» «Tease» «Follow» «Rip Your Heart Out» «Deal
With The Devil» «Quitter» «FFWF» «Fire In The Rain» «Gimme Some
Lights» «Thunderous» «We Fight For Rock‘n‘Roll»
Eclipse
Nach rotzigem Schweinerock durften sich die Melodic-Hard Rocker von
Eclipse die Ehre geben. Der Vierer um Frontmann Erik Martensson hat
in den letzten Jahren eine enorme Entwicklung und Reife an den Tag
gelegt und gehört momentan zum Besten, was dieses Genre zu bieten
hat. Dies beinhaltet ebenfalls die Livequalitäten des Quartetts. So
nicht anders am diesjährigen Rockfestival in Brienz. Die vorderen
Reihen gehörten den Girls oder auch den schon etwas älteren Ladies,
die teilweise in Eclipse Fan-Kutten am Absperrgitter warteten. Um 21
Uhr war es dann endlich soweit und die Band stürmte die Bühne.
Bereits von Anfang an machte die Truppe gehörig Dampf im Kessel, was
dem Publikum gefiel. Für Gitarrist Magnus Henriksson war der
Einstieg ins Set allerdings nicht so prickelnd, da er mit der
voreingestellten Höhe seines Mikroständers nicht einverstanden war.
Als der sich schliesslich auch noch weigerte auf der neu
eingestellten Stufe zu verharren, wurde er kurzerhand in einem
kleinen Anflug von Wut auf dem Boden zerlegt. Dieses Malheur konnte
aber innert Kürze korrigiert werden, sodass auch Mister Henriksson
Spass am Auftritt entwickeln konnte. Sie wurden von der Menge
richtig gefeiert und die Stimmung war so grossartig, dass sie zu den
heimlichen Headlinern des Abends mutierten. Hardcore Superstar wurde
jedenfalls im Anschluss keine solche Megastimmung zu teil. Mit viel
Witz und Charme erfüllten die vier ihre Aufgabe bravurös und auch
nach der regulären Spielzeit schienen Band und Publikum noch nicht
genug
zu haben. Sänger Martensson hatte allem Anschein noch Kraftreserven,
denn er sprang noch fast wie zu Beginn auf der Bühne hin und her und
auch die Zuschauer wurden kaum leiser. Nebst ihren Alben „Bleed And
Scream“ (2012) und „Armageddonize“ (2015) präsentierten sie ihr
aktuelles Werk „Monumentum“ dem Brienzer Publikum. Wer sich nicht
gerade die Füsse im See kühlte oder seinen Rausch auf dem Gelände
ausschlief, der durfte wieder einmal mehr einen erstklassigen Gig
von Eclipse erleben. Im Anschluss folgten noch die hochangepriesenen
und etwas durchgeknallten Schweden von Hardcore Superstar.
Setliste: «Vertigo» «Bleed And Scream» «The Storm» «Wake Me Up»
«Jaded» «Hurt» «To Mend A Broken Heart» «Drum Solo» «Acoustic
Downfall Of Eden» «Black Rain» «Instrumental» «Blood Enemies» «Stand
On Your Feet» «I Don’t Wanna/Never/Runaways»
Hardcore Superstar
Der Höhepunkt am Freitag sollten die Köttbullar-Jungs von Hardcore
Superstar sein. Das Publikum war warm gelaufen, nicht nur wegen des
fantastischen Wetters und erwartete nun auf testosteronstrotzenden
Hard Rock im Stile von den Backyard Babies. Seit 1997 mischen
Hardcore Superstar bereits in dieser Liga mit, wobei die ersten
Jahre viele noch nicht mitbekommen haben. Das Quartett selbst
bezeichnet ihren Sound als Street Metal, eine Mischung aus Thrash
Metal und Sleaze Rock, wobei der Thrash meiner Ansicht nach einen
minimalen Anteil ausmacht. Egal, denn die Jungs starteten sehr
motiviert und gerade der Sänger Joakim „Jocke“ Berg sowie Gitarrist
Vic Zino schienen bereits in den ersten Minuten ihr ganzes
Energiepotential zu verschleudern. Weit gefehlt, denn in Sachen
Bewegung hielt die Truppe bis zum Schluss durch. Beim Publikum sah
es indessen ein wenig anders aus. Was zu Beginn noch das Festzelt am
See rockte, verkam im Verlauf des Gigs zu einer überschaubaren Menge
an HS-Fans. Die ersten Reihen waren wie an solchen Konzerten schon
fast üblich, fest in weiblicher Hand. Zeitweise die Band
anschmachtend, dann wieder Haare schüttelnd – ein guter Mix.
Dahinter die balzende Männerschar, die
den
Biervorrat des Tages aus ihren Körpern herausschwitzte. Während der
ersten Viertelstunde gab es gehörig Schmackes auf die Ohren, was bei
dieser Hitze und der Uhrzeit auch von Nöten war, damit das Publikum
am Ball bleibt. Zwischenzeitlich gab es auch eher schleppende
Nummern zu hören, die sich irgendwie negativ auf das „Klima“
auswirkten, denn von da an wurde es vor der Bühne immer ruhiger und
die Reihen lichter. Viele pilgerten nach draussen an den See, der
auch um Mitternacht noch sehr einladend zum Baden war und lauschten
von dort aus den Klängen der Hardcore Superstars, die unermüdlich
ihre Show ablieferten. Ob es an der Soundauswahl der Schweden lag
oder am heimischen Publikum sei dahingestellt aber an die Show und
Intensität von Eclipse kam die Truppe an diesem Abend nicht heran.
So war es dann um 00:30 Uhr auch des einen Freud und des andern
Leid, als das Quartett definitiv den Stecker zog und in die
Dunkelheit der Nacht entschwand.
Setliste: «Kick On The
Upperclass» «Electric» «Dreamin‘ In A Casket» «Liberation»
«Wildboys» «Touch The Sky» «Last Call For Alcohol» «Bring House»
«Someone Special» «Have Percy» «Moonshine» «Sundays» «Above The Law»
Shakra Einen Tag später, nicht weniger heiss als sein
Vorgänger, wurden die Emmentaler Rocker von Shakra auf die Bühne
gebeten. Pünktlich um 19:00 Uhr betraten sie ihren Arbeitsplatz im
beschaulichen Brienz im Berner Oberland. Ihr Ruf eilt ihnen seit dem
2016er Album „High Noon“ stets voraus und somit war das Zelt bereits
um diese Uhrzeit gut gefüllt. Der Opener „Cassandra’s Curse“ war zum
Einsteigen nicht gerade der Kracher, den ich mir gewünscht hätte
aber den Leuten gefiel es. Sie gingen vom ersten Ton an richtig ab
und auch die Band schien diese Energie zu spüren. Hit an Hit reihten
die Schweizer Hardrock Urgesteine und auch vom neuen Werk „Snakes &
Ladders“ (der Name fürs „Leiterlispiel“ im englischsprachigen Raum)
hatten sie reichlich Material im Gepäck. Was ich als schon fast als
Shakra-untypisch empfand, war das Ausbleiben der grossen Balladen.
Gerade mal zwei langsame Titel fanden den Weg in die Setliste des
Abends. Dies spielte aber keine Rolle, denn zum Slow-Tanzen wäre es
unter dem Zeltdach eindeutig zu heiss gewesen und die Paare wären
reihenweise umgekippt. So liess sich unter gelegentlicher Bierdusche
und
ordentlichem Headbanging richtig gut Party feiern. Für die
anschliessenden Showacts bedeutete dies ein steiniger Weg und
gehörig viel Arbeit. Mark Fox war wie so oft ziemlich gut aufgelegt
und hatte immer den einen oder anderen Spruch für seine Fans auf
Lager. Wichtiger war aber natürlich seine Reibeisenstimme und die
leistete wieder einiges. Rau und mit viel Ausdruck sang er die
Stücke der Emmentaler und es wurde bis in die hintersten Reihen
klar, warum Fox und Shakra einfach zusammen gehören. Eine Wucht, die
es erstmal zu toppen gilt. Fans der wohl ersten Stunde klebten von
der ersten Minute an am Absperrgitter und dort waren sie auch noch,
als der Gig sich langsam aber sicher dem Ende hin zuneigte. Fakt war
nach eineinhalb Stunden knackigem Hardrock von Tom Blunier und Co. -
12 Felder vorwärts für Shakra und „Snakes & Ladders“.
CoreLeoni
Den erwähnenswerten Abschluss des Tages durften die Herren von
CoreLeoni übernehmen. Vor 25 Jahren bereits mit Steve Lee, die in
hohem Masse gefeierten Gotthard gegründet, seit 2017 mit seinem
neuen Projekt unterwegs – Leo Leoni und seine CoreLeoni. Leoni ist
bereit für eine neue musikalische Schaffensphase und dies wollte er
auch in Brienz unter Beweis stellen. Fairerweise muss man an dieser
Stelle auch erwähnen, dass sich die Kombo mit neuem Material noch
nicht wirklich beweisen konnte, da es sich bei den Songs, abgesehen
von „Walk On Water“ um neu eingespielte Gotthard-Songs handelt.
Alles schnurz, denn der Erfolg des Fünfers gibt ihnen Recht und
zeigt, dass Leo Leoni auch nach Jahren im Business noch immer den
richtigen Riecher hat. Das Zelt war brechend voll und das Banner der
Band so gross, dass es nicht einmal vollständig im Hintergrund
aufgehängt werden konnte. Ronnie Romero, bekannt als Shouter bei
Lords Of Black und auch bei Rainbow, liess seine Stimmgewalt ertönen
und mit dem knüppelharten Sound der restlichen Mitstreiter liessen
die Herren von Anfang an keine Zweifel über ihr musikalisches Können
aufkommen. Vom ersten Moment an die Menge fest im Griff, sogar wenn
zumindest dem jüngeren Publikum die meisten Songs wohl nicht sehr
geläufig waren, da es sich beim aktuellen Repertoire meist um Stücke
aus der Anfangsära von Gotthard handelt. Zugegeben, mir erging es
nicht
viel anders, denn bis zu ihrem Hit „Mountain Mama“ hatte ich weder
von Gotthard gehört, noch haben sie mich interessiert. Man merkte
immer extrem schnell, wann der „Hitfaktor“ zuschlug und so gab es
bei bekannten Titeln aus Radio und Fernsehen wie „Anytime Anywhere“
und „Mountain Mama“ für die Menge kein Halten mehr. Es wurde
gegrölt, gejohlt, gesungen und sogar echte Feuerzeuge wurden in
stimmungsvollen Momenten gezückt und in Szene gesetzt. Für meinen
Geschmack war die Vorstellung der Band und die Gitarrensoli-Session
der einzelnen Musiker wieder viel zu lang, denn dass sie ihr
Handwerk verstehen, das wissen wir ja bereits. Gerne hätten sie
währenddessen noch zwei weitere Klassiker raushauen dürfen aber
eben. Alles in allem ein gelungener Gig, vor einem Publikum das bis
dahin brav der Hitze getrotzt und standhaft durchgerockt hat.
Setliste: «Higher» «Standing In The Light» «Downtown» «Fist In
Your Face» «Walk On Water» «Firedance» «Get It While You Can» «All I
Care For You» «Let It Be» «In The Name» «Tell No Lies» «Make My Day»
«Mountain Mama» «She Goes Down» «Whammy Moto» «Ride On» «Here Comes
The Heat» «Immigrant Song» «Anytime Anywhere»
Dies
die Highlights des 31. Brienzersee Rockfestivals. Der Sonntag stand
wieder ganz im Zeichen der Mundart-Künstler wie Stiller Has oder
Sandee. Wer bis dahin noch immer nicht genug See, Hitze und Bier
getankt hatte, konnte sich auch damit den Tag um die Ohren schlagen.
Für mich war am Samstag nach CoreLeoni definitiv Schicht im Schacht
und ich lauschte der Sonntagsandacht nur noch aus der Ferne.
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