Auch das 32. Brienzersee Rockfestival stand ganz im Zeichen des
Hard- und Glam Rocks der Achtziger Jahre. Mit den Schweden Europe
und den Amerikanern Tyketto standen gleich zwei Schwergewichte
dieser Dekade als Headliner auf der Bühne am oberen Brienzersee.
Ansonsten bot das Line-up ein buntes Potpourri aus Punk und Rock
aller Art, wobei für meinen Geschmack noch ein paar grosse Namen des
Genres Platz gehabt hätten. Zumindest liess das Wetter keine Wünsche
offen, sodass die Besucher im Freien, ja sogar teilweise im See,
ihren Lieblingsbands lauschen konnten. Dieses Jahr konnte ich
erstmal die Berichterstattung mit meinem Metal Factory-Kollegen Tinu
teilen, der besonders den Freitag aufs Korn nahm. Am Samstag machten
wir beide das Gelände unsicher, was so unterhaltsam war, wie das
Festival selbst. (oli)
Jaded Heart Die deutsche
Truppe um Bassist Michael "Mülli" Müller ist eigentlich immer ein
Garant für eine gute Rock-Show. Die Band ist eingespielt, hat Songs,
welche auch Besuchern denen Jaded Heart unbekannt sind, gefallen und
alleine Michaels Bühnenpräsentation reisst die Combo aus dem
Mittelmass heraus. Die Spielfreude schien auch bei den Gitarristen im
Mittelpunkt zu stehen, und der schwedische Shouter Johan Fahlberg
versuchte immer wieder die noch geringe Anzahl Fans vor die Bühne zu
locken. Was in meinen Augen der Truppe fehlt, ist ein richtiger Hit,
der die Band unsterblich macht. So lief dieser Auftritt einmal mehr
neben mir vorbei. Den Fans allerdings schien es zu gefallen und
alleine nur das zählt! (tin)
Ohrenfeindt
Das Trio aus St. Pauli lieferte feinsten Hardrock mit viel Herz wie
Seele und deutschen Texten. Logisch schimmern Airbourne, AC/DC und
Rose Tattoo in allen Songs durch, und man könnte fast sagen, dass die
Herren sich mit Nitrogods messen können. Die Soundprobleme zu Beginn
lähmten den Einstieg der Jungs, dies schien der Spielfreude aber
keinen Abbruch zu tun, und es war nicht nur die sich immer wieder um
die eigene Achse drehende Zunge vom singenden Bassisten Chris Laut, die
für Freude sorgte. Es zeigte sich einmal mehr, dass eine Band mit
deutschen Texten sehr wohl punkten kann, wenn die Lyrics, einmal
gehört, nicht mehr aus den Gehörgängen gehen. Dies ist ein absolutes
Plus von Ohrenfeindt, da wohl alle Besucher nach dem ersten Refrain,
selbigen nach Herzenslust und bierseliger Laune mitgröhlten. Den
AC/DC-Angus-Enten-Walk kopierte Gitarrist Pierre Blesse gekonnt, und so
vermochte das Trio einen souveränen Sieg verbuchen. (tin)
Crashdïet Auf die Schweden war ich mehr als nur
gespannt, hinterliessen die beiden letzten Gigs bei mir doch einen
sehr faden Beigeschmack. Dies lag zum einen am neuen Sänger Gabriel
Keyes, der für mich zu übermotiviert auf der Stage stand und zum anderen die in
meinen Augen fast ein bisschen unsicheren Performances von Gitarrist
Martin Sweet und Bassist Peter London. Ganz zu schweigen von der
sehr bescheidenen Setliste. Also, die Schweden hatten was gut zu
machen und Fazit vorneweg: Sie taten es auch. Dies lag vor allem an der
absolut tollen Setliste und an der sehr eingespielten Präsentation
der Jungs. Gabriel war auch um einiges besser integriert, überzeugte
mit seinen hohen Schreien, und so durfte er auch alleine, mit einer
Akustikgitarre bewaffnet, den W.A.S.P.-Klassiker «Hold On To My
Heart» vorführen. Ein in meinen Augen gewagtes Unterfangen, das nur
in die Hosen gehen konnte... Zumindest der weibliche Zuspruch war
dem Sänger gewiss, da die holden Ladies dem Blonden förmlich an den
Lippen hingen. Das Quartett zelebrierte den Sleaze Rock, kupferte
mal bei Skid Row wie den Hardcore Superstars ab und mischte das Ganze mit
einer gehörigen Portion eigener Identität. Die Band und das Publikum
schienen sich förmlich zu vermischen, und als Gabriel einige Male an
der Lichttraverse empor kletterte, kannte die Euphorie des Publikums
kein Grenzen mehr. Mit Tracks wie «Chemical», «Breaking The Chainz»,
«Circus», «Riot In Everyone» oder «It's A Miracle» spielten
Crashdïet einige Asse aus und waren in meinen Augen die klaren
Gewinner an diesem Abend! (tin)
Tyketto
Die Jungs um den ehemaligen Waysted-Sänger Danny Vaughn sind für
mich eine spezielle Angelegenheit. Es gibt diesen einen Track,
«Forever Young», der mich durch meine Jugend begleitete. Der Rest
ging spurlos an mir vorbei, da ich das Ganze immer zu unspektakulär
einstufte. Lassen wir meine persönliche Meinung aussen vor und
konzentrieren wir uns auf die Reaktionen des Publikums, die sehr gut
ausfielen. Gespielt wurde zur Feier des 25. Jubiläums das komplette
«Strength In Numbers»-Album. Danny ist nach wie vor ein begnadeter
Shouter, der mit seinen langen Haaren auch optisch einiges hergibt.
Er war immer in Bewegung, animierte das Publikum und ist genau das,
was man sich von einem perfekten Entertainer erhofft. An seiner
Seite hatte der Sänger mit dem Thunder-Bassisten Chris Child und
Schlagzeuger Michael Arbeeny ein sehr tightes und eingespieltes
Rhythmusduo, auf dem sich Gitarrist Chris Green austoben konnte (er
bekam vor dem Konzert eine neue Gitarre eines Schweizer
Gitarrenbauers). Trotz dem guten Hardrock, der eigentlich perfekt
nach Brienz passte, zogen Crashdïet mehr Leute als Tyketto vor die
Bühne. Dies schien die Combo um Danny aber nicht zu beeindrucken,
denn sie spielte mit viel Freude in den Backen und konnte an
diesem Abend viele neue Fans für sich gewinnen. (tin)
QL Tja, der Mundart-Punk der Seeländer passte wie
der berühmte Deckel auf den Arsch ins Berner Oberland. Man kann ja
über Originalität diskutieren, und ob das, was die Vier da auf der
Bühne abliefern, gut ist. ABER! QL zogen die Massen in Scharen an und
liessen die alten Schweizer Hits mit einem rockigeren und punkigeren
Flair aufleben. Ob dann Paolas «Blue Bayou», Florian Ast «Sex», Gölä
oder wer auch immer in anständigen Versionen gezockt wurde, es
spielte keine Rolle. Ja, man kann davon halten was man will, aber
die Jungs hatten mächtig Spass auf der Bühne und die Fans auch, welche die
Lieder logischerweise in- und auswendig kannten, textsicher und dank
einem hohen Alkoholpegel jede noch vorhandene Melodie
lautstark
abwürgten, sorry mitsangen... Es waren aber nicht nur die Lieder, sondern
auch die Ansagen, welche passten und sich wohl jede und jeder
ertappt fühlte, wie man sich mit der Naivität eines Teenagers an das
Thema "Liebe" heran tastete. Ja, es war eine verdammt gute
Unterhaltung bei der ich gestehen muss, dass mich der "Cool-" Faktor
packte und ich mich an meine Jugend erinnert fühlte, was damals so
alles im Radio lief. Ob man es nun hören wollte oder nicht. Es war
das Umarrangieren der Lieder, welches diesen ansteckenden Spassfaktor
mit sich brachte und man, ob gewollt oder nicht, zumindest mit dem
Fuss mitwippte und sich ein breites Grinsen auf den eigenen Lippen
breit machte. Danke QL, hat Spass gemacht und ihr wart an diesem
Abend der perfekte Ausklang eines tollen ersten Tages. (tin)
Zweiter Tag
Jesters Quest Exclamation verpasste ich, da ich zu
diesem Zeitpunkt noch gemütlich beim Morgenessen sass. Auch von
Jesters Quest sah ich nur noch knapp die Hälfte der Show, war aber
dermassen geflasht von den singenden Ladys, dass ich nicht anders
konnte, als zuzusehen. Speziell Madeleine überzeugte von der ersten
Note weg mit ihrem kräftigen Organ und liess die wenigen Anwesenden
jubeln. Ansonsten war die Truppe in keine musikalische Schublade zu
packen. Von allem etwas und dies mit einer gehörigen Portion
Eigenständigkeit. Eine Besucherin liess sich sogar dazu hinreissen,
folgendes Statement abzuliefern: "Endlich Frauenpower auf der
Bühne!" Wie recht sie hatte und dies nicht zu knapp. Vielleicht
hätte sich die Truppe aber den Versuch des Mitsingparts mit den
Anwesenden sparen sollen, denn der ging in die Hosen. Die, welche
aber schon vor der Bühne standen, hatten ihren Spass und feierten
Jesters Quest wie einen Headliner ab. Was auch in die Hosen ging,
war die Konfettikanone, welche Sängerin Gabriela entfachen wollte…
Na ja, das nächste Mal halt. Sympathisch auf jeden Fall, wie alle auf
diesen kleinen Fauxpas reagierten. Jester Quest sind sicher nicht
meine musikalische Baustelle, aber was sie boten, war absolut toll
und hat Laune gemacht. Werde ich mir sicher nochmals ansehen. (tin)
Jolly Jackers
Noch mehr Frauenpower gab es dann mit
den Ungaren Jolly Jackers. Am Bass, an der Violine und der Querflöte
standen gleich drei Grazien auf der Bühne. Neben ihnen ein Sänger,
der wie ein Hardcore-Shouter auf der Bühne rumhüpfte. Auf der Bühne
stand, in meinen Augen, eine Truppe, die rein optisch nicht zusammen
passte. Von Wochenendmusiker über Vollblutmucker bis hin zu einem
Bankangestellten hätte wohl jeder auf der Bühne seinen Platz
gefunden. Musikalisch erinnerte mich die Truppe an Skyclad, eine
Band, welche den Folk-Rock/Metal nachhaltig prägte und begründete. Was
somit dem Sound fehlt, sind die packenden Melodien, die Refrains,
die man nach einmal anhören mitsingen kann, und somit verloren sich die
Besucher mehr schlecht denn recht vor der Bühne. Jolly Jackers würden
eine gute Figur in einem Pub oder an den Highland Games abgeben. Am
Brienzer Rockfest war die Truppe sicher ein musikalischer
Farbtupfer, mehr aber auch nicht. (tin)
Grand Design
Ja, ich habe ein paar Scheiben der Schweden bei mir zu Hause. Der
Def Leppard-Sound mit leichten Van Halen- und Bon Jovi-Vibes lässt
sich anhören, aber mit einer Spielzeit von neunzig Minuten wurde der
Auftritt, je länger das Set dauerte, fast langweilig. Für einen
Headliner-Gig besitzem Grand Design dann doch nicht das Material der oben
erwähnten Truppen, sondern eben auch B-Songs, die man sicher anhören
kann, die aber mit der Zeit auch monoton wirken. Lustig, wie sich
Sänger Pelle mit seinen Sternenhosen als eine kleine Reinkarnation
von Vince Neil (Mötley Crüe) und David Lee Roth (Van Halen)
entpuppte. Der Sänger war immer in Bewegung, versuchte das Publikum
auf seine Seite zu ziehen und präsentierte sich als sehr freundlicher
Shouter. Mit den beiden Gitarristen Dennis und Janne lieferte die
Truppe tolle Riffs und immer wieder coole Solos ab. Mit vielen
Melodien, noch mehr Refrains und ganz viel Hardrock der achtziger
Jahre ging Brienz zeitweise förmlich auf. Sprich das Publikum schien
immer grösser zu werden, um sich dann doch wieder an den Getränke- und
Essständen zu verköstigen (das Essen war wirklich sehr gut!)
und sich auf die kommenden Bands (Bonfire und Europe) vorzubereiten.
Eigentlich schade, dass Grand Design nicht mehr Applaus für sich
beanspruchen konnten. Aber dafür hätte es den einen oder anderen Hit
mehr gebraucht. (tin)
Jack Slamer
Die Winterthurer Jack Slamer erobern
momentan die Musikwelt wie eine Rakete das Weltall. In diesem Jahr
kommt man um die 70's Rock spielende Truppe einfach nicht drum
herum. Mit der zweiten Platte im Koffer, SRF-3 Best-Talent-Würdigung
in der Tasche und unzähligen Gigs im Rucksack, pilgern sie momentan
von Auftritt zu Auftritt. So auch am Samstagnachmittag beim Brienzer
Rockfest. Inspiriert von den ganz Grossen wie Led Zeppelin, Deep
Purple, Rival Sons oder Monster Truck, legte der Fünfer um Florian
Ganz mächtig los. Die Gitarren heulten, die Haare flogen und das
Lebensgefühl von früher, gepaart mit dem Zeitgeist von heute, sprang
dem Publikum mitten ins Gesicht. Die Vorschusslorbeeren waren ihnen
ja bereits im Vorfeld des Gigs sicher, doch live waren Jack Slamer
nach Ansicht der Zuschauer noch besser, als man es hätte erahnen
können. Die Gruppe hatte für einen warmen Nachmittag mehr Publikum,
als der Durchschnitt an anderen Tagen. Ich für meinen Teil konnte
dies nicht ganz nachvollziehen, da ich bereits ab Song drei das
Gefühl bekam, alles schon mal gehört zu haben und mich an den See
zurück zog. Ein Grossteil des Publikums blieb ihnen aber treu und
lebte den Rock'n'Roll bis zur letzten Faser aus. Vermutlich war ich
einfach nicht bereit dazu und freute mich zu sehr auf die restlichen
Bands des Abends. Bonfire und Europe! (oli)
Setliste: «Wanted
Man» «Biggest Mane» «Dä Hoschti chunnt z'spat» «Monkey Dance» «I
Want A Kiss» «Sechsachtelgeil» «Noise From The Neighbourhood» «The
Truth» «Secret Land» «Turn Down The Light» «Nobilität» «Shaman»
«Entire Force» «Call It A Day» «Honey & Gold»
Für die nächsten beiden Liveberichte muss ich etwas ausholen und
in der Zeit zurück reisen. Beim Betreten des Festivalgeländes fühlte
es sich an, als wäre ich wieder dreizehn Jahre alt. Meine Helden von
damals, Europe, hatten gerade «Out Of This World» (1988) und Bonfire
«Point Blank» (1989) veröffentlicht. Live waren aber beide Bands für
mich unerreichbar, und ich musste mich mit einer Langspielplatte der
Schweden und einer MC (nein, das ist kein Motorradclub, sondern eine
Musik-Cassette) der Deutschen zufrieden geben. Ich hörte beide Bands
rauf und runter, bis die Kassette dem Bandsalat und die LP dem
wirtschaftlichen Fortschritt zum Opfer fiel. Dazu kam, dass ich die
Truppen bald aus den Augen verlor, da ich mich härteren Genres
zuwandte. In der Zwischenzeit hätte ich natürlich genügend Zeit
gehabt, mir beide selbstfinanziert live anzusehen, aber ich habe mich
immer wieder dagegen entschieden. Doch jetzt, genau dreissig Jahre später,
spielten gleich beide Bands am selben Tag vor meiner Haustür! Ich musste
nicht zu Bonfire und Europe, sie kamen zu mir! Dies war ein Zeichen,
dem ich mich nicht widersetzen konnte, und so zog ich los, bewaffnet
mit Block und Fotoapparat, um ein Versäumnis der Jugend nachzuholen.
(oli)
Bonfire Die deutschen
Hardrocker von Bonfire legten zur Primetime ziemlich energiegeladen
und gepflegt los. Zu Beginn bekam das Publikum eine Kostprobe ihres
neuen Albums «Temple Of Lies» zu hören, danach ging es aber sogleich
um Jahre zurück, sprich in die Erfolgszeit von Bonfire. Die Zuschauer
dankten es ihnen mit kräftigem Applaus und lautem Mitsingen, soweit
sie textsicher genug waren. Songs von «Don't Touch The Light»,
«Fireworks» und «Point Blank» füllten einen Grossteil der Setliste
des Abends aus. Klingt gut, war es aber aus meiner Sicht nicht
durchs Band weg. Nach gut zwanzig Minuten schlich sich eine Art
Monotonie ein, die für den Auftritt der Ingolstädter nicht
förderlich war. Etliche Midtempo-Songs und Balladen bremsten die
Stimmung der Anwesenden, die doch ganz zahlreich im Festzelt zum
Feiern eingetrudelt waren. Der Fünfer spielte solide weiter und
machte etliche Showeinlagen, die bei der Menge wieder gut
aufgenommen wurden. Die Verjüngung der Band hat sich insofern
positiv ausgewirkt, als dass Sänger Alexx Stahl topmotiviert mit den
Zuschauern agierte und auch wie ein Gummiball die Bühne in Beschlag
nahm. Hans Ziller, einziges übrig gebliebenes Gründungsmitglied,
wirkte dagegen wie ein Greis mit Gitarre.
Die Finger flink, doch der
Rest der Person machte keine grossen Sprünge mehr. Die Zeit
arbeitete für alle Beteiligten und während der letzten zwanzig
Minuten nahm der Tross nochmals richtig Fahrt auf. Bei «SDI» sang
das ganze Zelt die berühmten drei Letters mit, und ich war echt
überrascht, wie viele Bonfire-Fans den Weg nach Brienz gefunden
hatten. Zu dem Zeitpunkt erreichten sie mich ebenfalls und ich
wünschte, sie hätten die ganze Zeit über so Vollgas gegeben.
Doch es war zu spät. Nichtsdestotrotz haben sie ihre Arbeit gut
gemacht, denn ich war warmgelaufen und hatte total Bock auf Europe.
So ging es nicht nur mir, sondern auch den gut 3'000 Zuschauern, die
am ausverkauften Rockfest den finalen Countdown anzählten. (oli)
Setliste: «Intro» «In The Beginning» «Temple Of Lies» «Never
Mind» «Don't Touch The Light» «Under Blue Skies» «Praying For A
Miracle» «Give It A Try» «Crazy Over You» «Sword And Stone» «Stand
Or Fall» «American Nights» «Tony's Roulette» «Can't Break Away»
«Sweet Obsession» «SDI» «Ready For Reaction» «You Make Me Feel»
Europe Der Höhepunkt am Samstag waren natürlich
Europe. Die fünf sympathischen Nordländer blicken ebenfalls auf eine
fast 50-jährige Karriere zurück, die mit Höhen und Tiefen gespickt
ist. Seit Jahren sind sie aber wieder eine feste Grösse im
Hardrock-Zirkus, die zu überzeugen weiss. Beinahe wieder in
Originalbesetzung (bis auf Kee Marcello) von ihren «The Final
Countdown»-Jahren, rocken die Köttbullar-Jungs ein Festival nach dem
anderen. Das Publikum war warm gelaufen, nicht nur wegen des
fantastischen Wetters und erwartete nun eine "Europe-Show" mit all
ihren Hits. Genau das taten sie dann auch. Vor ihrem grossen
Backdrop, das wieder einmal den Rahmen der Seebühne sprengte, nahm
Ian Haugland hinter seinem Schlagzeug Platz. Einer nach dem anderen
trudelte ein und als letzter "flog" Sänger Joey Tempest auf die
Bühne. Energetisch und voller Spielfreude hatte der charismatische
Frontmann das ganze Publikum schnell in der Tasche. Hätte er diesem
verdorbenes Essen angeboten, es hätte ihm aus der Hand gefressen.
Vor der Bühne wurde gerufen, getanzt und gesungen. Viele machten
Fotos vom quirligen Sänger, der noch immer wie ein Mitzwanziger die
Bühne beherrscht. Im Gegenzug haben seine Mitstreiter John Norum
(Gitarre) und John Levén (Bass) an Beweglichkeit eingebüsst, sind
aber mit Sicherheit die einfacheren Fotomotive. Schon beim dritten
Song kochte das Zelt über, und die Menge nahm die Aufforderung «Rock
The Night» mehr als wörtlich. Bis zum Mischpult hin tanzten die
Leute auf dem staubigen Boden, dahinter standen dann alle auf den
Tischen und Bänken, um möglichst viel vom Bühnenspektakel
mitzubekommen. Nebst den Klassikern feierte die Crowd auch die
neueren Songs frenetisch ab. Zur Mitte hin sorgte ihr wohl
berühmtester Schmachtfetzen «Carrie» für Tränen in den Augen und
wieder einmal echte Feuerzeuge in der Luft. Die Handydisplays waren
eindeutig in der Unterzahl, ein schönes Bild. Es war eine Show der
Superlative! Keine Pyros, keine grosse Lichtshow, kein Theater!
Einfach nur Europe und ihre Songs. Es stimmte einfach alles während
den neunzig Minuten Spielzeit. Das Schlussbouquet war dann nochmals der
Reisser schlechthin, der nicht zu toppen war. Ein Dreier mit
«Superstitious», «Cherokee» und «The Final Countdown» ist
unbezahlbar, was die Zuschauer ebenso sahen. Vermutlich hörte man
die Mitsingchöre bis nach Interlaken und die Zugabe-Rufe noch bis
Meiringen. Mich hat es jedenfalls angesteckt und zwischenzeitlich
sass da wieder der 13-jährige Junge auf der Bank, der seine Idole
ungehemmt anhimmelte. Die Schweden liessen sich noch einen Moment
feiern, bevor sie dem Berner Oberland endgültig den Rücken kehrten.
Danach folgte zwar noch eine Band, aber da kam nichts mehr! Nach so
einem Auftritt konnte es nur einen folgerichtigen Schritt geben – ab
nach Hause und die Erinnerungen möglichst lange konservieren!
Setliste: «Walk The Earth» «The Siege» «Rock The Night» «Scream
Of Anger» «Last Look At Eden» «Sign Of The Times» «Heart Of Stone»
«War Of Kings» «Hole In My Pocket» «Carrie» «Nothin' To Ya» «Dance
The Night Away» «Ready Or Not» «Superstitious» «Cherokee» «The Final
Countdown»
Ocean Orchestra Was war das
dann? Ein Truppe, die aussah, als hätte sich John Travolta zu
«Saturday Night Fever»-Zeiten mit einen paar Strassenkötern
vermischt. Ocean Orchestra stand mit Leuchterketten an den
Mikrofonständern bewaffnet auf der Stage. Hippie-Rock, der mit
Coverversionen von Status Quo («Caroline»), The Beach Boys («Surfin'
USA»), Bon Jovi («Runaway»), Kiss («I Was Made For Lovin' You»),
Queen («Radio Gaga»), Blondie («Maria»), The Pointed Sister («I'm So
Exited»), John Travolta / Olivia Newton-John («You're The One That I
Want») oder Shocking Blue («Venus») zum passenden Rausschmeisser
wurde. Ich bin mir nicht sicher, ob der Sänger jeden Text ablesen
musste... Am Ende des Tages kannte die Stimmung kein Halten mehr, auch
wenn mehr als die Hälfte der Leute nach Europe schon auf dem Heimweg
waren. Nach den Schweden war es extrem schwer, denn die Stimmung,
welche die Band um Sänger Joey Tempest nach Brienz zauberte,
erreichte locker jene, als «The Final Countdown» zum ersten Mal in
der Schweiz im Zürcher Hallenstadion gespielt wurde und den
Soundtempel damals völlig aus den Grundelementen hob. Die genau gleiche
Stimmung gab es an diesem Samstagabend in Brienz. Trotz dieser
undankbaren Aufgabe lieferten Ocean Orchestra einen sehr guten Job ab
und beendeten den zweiten Tag mit vielen Hits und interessanten
Interpretationen selbiger. (tin)
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