Livereview: Coroner - Death Mechanism - Lotrify - Comaniac

29. Mai 2014, Winterthur – Salzhaus
By Rockslave
 
An sich war der Konzertabend mit Coroner als Headliner im Winterthurer Salzhaus Ende Mai und damit kurz vor deren kurzem Australien-Trip (5 Gigs anfangs Juni) gedanklich längst gesetzt. Dass zusätzlich gar noch drei Support-Bands aufspielen würden, entnahm ich beiläufig der Anzeige, hatte mich aber kaum weiter damit befasst, denn ich kannte keine einzige davon! Somit brachte ich mich, wie immer mit meiner Kamera ausgerüstet, in Stellung und wartete gespannt auf die erste Band des Abends: Comaniac! Danach folgten Lotrify, die federführend bezüglich der diesjährigen Veranstaltungen im Rahmen der „Bonebreaker Ball“- Tour» waren und heute Abend einen feinen Abschluss auf die Beine stellten. Gut zu wissen und erfreulich zugleich, dass Engagement und Beharrlichkeit zu zählbaren Resultaten führt. Des Weiteren waren Death Mechanism aus Italien eingeladen worden. Diese zeigten eindrücklich, dass unser südlicher Nachbar musikalisch weitaus mehr als nur das längst ausgelutschte Rhapsody (In Fire) Geniedel zu bieten hat. Coroner spielten zudem erstmals mit ihrem neuen Schlagzeuger Diego Rapacchietti, der Ur-Drummer Marky Edelmann ersetzte.

Comaniac

Was beim Opener des Abends gleich auffiel, war das jugendliche Alter von Frontmann Jonas Schmid (v/g), Dominic Blum (g/v), Raymond Weibel (b) und Cédric Iseli (d). Kaum hatten diese angefangen zu spielen, traute ich meinen Ohren und Augen nicht, denn die Jungs rotzten sowas von unbekümmert drauf los, wie es Metallica anfangs der 80er in irgendeiner Garage in San Francisco wohl taten. Comaniac lieferten in der Folge sowas von ab und holten echt alles aus den letztlich viel zu mageren dreissig Minuten heraus. Natürlich performte die wilde Truppe aus dem Aargau „nur“ althergebrachten Thrash, tat dies aber mit überschäumender Energie und Spielfreude, die spürbar rüber kam. Darüber hinaus hatte ich am Ende das Gefühl, dass noch einige Luft nach oben übrig war und darum erwarte ich jetzt nach dem ganz ordentlichen Demo mit Spannung das erste „full lenght“-Album, das zu dem Zeitpunkt in den ersten Zügen war und noch gegen Ende Jahr veröffentlicht werden soll! Da könnte neben Battalion der nächste Schweizer Rohdiamant entstehen und noch für Furore sorgen. Wer im Salzhaus dabei war, wird kaum anderer Meinung sein, darum beide Daumen hoch für Comaniac!

Lotrify
Wie ihre Kollegen zuvor (ausser dem Solothurner Cédric Iseli), stammen auch Lotrify aus dem Aargau, genauer aus der Stadt Baden. Mit dem Initiieren der „Bonebreaker Ball“-Tour, heuer schon zum dritten Mal, stellte die Band wiederum ihre eigenen Konzerte erfolgreich auf die Beine und ermöglichte so auch anderen Newcomern eine Auftrittsmöglichkeit. Die Krönung dessen war der heutige Abend, der mit einem hochkarätigen Headliner aufwarten konnte. Musikalisch sehen sich Lotrify selber in der Melodic Metal Ecke, was ich weitgehend auch so sehe. Allerdings (d)rücken die oft growligen Vocals von Frontmann Sacha Wacker den Sound mehr in die Hardcore (weniger) oder Melodeath-Ecke (mehr). Wer sich die Einflüsse der 2008 gegründeten Band zur Brust nimmt, wird neben Metallica, Godsmack, Disturbed, Avenged Sevenfold und Slipknot auch Kamelot und HammerFall entdecken. In der Tat werden die verschiedenen Stile durch den Fleischwolf gedreht und nebst riffigem Gepolter dringen stets auch prägnante Melodien der Lead-Gitarren durch. Clever verpackte Mitsingparts, wie zum Beispiel bei «Collateral Damage», unterstreichen die Live-Tauglichkeit. Überhaupt klingen die Studio-Versionen der neuen 6-Track EP «Light Passes, Shadow Remains» ziemlich tight und professionell. Diese Kompaktheit fehlte mir heute Abend auf der Bühne jedoch. Dennoch zeigten Lotrify als eingespieltes Team insgesamt eine solide Leistung und darauf lässt sich für die Zukunft aufbauen.

Death Mechanism
Das lärmige Trio aus Italien, genauer aus Verona, sagte mir zuvor überhaupt nichts. Während der Recherche tauchte dann aber in Zusammenhang mit dem neuen (letztjährigen) Album «Twenty-First Century» der Name Tommy Vetterli als Produzent und mit einem beigesteuerten Solo als beteiligter Musiker auf. Damit erklärte sich die Verpflichtung in diesem Billing selbstredend. Die Mucke war von Anfang an sowie praktisch durchgehend ziemlich schnell und erinnerte aufgrund der Vocals von Gitarrist und Frontshouter Pozza stark an Kreator. Was mir schon beim Zuhören der deutschen Thrash-Ikone früher oder später auf den Senkel geht, nämlich die viel zu statischen Vocals von Mille Petrozza, liess mein Interesse an Death Mechanism relativ schnell schwinden. Dazu kam noch ein fototechnisch absolut unbrauchbares Schummerlicht, was mir fast noch auf die Stimmung schlug. A propos „technisch“, respektive Technik. Eins musste man den flinken Italienern jedoch neidlos lassen und anerkennen: Spielen konnten die drei Rabauken auf jeden Fall wie der Teufel höchstpersönlich und es war zum Beispiel echt schade, dass der auf der Platte gut hörbare Bass, respektive die Basslines von Tieftöner Pedro, auf der Bühne nicht mehr auszumachen waren. Obwohl Death Mechanism ihre Songs praktisch ohne Verschnaufpause durchhämmerten, kam im Publikum kaum wirklich Stimmung auf. Klar folgten dann und wann die stilistisch obligaten Midtempo-Riffwalzen, doch diese waren eindeutig in der Unterzahl und darum hinterliess die an sich recht heftige Chose, die ab und an auch in den Gefilden des Death Metals wildern ging, einen eher zwiespältigen Eindruck. Gleichzeitig stieg aber die Freude, dass nun bald Coroner als würdiger Headliner aufmarschieren würden.

Coroner
Kurz nach 22.30 Uhr war es dann endlich soweit: The mighty Coroner were back again! Bei dem ganzen Trockeneiseinsatz und dem wiederum sehr dürftigen Licht war es zumeist noch schwieriger als bei Death Mechanism, ein paar anständige Fotos hin zu kriegen. Dieses journalistische Malheur wurde aber umgehend vom Hammer-Sound der Zürcher wett gemacht. Nach über zwanzig Jahren Pause spielte die Kult-Band wieder ein Konzert in Winterthur. Der heutige Auftritt bedeutete auch den livehaftigen Einstand des neuen Schlag-zeugers (siehe auch in der Einleitung) und es war das letzte Konzert in Europa, bevor Tommy Vetterli (g), Ron Broder (v/b), Diego Rapacchietti (d) und der langjährige Tour-Keyboarder Daniel Stoessel für insgesamt fünf Konzerte nach Australien übersetzten. Was vor noch nicht so langer Zeit eigentlich undenkar war, ist nun Tatsache: Coroner sind definitiv zurück, wenn auch im Moment „nur“ auf der Bühne. Als Spätzünder gereichte es mir zum grossen Glück dennoch, das Ur-Lineup wenigstens einmal (in Luzern) als Headliner zu sehen. Die heutige Show im Salzhaus war absolut ebenbürdig und es war einfach nur der Oberhammer, was sich vor allem meinen Ohren erschloss. Das mit dem Sehen war wie gesagt etwas schwieriger! Bereits der Opener «Internal Conflicts» (ab dem 93er-Werk «Grin») geriet zum Schädelspalter par excellence und spätestens bei der ersten Bridge in den Groove-Part hinein, galt meine Aufmerksamkeit mehr der Musik als den Fotos. Etwas gemächlicher, aber nicht weniger heavy rockte es darauf bei «Serpent Moves» und obwohl mir das Headbangen physisch, das heisst im Nackenbereich, nicht mehr wirklich „gut“ tut, gab es einfach kein Halten mehr!

Mit «Son Of Lilith» (ab dem Album «Mental Vortex», 1991) kamen dann die Celtic Frost Vibes der früheren Tage hervor und liessen die vordersten Reihen heftig abschädeln. In Ermangelung neuer Songs (die möglicherweise bald einmal folgen werden!) präsentierten die Schweizer Progressive Thrasher eine „Best-Of“-Show ihrer Meisterwerke. Nebst der immer noch fies klingenden Stimme von Ron, kamen auch die Riffs und Soli von Tommy nach wie vor fett wie filigran zugleich daher. Der Reigen der Klassiker riss natürlich nicht ab und jeder weitere Song wie «Semtex Revolution» oder «Metamorphosis» (beide auch auf «Mental Vortex» zu finden), knallte ohne Ende und meinen Nacken spürte ich schon lange nicht mehr, dafür nachher umso heftiger. Das mehrheitlich jüngere Publikum und einige angegraute Semester wie ich wurden Zeugen davon, wie ein weiteres Stück Schweizer Musikgeschichte geschrieben wurde. Der einzigartige und wiederbelebte Götter-Sound von Coroner ist aktuell nicht mal von Patina überzogen, geschweige denn eingerostet oder antiquiert. Mein persönliches Highlight war jedoch eine „extended version“ des sphärischen Instrumentals «Gliding Above While Being Below», das mich völlig in den Bann zog und aufzeigte, was diese fantastische Band letztlich immer noch ausmacht. Als totaler Kontrast dazu polterte «Masked Jackal» darauf auf grandiose Art und Weise und mit weiteren Reminiszenzen an einen gewissen Tom G. Warrior und seine Mannen von damals. Bis zum letzten Ton der rund 85 Minuten dieses denkwürdigen Konzertes gaben Coroner alles und versetzten vor allem die älteren Fans in einen selten erlebten Zustand der Glückseligkeit! Absolut killermässig!!
Setliste: «Golden Cashmere Sleeper, Part 1 (Intro) » - «Internal Conflicts» - «Serpent Moves» - «Son Of Lilith» - «Divine Step (Conspectu Mortis)» - «Semtex Revolution» - «Still Thinking» - «Metamorphosis» - «The Lethargic Age» - «Gliding Above While Being Below» - «Masked Jackal» - «Grin (Nails Hurt) » -- «Reborn Through Hate»