Livereview: Comaniac - Radwaste - Lotrify

27. Februar 2015, Aarau – Flösserplatz
By Rockslave
 
Noch bevor der langsam nahende Frühling die Knospen der Blüten zum Öffnen bringt, sorgte ein ziemlich lärmiger Abend dafür, dass dieser Vorgang zumindest in der unmittelbaren Umgebung verlangsamt wird! Die Lokalmatadoren Comaniac luden nämlich oberamtlich zur Taufe ihrer ersten Langrille «Return To The Wastleland» ein. Ich hatte Ende Mai 2014 bekanntlich die Gelegenheit, die töften Youngsters als eine der drei Support-Bands für Coroner im Winterthurer Salzhaus live zu sehen. Da blieb mir ob dieser sackstarken Darbietung echt die Spucke weg und ich fand schon am (zweiten) Demo meine helle Freude. Somit lechzten einige Fans und meine Wenigkeit natürlich nach mehr und dieser Wunsch ging jetzt erfreulich schnell in Erfüllung. Nun blieb bloss noch die Frage offen, ob die junge Band es schafft, die ungestüme Energie mit kompositorischer Klasse zu verbinden und das so auf einen Tonträger zu bannen. Kurzantwort: Ja, they did it (again)! Mit eingeladen wurden zwei befreundete Bands, wovon Radwaste eine ganze Weile weg vom Fenster waren und Lotrify nicht nur durch die «Bonebreaker Ball»-Tour über die Region hinaus bekannt geworden sind.


Lotrify

Obwohl zu Beginn des Konzertabends mit der Band aus der Region der Stadt Baden noch viel Platz vor der Bühne war, füllte sich der Raum zusehends. Lotrify traten bei der in der Einleitung erwähnten Konzertsause mit Coroner in Winterthur ebenso, wie Comaniac, als Anheizer auf. Ihre Performance fand ich damals ganz ok, obwohl sie mich nicht restlos überzeugt hatte. Auch der heutige Auftritt war insgesamt ähnlich gelagert. Die instrumentalen Fähigkeiten von Fabian Umiker (g), Yannick Bislin (g), Silvan Laube (b), Sergey Belyavskiy (d) und die Variabilität von Shouter Sacha Wacker stehen dabei allerdings überhaupt nicht zur Diskussion. Was mich nun aber nach dem eingehenden Anhören der 2013er 6-Track EP «Light Passes, Shadow Remains» zunehmend überrascht, ist, über welch gewaltiges Potenzial der Fünfer eigentlich verfügen würde! Die musikalischen Vorbilder sind mitunter Avenged Sevenfold und Disturbed, was man in der Tat nachvollziehen kann. Ich selber höre an gewissen Ecken und Enden auch noch etwas von Communic (mehr) und Machine Head (weniger) heraus. Nebst dem dichten fetten Riffing der Herren Umiker/Bislin ist es vor allem der Verdienst von Sachas sehr wandelbarer Gesangsstimme, die die Bandbreite zwischen extrem sauberen wie cleanen Parts bis hin zu kräftigen Grunts/Screams fliessend, wie zum Beispiel beim Rausschmeisser «Resurrection», abdeckt. Dabei wird auch immer wieder das melodiöse Element des typischen Lotrify-Sounds heraus gekehrt, der letztlich auch vom überaus filigranen Drum-Spiel von Sergey Belyavskiy geprägt wird. Soweit so gut, aber die überaus talentierte Gruppe muss künftig unbedingt dafür sorgen, dass die schiere Power des total überzeugenden Tonträgers auch auf der Bühne spürbar wird! Die Jungs könnten mit einem satten Mördersound einiges mehr bewirken! Nebst vier von total sechs Songs der sackstarken EP wurden fünf neuere Songs präsentiert, die ich mir gerne einmal auf der nächsten, hoffentlich bald einmal folgenden Scheibe anhören würde.

Setliste: «Sahara» - «End Of The Line» - «Welcome To Reality» - «Split The Pit» - «Killing The Inner Fire» - «Collateral Damage» - «Maria (I Like It Loud)» - «Xenophobic» - «Resurrection».


Radwaste
Die zweite Band ist ebenso im Kanton Aargau beheimatet und fand ihren Ursprung lokal betrachtet wie per eigener Auffassung „zwischen zwei Atomkraftwerken“. Bay Area Thrash der Marke Exodus und ein Faible für Nevermore sowie Megadeth hatten sich Daniel Jerosch (v/g), Beat Bugmann (g), Fabian Treier (b) und der ehemalige Drummer Manuel Christen auf die Fahne geschrieben. Nach der Gründung 2007 gingen Radwaste den Weg, den eigentlich alle Bands gehen müssen. Nachdem die ersten Songs standen, wurde der Mief des Übungsraumes verlassen und regionale Bühnen überall da gerockt, wo es möglich war. Letztlich gereichte es einmal gar zu einen Auftritt im slowenischen Tolmin, wo ja alljährlich das mittlerweile bestbekannte „Metalcamp“ abgehalten wird. 2010 bedeutete die Veröffentlichung der selbstbetitelten Debüt-CD den nächsten Schritt nach vorne. Das war vor fünf Jahren und da ich bisher noch nie was von den Jungs gesehen und gehört hatte, legt den Schluss nahe, dass sich die Karriere der vier Aargauer wohl nicht so weiter entwickelt hatte, wie ursprünglich vorgesehen. Darum erklärte es sich von selber, dass Dani Jerosch das Comeback von Radwaste zu Beginn des Sets verkündete und dabei auch gleich der neue Schlagzeuger in der Person von Dominik Baumgartner vorgestellt wurde. Neu oder zumindest „etwas verändert“ war zudem die Optik der Band, denn die Herren Bugmann und (vor allem der) Treier trugen ihr Haupthaar früher deutlich länger. Das färbte allerdings keineswegs auf das Spiel ab, denn das neu belebte Quartett legte von Anfang an wie die Feuerwehr los. Da sich das aktuelle Material teils noch in der „Festigungsphase“ befindet, ging der Opener nach dem Intro gemäss Setliste einfach mal als «Crèmeschnitte» ins Rennen, gefolgt von «Fade With Light», einem der Debüt-Tracks. Obwohl da einige Jährchen dazwischen liegen, klang das Ganze dennoch erstaunlich ausgewogen. Im Zentrum stand Frontmann Dani, während sein Sidekick Beat mehrfach wieselflinke Soli vom Stapel liess. Der Rhythmusteppich wurde derweil vom neu gebildeten Duo Treier/Baumgartner voll unten rein gebuttert. Bassist Fabian überragte dabei mit seiner stattlichen Grösse alle anderen um mindestens einen Kopf und steuerte dann und wann auch ein paar Backing Vocals bei. Radwaste wussten die inzwischen merklich angestiegene Menge an Fans bestens aus dem Busch zu locken und vorne weg flogen die Matten gleich reihenweise. Trotz der längeren Abstinenz kamen die Live-Qualitäten des technisch versierten Quartetts deutlich zum Ausdruck und somit wurde der „Aarauer Mob“ im Flösserplatz optimal für den Headliner auf Betriebstemperatur gebracht.

Setliste: «Intro» - «Crèmeschnitte» - «Fade With Light» - «War Never Changes» - «Spirit That Denies» - «SUDT» - «Metamorphosis» - «Head Heart Hand» - «Forbidden Fruit».


Comaniac
Nach einer zeitlich vernünftig dauernden Umbaupause war der nun der Moment für den Hauptact des Abends gekommen: Comaniac! Nachdem ich das Debüt-Album für die Rezension noch rechtzeitig vor der offiziellen CD-Taufe erhalten hatte, wusste ich natürlich, was mich grundsätzlich erwarten würde. Obwohl bis anhin nur ein gesehenes Konzert als Vergleich herhalten konnte, war ich echt gespannt, was nun folgen würde. Kaum waren Jonas Schmid (v/g), Dominic Blum (g), Raymond Weibel (b) und Cédric Iseli (d) auf die Bühne getreten, wurden sie erstmal lautstark begrüsst. Im Publikum waren nebst vielen Freunden aller Bands mitunter auch ein paar Musiker anderer Bands wie Battalion und Gonoreas auszumachen. Da im Vorfeld nichts rund um die CD-Taufe selber bekannt wurde, also ob zum Beispiel ein extra dafür eingeladener Taufpate seine Aufwartung machen würde, war es selbstsprechend, dass es Comaniac mehr um die Musik als Showeinlagen geht. Dass dem dann in der Tat wirklich so war, stellte sich bald heraus. Als Opener wurde nämlich «The Rake» gewählt, also einer der Songs, der bereits auf dem 2012-er Demo vertreten war und kaum hatten die Jungs angefangen zu spielen, ging das Volk ziemlich steil ab. Um diesen Zustand nicht abreissen zu lassen, folgte mit «Secret Seed» bereits der erste fette Groover, dessen Refrain natürlich voll einfuhr! Weiter gings mit «Fist Of Friends» und spätestens jetzt war die Band warm gespielt. In der Folge wurde das komplette neue Album (!), einfach in anderer Reihenfolge, gespielt und somit die uneingeschränkte Live-Tauglichkeit des Debüts unter Beweis gestellt. Noch bevor die CD-Taufe mit „Whisky für alle“ und ein paar gezündeten Tischbomben (!) zelebriert wurde, spielten sich immer verrücktere Szenen mit mindestens halbwegs durchdrehenden und teils ordentlich betankten Metalheads ab. Einige von ihnen enterten wiederholt die Bühne und liessen sich danach als Crowdsurfer über die Köpfe der Leute reichen. Interessanterweise schritt von der (an sich anwesenden) Security niemand ein und liess die Leute gewähren. Zum einen sorgte das sicher für beste Stimmung, aber mehr als einmal ging das dann halt auf Kosten der Spielpräzision und letztlich fehlte es etwas an der bedingungslosen Durchschlagskraft. Nichtsdestotrotz lieferten die Aarauer Lokal-Thrasher mehr als amtlich ab und untermauerten ihre Ambitionen auf mehr ohne Wenn und Aber. Das Axt-Duo Schmid/Blum ergänzte sich optimal, während die Rhythmusmachine Weibel/Iseli keine Gnade kannte. Bassist Raymond Weibel zockt ja sonst noch bei den Kollegen von Suborned, wo ja unsere taffe Lucie „Thrash-Queen“ Werlen ihre Stimmbänder malträtiert. Im Zugabenbereich gab es mit «And Then There Were None» eine Verneigung vor den Idolen von Exodus und zum Schluss gaben sich aktive und ehemalige Battalion-Musiker auf der total mit Krimskrams übersähten Bühne die Ehre, um gemeinsam mit Comaniac ihren Song «Headbangers» zu performen. Nach rund 80 Minuten ging diese spassige Mordsause zu Ende und trotz etwas chaotischen, aber so eigentlich erwarteten Zuständen, empfahl sich der würdige Headliner für weitere (Live-) Taten in der Zukunft.

Setliste: «The Rake» - «Secret Seed» - «Fist Of Friends» - «Killing Tendency» - «…and There Is No Job» - «1, 2, Rage» - «Monsters Final Creation» - «Cut Throat» - «Dagger Thrust / Tumor Troop» - «Solitude» -- «And Then There Were None (Exodus Cover)» - «Flakhead» - «Headbangers (Battalion Cover)».