Livereview: Burning Witches - Shanghai Guns

28. Oktober 2016, Lenzburg – Met-Bar
By Rockslave
Die Met-Bar in Lenzburg ist bekannt dafür, dass mitunter vor allem einheimischen Bands Auftrittsmöglichkeiten in einem schon fast familiären wie professionell ausgestatteten Ambiente geboten werden. Somit der perfekte Ort für den ersten öffentlichen Konzertauftritt der gegenwärtig heissesten und auf diesem Niveau zurzeit wohl einzigen Schweizer Allgirl Heavy Metal Band Burning Witches! Für das, was schon eine Weile im Kopf der Atlas & Axis Gitarristin Romana Kalkuhl herum geisterte, brauchte es zusätzlich zu den Protagonistinnen auch das richtige Umfeld. Für Letzteres konnte kein Geringerer als Schmier, seines Zeichens Kopf der deutschen Thrash-Icons Destruction, an Bord geholt werden! Dem voraus ging ein nicht so einfaches Finden der geeigneten Mitstreiterinnen, die nebst ihrem Können auch zwischenmenschlich zusammen passen mussten. Die Ur-Version der brennenden Hexen las sich erstmals so: Seraina Telli (v), Romana Kalkuhl (g), Jeanine Grob (b) und Lala Frischknecht (d). Dieses Quartett machte sich ab Sommer 2015 an die Arbeit und im Herbst wurden bei V.O. Pulver im Little Creek Studio die ersten drei Songs aufgenommen. Mit dem Zuzug der zweiten Gitarristin Alea Wyss lodert das Feuer nun erst recht: Burning Witches are ready to burn on stage!

Shanghai Guns

Bevor die Hexen so zu sagen im Vorfeld von Helloween die Met-Bar anfliegen konnten, durfte mit Shanghai Guns eine Schweizer Combo mit deutscher und französischer Verstärkung das Vorprogamm bestreiten. Da ich diesmal keine Zeit fand, mich im Voraus mit der Mucke der vorerst mal „asiatisch anmutenden Sleazer“ auseinander zu setzen, wurde ich und die zu der Zeit etwa halb gefüllte Met-Bar schon bald eines Besseren belehrt, als Stefan Tudela (v), Yves Leyvraz (g/v), Marc Bugnard (b/v) und Sébastien Chave (d) die Bühne betraten. Der erste Eindruck der Optik war allerdings und gelinde ausgedrückt ein Schlag ins Gesicht, weil eigentlich kaum was zusammenpasste. Vor allem das Outfit von Gitarrist Yves liess bei mir gleich ein paar Fragezeichen entstehen. Das sieht höchstens bei D-A-D cool aus, aber hier nicht wirklich, zumal Frontmann Stefan in seiner vergleichsweise eleganten Erschei-nungsweise ebenso wenig mit Bassist Marc im Einklang stand, der zudem wie der Zwillingsbruder von Many Maurer (Ex-Krokus, Ex-Ain’t Dead Yet) aussah. Dem nicht genug, vermittelte der überaus brav wirkende Drummer keine echte Rock’n’Roll Attitüde. Dass dieser vorher jedoch eine prächtige Mähne zur Schau trug, hätte das Bild korrigieren können, aber danach ist man(n) immer schlauer.

Wer sind also Shanghai Guns, und was konnte man von ihnen erwarten?! Das jahrmarktmässige Intro mit dem Flair eines Cabarets der guten alten Zeit liess sicher nicht auf Sleaze Rock schliessen, aber rocken tat es schliesslich doch, wenn auch mit etwas angezogener Handbremse. Nach den ersten paar überaus rasanten Soli von Herrn Leyvraz hellte sich meine Miene zusehends auf, ohne dass ich aber angefangen hätte zu jubilieren. Mit im Gepäck waren Songs der ersten zwei Alben «Seven Shots» (2012) und eben «Cabaret» (2016). Beim gleichnamigen Opener zeichnete sich Frontmann Stefan bald als absoluter Könner seines Fachs aus, und mit den raumfüllenden Studioversionen der Songs am Ohr wird schnell deutlich, dass Shanghai Guns unbedingt einen Rhythmus-Gitarristen bräuchten, um noch besser zur Geltung zu kommen. Das Potenzial von «Long Way Hard Decision» konnte so zum Beispiel nicht ausgeschöpft werden, da hier zum wieselflinken Solo die begleitende Riffwand der Tonträgerversion fehlte. Erst beim deutlich flotteren «Party Animal Dude» und dem catchy Rausschmeisser «Little Chicks Big Dicks» trat dieses Manko etwas in den Hintergrund. Schade, denn auf den CDs verfügt die echt gute Mucke klar über mehr Power wie Substanz, und so haben sich Shanghai Guns heute Abend während gut vierzig Minuten leider klar unter ihrem eigentlichen Wert verkauft. Die fähige Truppe hätte also trotz ordentlichem Applaus auf jeden Fall mehr Resonanz verdient gehabt.

Setliste: «Intro/Cabaret» - «Under The Burning Sun» - «Long Way Hard Decision» - «Slaves Of Sumuru» - «Party Animal Dude» - «High On Heels» - «Little Chicks Big Dicks».


Burning Witches
Das, was sich Stunden vorher schon in der Facebook Event-Anzeige ausdrückte, fand vor Ort in Lenzburg bald seine Bestätigung: Der Laden war definitiv „sold out“! Nebst einigen bekannten Gesichtern der Gilde der mehr oder weniger regelmässigen Konzert-besucher, liess es sich auch Schirmherr Schmier nicht nehmen, der Met-Bar, zusammen mit seiner Entourage, die Ehre zu erweisen. Selbst Foodporn-König und „Musicnight“ TV-Legende Dani Beck war vor Ort und mit Mr. Outsider-Shop Freiburghaus einer der spitzzüngigeren Musikkenner wie Kritiker schlechthin! Die Mädels waren also gefordert, bald einmal auf der Bühne entsprechend Gas zu geben und allen potenziellen Skeptikern gehörig das Maul zu stopfen. Um 22.00 Uhr kam sie dann, die sprichwörtliche Stunde der Wahrheit. Die fünf Girls wurden erstmal lautstark begrüsst und nahmen ihre Standorte ohne Hektik ein. Nach einer kurzen Phase der Konzentration ging es mit dem Opener «Metal Demons» ohne doppelten Boden los, und man merkte sogleich, dass hier kein Kindergeburtstag zelebriert wurde. Frontfrau Seraina, die sich stimmlich sogleich voll ins Zeug legte, überzeugte von Anfang an. Die glasklaren und variablen Vocals sind unentbehrlich für die kraftvoll vorgetragene Mucke, die im Wesentlichen Vibes von Iron Maiden, Warlock und vor allem Judas Priest hervor bringt. Die Front der 6-Saiter mit Romana und Alea liess nichts anbrennen und riffte wie solierte kongenial, während die Rhythm-Section mit Jeanine und Lala das Ganze zu einer Einheit formte. Obwohl die Bühne nicht so viel Platz bot, waren die Mädels immer in Bewegung und posten, was das Zeug hielt. Dabei sah man vor allem bei Romana und Jeanine immer wieder ein Lächeln über deren Gesichter huschen, und überhaupt war seit dem Beginn eigentlich keinerlei Nervosität auszumachen. Das drückte sich einerseits in einem weitgehend fehlerfreien Spiel aus, und andererseits war der Spass am gemeinsamen Abrocken nicht zu übersehen. Den aufrechten Hut der Anerkennung muss man dabei vor Jeanine Grob ziehen, die zwar zum ersten festen Bandmitglied gekürt wurde, aber ihre jetzigen Fähigkeiten am Bass innert verhältnismässig kurzer Zeit drauf packte und sich live im Kreise der anderen vier Hexen mehr als wacker schlug.

Der Höhepunkt der Show folgte nach der töften Ballade «Save Me», als die mördermässige Abrissbirne «Black Widow» alle Register zog und Burning Witches im besten Licht zeigte. Da stimmte einfach alles und besser gehts kaum. Dass man sich ausserdem mit einer schmissigen Version von «Jawbreaker» würdig vor den inspirierenden Judas Priest verneigte, bevor die Bühne das erste Mal verlassen wurde, zeugte eher von Selbstsicherheit statt Ideenlosigkeit. Mit lauten Zugaberufen wurde die Band nochmals auf die Bühne zurück beordert, wo mit dem Dio-Cover «Holy Diver» die gute Stimmung von zuvor umgehend wieder aufgebaut wurde. Krönender Abschluss war schliesslich der namensgebende Rausschmeisser «Burning Witches», der natürlich nichts mit dem fast gleichnamigen Classic von Warlock («Burning The Witches») am Hut hatte. Als die Lichter nach genau einer Stunde wieder angingen, brandete der Applaus der zufriedenen Besucher, darunter auch einige Familienangehörige, ein letztes Mal laut in der vollen Met-Bar auf. Für mich, wie für viele andere Anwesende auch, ging diese Stunde viel zu schnell vorüber. Man hätte den brennenden Hexen gerne noch länger zugehört und zugesehen. Die anschliessend spontane Umfrage im Kreise der KollegenInnen, sowie den im Bericht erwähnten Personen, erbrachte durchs Band weg nur positive Rück-meldungen, denen ich ebenso zustimmen konnte. Das heisst bezüglich der Pflicht wurden die Erwartungen für das erste Konzert vollumfänglich erfüllt, aber für das Erreichen der Kür und nach vorne blickend, gibt es noch Luft nach oben. Im Sinne der Anregung und nicht Kritik sollte vor allem Alea mehr aus sich heraus gehen. Sie muss mehr Hexe als Liebchen darstellen, vor allem als „böser“ Gegenpart zur engelhaften Romana. Zudem bin ich mir sicher, dass die Tightness mit jedem weiteren Konzert spürbar zunehmen wird, und wenn die Energie der hammergeilen Studio-Version von «Black Widow» mit 110% von der Bühne runter weht, wird kein Stein mehr auf dem anderen sein und nur noch verbrannte Erde hinterlassen. Somit bleibt zu hoffen, dass das im nächsten Jahr erscheinende Debüt-Album voll einschlägt und die bis dahin weiter gefestigte Hexen-Band bereit ist, die nun wartenden „Bühnen der Welt“ im Sturm zu nehmen!



Setliste: «Metal Demons» - «We Eat Your Children» - «The Deathlist» - «Dark Companion» - «Bloody Rose» - «Creatures Of The Night» - «Save Me» - «Black Widow» - «Creator Of Hell» - «Jawbreaker (Judas Priest Cover)» -- «Holy Diver (Dio Cover)» - «Burning Witches».