Livereview: Crow's Flight - Jane Reaction - Nidhöggr
03. März 2012, Metalnight - Thun (BE)
By Roger W.
Es kommt selten vor, dass eine noch unbekannte finnische Metalband für zwei Konzerte in die Schweiz fliegt. Wenn aber der deutsche Sänger in der Region Frutigen wohnt, steigt die Wahrscheinlichkeit schon mal erheblich. Crow’s Flight waren also die Headliner der Metal Night in Thun. Und alles hätte famos werden können: Die Fans waren zahlreich erschienen, die Bühne klein aber fein und der Sound (zu) laut, aber doch in Ordnung. Und ausgerechnet an so einem perfekten Abend fiel die Stimme von Sänger Crow fast völlig aus. So was hatte es bisher weder mit seiner anderen Band Medusa’s Child noch bei vorigen Projekten gegeben. Ein Plan B musste her, um zu reagieren, falls die Stimmbänder des Gequälten völlig aussteigen würden. Aber zum Glück blieb noch Zeit, während der beiden Vorbands Nidhöggr und Jane Reaction die Stimme zu schmieren und zu ölen. Ob Crow singen konnte, erfahrt ihr weiter unten. Lasset uns zusammen mit ihm (mit weniger Druck und Leiden) den wohlwollenden Klängen der Vorbands lauschen!

Nidhöggr

Ein Heimspiel ballerten die Jungmetaller von Nidhöggr an diesem Abend in die Thuner Nacht. Die Band hatte dementsprechend viel Zuspruch, was ihnen von Herzen gegönnt sei. Aber nicht nur am „ich kenne den Gitarristen seit 12 Jahren“ lag die grosse Heerschar, die den Saal in einen kleinen Headbangertümpel verwandelte, sondern auch an den Songs selbst. Als härteste Band des Abends überzeugten sie mit einer Mischung aus Folk, Heavy Metal, Death Metal-Gekeife und Deutschen Texten. Das klang irgendwie anders, und irgendwie auch gut. Traditionalisten suchten bei dieser explosiven Mischung gerne das Weite, während das Jungvolk steil ging. Die fordere Front der Bühne wurde mit den beiden Gitarristen dem Sänger gut gefüllt. Ein Bassist fehlt bisher noch, dafür sorgte der Keyboarder für allerlei mittelalterlichen Klänge. Etwas hüftsteif wirkte die Show zwar noch. Das Potential war aber klar seh-, hör- und spürbar. Man darf gespannt sein, was von Nidhöggr künftig noch alles kommen wird. Thun erwacht!


Jane Reaction
Anderer Sound und eine andere Show war bei Jane Reaction angesagt. Die langjährige Erfahrung der Berner sah man ihnen sofort an. Dazu kamen Lieder, die irgendwo zwischen Rock’n’Roll, Hard Rock und Heavy Metal einzuordnen sind. Eigenständigkeit wird hier grossgeschrieben. Die vier Jungs hatten sichtlich Spass und wirkten sowohl musikalisch wie auch showmäsig äusserst agil. Sänger Raff Daehler glänzte durch einen rebellisch anmutenden Ausdruck. Dazu kam die druckvolle Spielweise, welche Jane Reaction in eine härtere Richtung drückt, als die Songs an sich vielleicht sind. Wer nun denkt, dass die Band nur durch ihr Set bolzte, liegt falsch. Denn immer schlichen sich sanftere Klänge ein, ohne dass die Songs gleich in die progressive Richtung drifteten. Dafür war ein gewisser grungiger Unterton nicht zu leugnen. Jane Reaction glänzten und bewiesen, dass sie definitiv bereit sind für weitere Grosstaten.


Crow’s Flight
Die Gretchen-Frage wurde nun aufgelöst: Kann Sänger Crow an diesem Abend singen oder nicht? Man erinnere sich, dass der Deutsche mit allerlei Mittelchen von der Bar (öhm… Tee!) versuchte, seine Stimmbänder in die richtigen Schwingungen zu versetzen. Ja, er konnte. Auch wenn es mehr ein gequältes Rausröcheln war. Crow selber schien dabei am wenigsten von sich überzeugt zu sein, und wirkte gequält. Sichtlich nicht zufrieden mit seiner Leistung, senkte er die Merchpreise um je 5 Franken, damit die Fans sich das Original anhören konnten. Dabei war das Gehörte nicht mal so schlimm, denn zwei Faktoren halfen ihm: Erstens seine Mitsinger am Keyboard und am Bass und anderseits die besonders laute Abmischung, welche Feinheiten im Sound etwas kaschierte. Und so kamen Perlen wie „Elf King’s Lies“, das Hitverdächtige „Heroes Dying Alone“ oder das schnelle „Gabriel“ wie aus einem Guss. Besonders die selten eingesetzten, an Rob Halford erinnernden Schreie traf Crow einwandfrei, während (laut eigener Aussage) die Mitten völlig weg waren. Crow’s Flight gaben vor dem merklich geschrumpften Publikum mächtig Gas. Und gegen Schluss rang sich sogar Crow ein Lächeln ab. Mit „Breaking The Law“ zollten die fliegenden Krähen zum Schluss den Metalgöttern Judas Priest Tribute. Hoffen wir, dass diese beim nächsten Mal milde gestimmt sind, und Crow seine einmalige Stimme wieder erhält. Ein schöner Abend war es auf jeden Fall. Auf ein Wiedersehen! Ob in Finnland oder der Schweiz!