„Europäische Seuchen-Tour“, das ist ja mal ein amtlicher Titel,
der zudem dieses Package echt geil beschreibt. Die Kannibalen, die
seit 20 Jahren aller Zensur und Regeln trotzen, alles erreicht
haben, brutale Splatter-Texte schreiben und Plattencover verwenden,
die vor Blutrünstigkeit und Brutalität nur so strotzen und jeden
Sittenwächter auf den Plan riefen - das ist die blutige Spur von
Cannibal Corpse. Gut zu den blutigen Kannibalen passen die Jungs von
Dying Fetus. Seit gut 15 Jahren jagen sie sehr extremen und harten
Death Metal in die Lauscher der gewillten Zuhörer. Auch die
schwedische Formation Evocation ist schon etliche Jahre im
Todesgeschäft, einzig die ersten im Reigen, Obscura aus den
bayrischen Landen, sind erst ein paar Jahre im Geschäft. Aber sie
konnten sich mit ihrem progressiven Death Metal schon einen guten
Namen machen. Ohne Umschweife: Der Abend steht ganz unter dem
Todesblei-Banner!
Obscura
Als erste Formation des Abends waren die Bayern an der Reihe. Es ist
eine Combo, die aus wirklich gestandenen Musikern besteht. Sie haben
in dieser Band ihre Vision des
neuen Extrem-Metals umgesetzt: Eine
Mischung aus Black-, Death- und Thrash-Elementen, die mit einem
guten Schuss Progressive gemischt wird. Beim ersten Song ging’s noch
nicht so richtig los, irgendwie hatte man das Gefühl, sie müssten
sich erst warmlaufen. Aber sie steigerten sich von Track zu Track,
und das Ganze endete für mich in einem der vorderen Ränge im Ranking
des Abends. Sie verstehen es wirklich, Stimmung und Atmosphäre zu
erzeugen, mal treibend schnell, dann wieder schleppend und
sphärisch. Die Double Base, die groovend und auch rasend den Boden
bot sowie die Gitarren zeigten, speziell bei den Soli oder auch bei
den Zwischenparts, was sie drauf haben. Meiner Meinung nach gehören
die Jungs zu den Abräumern des Abends, was man auch klar an der
Fanreaktion ansah: Die Matten wurden durch die Luft gewirbelt und
Fäuste gen Himmel gestreckt. Es ist technisch absolut brillanter
Death Metal, der auch mich als nicht ganz Hardcore-Todesblei-Jünger
voll und ganz überzeugt hat.
Evocation
So, ab in nordische Gefilde. Evocation aus dem IKEA-Land waren nun
an der Reihe. Zuerst kam die Band auf die Bühne und spielte ein
Intro. Der Frontmann brauchte seine Show, um auftreten zu können.
Aber als er dann auch die Bühne enterte, legten die Jungs mit viel
Freude los. Was die Geschwindigkeit anging, waren sie im schnelleren Death/Thrash Metal zu Hause,
aber es gab auch immer mal schleppende
Elemente, die das Ganze auflockerten. Das Drumming war wirklich
brutal. Die Double Base-Salven jagten einem nur so um die Ohren, als
ob man mitten in einem Schlachtfeld stehen würde. Nach dem zweiten
Song musste Das Drumkit bereits neu gerichtet und erste Schäden
behoben werden, dann ging es auch schon weiter im Gefecht. Man hörte
bei ihrem Sound ganz klar den schwedischen Touch heraus, die Vocals
von Mastermind Tjompe waren richtig hasserfüllt und böse, er brüllte
sich wahrlich die Seele aus dem Leib. Er war auch ständig in
Bewegung - sein Mikroständer hat er sich wohl bei Chuck Billy
(Testament) abgeschaut. Der war auch platzsparend angebracht, und so
konnte Tjompe die ganze Bühne beackern. Die Gitarristen waren auch
wirklich sattelfest in ihren Instrumenten. Das Riffing war nicht so
grosses Kino, aber die Soli wussten zu gefallen. Obwohl die Band mit
Spass an die Sache heranging, merkte man im Zuschauerraum, dass die
Stimmung merklich in sich zusammenfiel, was an der Tatsache liegen
könnte, dass dem Sound der Band einfach die gewisse Kraft fehlte.
Alles war sauber und gekonnt dargeboten, aber es fehlte einfach ein
gewisses Etwas an Power und Energie.
Dying Fetus
Auch wenn die ersten zwei Acts, speziell Obscura, wirklich gut
waren, wurde, mit dem Übersetzen über den grossen Teich auch gleich
ein Quantensprung, was Brutalität, Power und Kraft betrifft,
gemacht: Dying Fetus, ein Drei-Mann-Betrieb hatten nun ihren
Auftritt. Mit Trio-Formationen ist es immer so eine Sache: Kriegen
sie das, was auf Tonträgern killt, auch live umgesetzt? Im Falle der
Amis ist das klar mit Ja zu beantworten - von der ersten Sekunde an
zeigten sie, für was sie seit nun mehr als 15 Jahren stehen: rasend
schneller, brutaler Death Metal der Extra-Klasse. Ein Nackenbrecher
wurde an den nächsten angehängt, keine Verschnaufspausen wurden dem
Publikum in der guten Stunde, welche die Band zur Verfügung hatte,
gegönnt. Ein Potpourri aus der ganzen Schaffenszeit wurde
dargeboten, auch Liedgut vom neuen Album kam zum Zuge, und die Fans
zollten der wirklich überzeugenden Leistung Tribut, indem sie alles
gaben. Das wirklich geile an der Band ist, dass Gitarrist John sich
für die Growls und wirklich düsteren Parts der Vocals verantwortlich
zeigt und der Mann am Viersaiter, Sean, für die eher cleanen,
thrashigen Elemente zuständig ist. Das Wechselspiel der Zwei ist
einfach sackstark. Trotz aller Raserei und der wirklich ultraharten
Prügelei gab es auch bei ihren Songs immer mal kurze Auflockerung,
beispielsweise durch einen gekonnt gesetzten Gitarrenlauf oder einen
groovigen Basspart. Einfach unglaublich bei dem Dreier war aber der
Mann hinter den Kesseln, sprich Trey Williams: Was dieser Typ an
Beats pro Minute hinlegte, war einfach schon fast unheimlich, aber
immer mit absoluter Präzision und extremer Wucht gespielt. Tightness
wird bei den Amis gross geschrieben, sie sind perfekt eingespielt
und man konnte, neben dem Bangen, einfach nur mit offenem Mund
staunend vor der Stage stehen.
Cannibal Corpse
Es war noch früh an diesem Sonntagabend, sprich zwanzig Minuten nach
Zehn, als die Lichter ein letztes Mal ausgingen und eine der
führenden Death/Grind-Bands des Universums die Bühne enterte. Die
Jungs um den Mann mit dem Hals, der ähnlich breit wie sein Kopf ist,
genannt Corpsegrinder, waren an der Reihe, das Letzte aus den
wirklich sehr zahlreich erschienenen Fans heraus zu holen. Man
merkte der Band die Routine von 25 Jahren gut an: Sie verstanden
sich blind und prügelten tight und unheimlich brutal ihren Sound aus
den Speakern. Corpsegrinder sah man immer nur mit Haaren vor dem
Gesicht, er brüllte und rotzte die bluttriefenden Lyrics raus, als
gäbe es kein Morgen mehr. Dies versetzte die Meute in die Abgründe
von Cannibal Corpse: Man wurde in eine Welt voller Sex mit Zombies,
blutigen Schlachtereien und getöteten Babys entführt. Die Band bot
einfach den perfekten Soundtrack für ein krankes Kopfkino der
Extraklasse. Mit Brecheisen und Vorschlaghammer wurden die
Grundmauern des Z7 zum Beben gebracht. Drums und Bass pflegten ein
Zusammenspiel, das härter nicht mehr gehen konnte, einfach eine
Macht. Dazu kamen die Gitarrenriffs, welche die Bauchdecke ohne
Berührung aufplatzen liessen. Es wurde im Propellerformat gebangt,
dass man fast Angst haben musste, Corpsegrinder würde jederzeit
abheben, denn der Mann strapazierte seine Nackenmuskeln bis ans
Limit, was von den Fans logischerweise
übernommen wurde - von allen
Seiten bekam man Haare ins Gesicht geschlagen. Was leider bis zum
Schluss nicht funktionierte, obwohl es von der Bühne herab gefordert
wurde, war ein echter Riesen-Killer-Moshpit. Schade, aber dafür
waren die Zuschauer wohl schon zu verbraucht. Cannibal Corpse
walzten einfach alles in Grund und Boden, was sich ihnen in den Weg
stellte. Eine Kriegsmacht vom feinsten, treibend, groovend, brutal
prügelnd, ultimativ böse - das sind alles Bezeichnungen, welche auf
die Ami-Combo zutreffen und verkörpert wurden. Was einfach als
Negativpunkt angesehen werden konnte, war, dass die Breaks zwischen
den einzelnen Songs einfach zu lang waren. Klar, bei so viel Tempo
muss man auch trinken, sagt ja jeder Arzt, aber es kann auch zu
lange dauern. Trotz allem Hass und Splatter merkte man den Fans wie
der Band den Spass an, den alle an dem 1,5-stündigen Auftritt
hatten. Man könnte den Abend mit den Worten „Sunday Bloody Sunday“
gut umschreiben. Einfach ein Hammer-Konzert der Kannibalen wie auch
ihrer Supporter!
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