An sich war der Konzertabend mit Coroner als Headliner im
Winterthurer Salzhaus Ende Mai und damit kurz vor deren kurzem
Australien-Trip (5 Gigs anfangs Juni) gedanklich längst gesetzt.
Dass
zusätzlich
gar noch drei Support-Bands aufspielen würden, entnahm ich beiläufig
der Anzeige, hatte mich aber kaum weiter damit befasst, denn ich
kannte keine einzige davon! Somit brachte ich mich, wie immer mit
meiner Kamera ausgerüstet, in Stellung und wartete gespannt auf die
erste Band des Abends: Comaniac! Danach folgten Lotrify, die
federführend bezüglich der diesjährigen Veranstaltungen im Rahmen
der „Bonebreaker Ball“- Tour» waren und heute Abend einen feinen
Abschluss auf die Beine stellten. Gut zu wissen und erfreulich
zugleich, dass Engagement und Beharrlichkeit zu zählbaren Resultaten
führt. Des Weiteren waren Death Mechanism aus Italien eingeladen
worden. Diese zeigten eindrücklich, dass unser südlicher Nachbar
musikalisch weitaus mehr als nur das längst ausgelutschte Rhapsody
(In Fire) Geniedel zu bieten hat. Coroner spielten zudem erstmals
mit ihrem neuen Schlagzeuger Diego Rapacchietti, der Ur-Drummer
Marky Edelmann ersetzte.
Comaniac
Was beim Opener des Abends gleich auffiel, war das jugendliche Alter
von Frontmann Jonas Schmid (v/g), Dominic Blum (g/v), Raymond Weibel
(b) und Cédric Iseli (d). Kaum hatten diese angefangen zu spielen,
traute ich meinen Ohren und Augen nicht, denn die Jungs rotzten
sowas von unbekümmert drauf los, wie es Metallica anfangs der 80er
in irgendeiner Garage in San Francisco wohl taten. Comaniac
lieferten in der Folge sowas von ab und holten echt alles aus den
letztlich viel zu mageren dreissig Minuten heraus. Natürlich
performte die wilde Truppe aus dem Aargau „nur“ althergebrachten
Thrash, tat dies aber mit überschäumender Energie und Spielfreude,
die spürbar rüber kam. Darüber hinaus hatte ich am Ende das Gefühl,
dass noch einige Luft nach oben übrig war und darum erwarte ich
jetzt nach dem ganz ordentlichen Demo mit Spannung das erste „full
lenght“-Album, das zu dem Zeitpunkt in den ersten Zügen war und noch
gegen Ende Jahr veröffentlicht werden soll! Da könnte neben
Battalion der nächste Schweizer Rohdiamant entstehen und noch für
Furore sorgen. Wer im Salzhaus dabei war, wird kaum anderer Meinung
sein, darum beide Daumen hoch für Comaniac!
Lotrify Wie ihre Kollegen zuvor (ausser dem
Solothurner Cédric Iseli), stammen auch Lotrify aus dem Aargau,
genauer aus der Stadt Baden. Mit dem Initiieren der „Bonebreaker
Ball“-Tour, heuer schon zum dritten Mal, stellte die Band wiederum
ihre eigenen Konzerte erfolgreich auf die Beine und ermöglichte so
auch anderen Newcomern eine Auftrittsmöglichkeit. Die Krönung dessen
war der heutige Abend, der mit einem hochkarätigen Headliner
aufwarten konnte. Musikalisch sehen sich Lotrify selber in der
Melodic Metal Ecke, was ich weitgehend auch so sehe. Allerdings
(d)rücken die oft growligen Vocals von Frontmann Sacha Wacker den
Sound mehr in die Hardcore (weniger) oder Melodeath-Ecke (mehr). Wer
sich die Einflüsse der 2008 gegründeten Band zur Brust nimmt, wird
neben Metallica, Godsmack, Disturbed, Avenged Sevenfold und Slipknot
auch Kamelot und HammerFall entdecken. In der Tat
werden
die verschiedenen Stile durch den Fleischwolf gedreht und nebst
riffigem Gepolter dringen stets auch prägnante Melodien der
Lead-Gitarren durch. Clever verpackte Mitsingparts, wie zum Beispiel
bei «Collateral Damage», unterstreichen die Live-Tauglichkeit.
Überhaupt klingen die Studio-Versionen der neuen 6-Track EP «Light
Passes, Shadow Remains» ziemlich tight und professionell. Diese
Kompaktheit fehlte mir heute Abend auf der Bühne jedoch. Dennoch
zeigten Lotrify als eingespieltes Team insgesamt eine solide
Leistung und darauf lässt sich für die Zukunft aufbauen.
Death Mechanism Das lärmige Trio aus
Italien, genauer aus Verona, sagte mir zuvor überhaupt nichts.
Während der Recherche tauchte dann aber in Zusammenhang mit dem
neuen (letztjährigen) Album «Twenty-First Century» der Name Tommy
Vetterli als Produzent und mit einem beigesteuerten Solo als
beteiligter Musiker auf. Damit erklärte sich die Verpflichtung in
diesem Billing selbstredend. Die Mucke war von Anfang an sowie
praktisch durchgehend ziemlich schnell und erinnerte aufgrund der
Vocals von
Gitarrist
und Frontshouter Pozza stark an Kreator. Was mir schon beim Zuhören
der deutschen Thrash-Ikone früher oder später auf den Senkel geht,
nämlich die viel zu statischen Vocals von Mille Petrozza, liess mein
Interesse an Death Mechanism relativ schnell schwinden. Dazu kam
noch ein fototechnisch absolut unbrauchbares Schummerlicht, was mir
fast noch auf die Stimmung schlug. A propos „technisch“, respektive
Technik. Eins musste man den flinken Italienern jedoch neidlos
lassen und anerkennen: Spielen konnten die drei Rabauken auf jeden
Fall wie der Teufel höchstpersönlich und es war zum Beispiel echt
schade, dass der auf der Platte gut hörbare Bass, respektive die
Basslines von Tieftöner Pedro, auf der Bühne nicht mehr auszumachen
waren. Obwohl Death Mechanism ihre Songs praktisch ohne
Verschnaufpause durchhämmerten, kam im Publikum kaum wirklich
Stimmung auf. Klar folgten dann und wann die stilistisch obligaten
Midtempo-Riffwalzen, doch diese waren eindeutig in der Unterzahl und
darum hinterliess die an sich recht heftige Chose, die ab und an
auch in den Gefilden des Death Metals wildern ging, einen eher
zwiespältigen Eindruck. Gleichzeitig stieg aber die Freude, dass nun
bald Coroner als würdiger Headliner aufmarschieren würden.
Coroner Kurz nach 22.30 Uhr war es dann
endlich soweit: The mighty Coroner were back again! Bei dem ganzen
Trockeneiseinsatz und dem wiederum sehr dürftigen Licht war es
zumeist noch schwieriger als bei Death Mechanism, ein paar
anständige Fotos hin zu kriegen. Dieses journalistische Malheur
wurde aber umgehend vom Hammer-Sound der Zürcher wett gemacht. Nach
über
zwanzig Jahren Pause spielte die Kult-Band wieder ein Konzert in
Winterthur. Der heutige Auftritt bedeutete auch den livehaftigen
Einstand des neuen Schlag-zeugers (siehe auch in der Einleitung) und
es war das letzte Konzert in Europa, bevor Tommy Vetterli (g), Ron
Broder (v/b), Diego Rapacchietti (d) und der langjährige
Tour-Keyboarder Daniel Stoessel für insgesamt fünf Konzerte nach
Australien übersetzten. Was vor noch nicht so langer Zeit eigentlich
undenkar war, ist nun Tatsache: Coroner sind definitiv zurück, wenn
auch im Moment „nur“ auf der Bühne. Als Spätzünder gereichte es mir
zum grossen Glück dennoch, das Ur-Lineup wenigstens einmal (in
Luzern) als Headliner zu sehen. Die heutige Show im Salzhaus war
absolut ebenbürdig und es war einfach nur der Oberhammer, was sich
vor allem meinen Ohren erschloss. Das mit dem Sehen war wie gesagt
etwas schwieriger! Bereits der Opener «Internal Conflicts» (ab dem
93er-Werk «Grin») geriet zum Schädelspalter par excellence und
spätestens bei der ersten Bridge in den Groove-Part hinein, galt
meine Aufmerksamkeit mehr der Musik als den Fotos. Etwas
gemächlicher, aber nicht weniger heavy rockte es darauf bei «Serpent
Moves» und obwohl mir das Headbangen physisch, das heisst im
Nackenbereich, nicht mehr wirklich „gut“ tut, gab es einfach kein
Halten mehr!
Mit «Son Of Lilith» (ab dem Album «Mental Vortex», 1991) kamen dann
die Celtic Frost Vibes der früheren Tage hervor und liessen die
vordersten Reihen heftig abschädeln. In Ermangelung neuer Songs (die
möglicherweise bald einmal folgen werden!) präsentierten die
Schweizer Progressive Thrasher eine „Best-Of“-Show ihrer
Meisterwerke. Nebst der immer noch fies klingenden Stimme von Ron,
kamen auch die Riffs und Soli von Tommy nach wie vor fett wie
filigran zugleich daher. Der Reigen der Klassiker riss natürlich
nicht ab und jeder weitere Song wie «Semtex Revolution» oder
«Metamorphosis» (beide auch auf «Mental Vortex» zu finden), knallte
ohne Ende und meinen Nacken spürte ich schon lange nicht mehr, dafür
nachher umso heftiger. Das mehrheitlich jüngere Publikum und einige
angegraute Semester wie ich wurden Zeugen davon, wie ein weiteres
Stück Schweizer Musikgeschichte geschrieben wurde. Der einzigartige
und wiederbelebte Götter-Sound von Coroner ist aktuell nicht mal von
Patina überzogen, geschweige denn eingerostet oder antiquiert. Mein
persönliches Highlight war jedoch eine „extended version“ des
sphärischen Instrumentals «Gliding Above While Being Below», das
mich völlig in den Bann zog und aufzeigte, was diese fantastische
Band letztlich immer noch ausmacht. Als totaler Kontrast dazu
polterte «Masked Jackal» darauf auf grandiose Art und Weise und mit
weiteren Reminiszenzen an einen gewissen Tom G. Warrior und seine
Mannen von damals. Bis zum letzten Ton der rund 85 Minuten dieses
denkwürdigen Konzertes gaben Coroner alles und versetzten vor allem
die älteren Fans in einen selten erlebten Zustand der
Glückseligkeit! Absolut killermässig!!
Setliste: «Golden Cashmere Sleeper, Part 1 (Intro) » - «Internal
Conflicts» - «Serpent Moves» - «Son Of Lilith» - «Divine Step
(Conspectu Mortis)» - «Semtex Revolution» - «Still Thinking» -
«Metamorphosis» - «The Lethargic Age» - «Gliding Above While Being
Below» - «Masked Jackal» - «Grin (Nails Hurt) » -- «Reborn Through
Hate»
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