An diesem winterlichen Sonntag Abend trafen sich die Liebhaber der „jüngsten“
Genres der harten Musik, und zwar des Deathcore und Progressive
Metalcore, drinnen im Aarauer Konzertlokal KiFF. Man konnte sich dabei ziemlich
bekannte, aber sehr unterschiedliche Bands wie Chelsea Grin und Veil
Of Maya – schillernde und eigenartige Vertreter der neuen Generation
der schweren Musik - rein ziehen. Die Auswahl der Vorgruppen erfreute
mich nicht weniger als die amerikanischen Headliner. Zum einem die
superprogressive britische Band Oceans Ate Alaska und zum anderen die sehr
extremen Schweizer Conjonctive gerieten zum echten Schmuckstück der
Veranstaltung.
Conjonctive
Um 19.00 Uhr erschienen die Musiker von Conjonctive auf der
Bühne und von Anfang an verschafften sie sich Respekt! Der massive
Sound durchhallte den Zuschauerraum. Natürlich weckte das Duo, bestehend aus
zwei Sängern– dem Mädchen Sonia und dem Burschen Randy - gleich das
Interesse des Publikums. Aber es war klar, dass sich Randy als
Frontmann positionierte und Sonia nur bei ihm mitsang. Aber man
stellte bald fest, dass die beiden ein ziemlich harmonisches Duo
bildeten. Sonia besitzt eine tolle Growl-Stimme, aber an ihr spürte
man tiefe Verzweiflung und Kränklichkeit. Was aber Randy
angeht, wechselte er sehr leicht vom gewöhnlichen Growl auf guttural
und sogar Pig Squeals. Zweifellos ist seine Stimme dominierend. Aber
die Stimme des Mädchens nuancierte fein das Gebrüll des Leadsängers,
und somit wurde dieses Duo zur Trumpfkarte der Band. Das Songmaterial
der Gruppe machte allen Fans von langen Breakdowns und sehr tiefen
Sounds Freude. Deswegen bezeichnen sie selbst ihre Spielmanier als
Blackened Deathcore. Sehr düster und gleichzeitig sehr originell.
Zum Schluss sagte Randy, dass er hoffentlich bald alle auf den
nächsten Konzerten wiedersehen werde. Von mir selber füge ich hinzu,
dass die Band ein Debüt-Album mit dem Titel «Until The Whole World
Dies...» heraus gab, und diese Songs spielten die Musiker während des
halbstündigen Konzertes.
Oceans Ate Alaska
Um 19.45 Uhr begann der Auftritt der britischen Band Oceans Ate
Alaska. Es ist bemerkenswert, dass der Leadsänger James Harrison
sehr redselig und aufgeschlossen ist, deswegen begrüsste er
gleich alle Anwesende und bedankte sich bei ihnen, denn ohne sie
wäre die Veranstaltung nicht möglich gewesen. Diese schwungvolle
Rede war richtig anregend! Übrigens stellte
sich
heraus, dass die Musiker auf dieser Tournee das Geld für die
Herausgabe ihres Debüt-Albums sammelten, und am Konzert spielten sie
Songs der zukünftigen Veröffentlichung. Die Vorbe-stellung konnte man
gleich am Tisch des Merchandise-Shops vornehmen. Ich stimme hierbei zu,
dass es für das kommende Album, das man dann ja erst später mal kaufen kann,
keinesfalls verwerflich ist, vorher Geld zu verlangen. Sie spielten richtig
interessantes Material von hoher Qualität. Alle Musiker sind sehr
geschickt und besitzen eine hohe Fingerfertigkeit, was die Umsetzung
jedwelcher Ideen in der Musik erleichtert! Ausserdem muss ich
gestehen, dass ich mit eigenen Ohren eine der besten
Gesangesleistungen hörte. James beherrscht verschiedene Arten der
Growl-Stimme und kann nebenbei ganz leicht auf eine reine und sogar
schöne Stimme wechseln. Ab und zu schien es mir, dass er unter einer
Persönlichkeitsspaltung litt, denn James wechselte die Stimme beim
Singen so oft. In der Mitte des Auftrittes teile der Sänger mit,
dass die Band zum ersten Mal in der Schweiz sei, worüber sie sich
sehr freute. Zweifellos wird das Schaffen von Oceans Ate Alaska
viele Liebhaber unter den Fans der progressiven Musik finden. Leider
dauerte der Auftritt der Band nur kurze Zeit. Meiner Meinung nach
waren es gefühlte zwanzig Minuten, aber das reichte für die Erweckung des
Interesses.
Veil Of Maya Gegen 21.30 Uhr begann der Auftritt
der geheimnisvollen Band Veil Of Maya. Am Anfang herrschte fast völlige
Dunkelheit; die Bühne war nur durch einige ultramarine Lampen
beleuchtet. Neben den vier Musikern nahm rechts ein Laptop seinen
Ehrenplatz ein, denn der Auftritt dieser Band ist ohne den berühmten
elektronischen „Bildschirmschoner“ kaum vorstellbar, doch der
wichtigste Umstand des Auftrittes bestand darin, dass die Anwesenden
den neuen Sänger Lukas Magyar begrüssen konnten, der den früheren
Brandon Butler ersetzte. Im vorigen Herbst verliess Brandon
unerwartet die Band und es war eine ziemlich schwere
Belastungsprobe, die die Band jedoch bestand. Schon am 1. Januar 2015
veröffentlichten Veil Of Maya mit dem neuen Sänger ihre neue Single
mit dem ansprechenden Titel «Phoenix?. Der neue Mann am Frontmikro
stammt von der Progressive/Death Metal-Band Arms Of Empire und ist
immer noch Teil dieser Band. Wir werden sehen, wie es ihm gelingt,
für zwei Bands zu arbeiten. Aber der Sänger machte einen guten
Eindruck auf mich. Zweifellos hat er einen persönlichen Stil der
Haltung auf der Bühne, die ich eher als statisch bezeichnen würde.
Lukas ähnelt mit seinem Auftreten einem Beschwörer, der mitten im
magischen Kreis steht und zaubert.
Doch
dieser Stil passt eigentlich ziemlich gut zur Musik von Veil Of Maya
– zu der die Musiker versuchen, die Atmosphäre der alten
Indianerstämme zu erschaffen. Aber es war auch sehr interessant, den
Bandgründer und Gitarristen Marc Okubo beim Spielen zu beobachten;
er ist der Hauptkonkurrent für Tosin Abasi von Animals As Leader. Ich
füge hinzu, dass Lukas seine Rolle des Sängers 100-prozentig und
ausgezeichnet erfüllte: er sang sehr gut, organisierte eine Circle
Pit und am Ende kündigte er den Auftritt von Chelsea Grin an. Ich
kann die Tatsache, dass die meisten Leute ausgerechnet wegen Veil Of Maya
zum Konzert gekommen waren, nicht ausser Acht lassen. Während ihres
Auftrittes war der Raum sogar voller als anschliessend bei Chelsea
Grin, denn nach dem Auftritt fingen viele Fans von Veil Of Maya an,
die Veranstaltung zu verlassen.
Chelsea Grin
Der am extremsten gesinnte Teil des Publikums blieb jedoch bis zum
Auftritt von Chelsea Grin. Das Schaffen der Amerikaner aus Salt Lake City
unterscheidet sich stark von der Musik von Veil Of Maya mit ihren
intellektuellen Ausschweifungen. Deswegen fiel es selbst mir schwer,
so schnell umzuschalten. Alex Koehler versuchte von Anfang
an, das Publikum anzulocken, indem er die Zuhörer bat, näher an die
Bühne zu treten. In Wirklichkeit entstand in der Mitte des Raums
viel Platz, was den Sänger verwunderte. Aber er wusste nicht, dass
dies typisch für das schweizerische Publikum ist, “alles aus der Ferne zu
betrachten”. Noch nirgendwo habe ich so einen starken Wunsch des
Zuhörers verspürt, im Halbkreis zu stehen und nicht an die Bühne
ran zu gehen. Aber Schweizer Fans verhalten sich immer auf solche
Weise, und es hängt nicht vom Alter und der Musikszene ab. Aber nach
dem ersten Lied kamen dann doch fünf bis sechs gewillte Leute und fingen
mit Capoeira an, was den Sänger endlich beruhigte. Tatsächlich war der
Sound ziemlich extrem – auf der Bühne stand ein Drum-Set mit zwei
Basstrommeln und zwei Gitarristen spielten neben dem Bassisten. Dieses
Konzert fand im Rahmen der Europa-Tour zur Promotion des letzten Albums
statt, das Mitte des vergangenen Jahres unter dem Titel «Ashes To Ashes»
veröffentlicht wurde. Die Band spielte die interessantesten Kompositionen
von diesem Werk, unter anderem das sehr progressive «Angels Shall Sin,
Demons Shall Pray». Ausserdem spielten sie auch alte, extreme Lieder
wie «Crewcabanger» oder «Cheyne Stokes».
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