Es kommt selten vor, dass eine noch unbekannte finnische
Metalband für zwei Konzerte in die Schweiz fliegt. Wenn aber der
deutsche Sänger in der Region Frutigen wohnt, steigt die
Wahrscheinlichkeit schon mal erheblich. Crow’s Flight waren also die
Headliner der Metal Night in Thun. Und alles hätte famos werden
können: Die Fans waren zahlreich erschienen, die Bühne klein aber
fein und der Sound (zu) laut, aber doch in Ordnung. Und ausgerechnet
an so einem perfekten Abend fiel die Stimme von Sänger Crow fast
völlig aus. So was hatte es bisher weder mit seiner anderen Band
Medusa’s Child noch bei vorigen Projekten gegeben. Ein Plan B musste
her, um zu reagieren, falls die Stimmbänder des Gequälten völlig
aussteigen würden. Aber zum Glück blieb noch Zeit, während der
beiden Vorbands Nidhöggr und Jane Reaction die Stimme zu schmieren
und zu ölen. Ob Crow singen konnte, erfahrt ihr weiter unten. Lasset
uns zusammen mit ihm (mit weniger Druck und Leiden) den
wohlwollenden Klängen der Vorbands lauschen!
Nidhöggr
Ein Heimspiel ballerten die Jungmetaller von Nidhöggr an diesem
Abend in die Thuner Nacht. Die Band hatte dementsprechend viel
Zuspruch, was ihnen von Herzen gegönnt sei. Aber nicht nur am „ich
kenne den Gitarristen seit 12 Jahren“ lag die grosse Heerschar, die
den Saal in einen kleinen Headbangertümpel verwandelte, sondern auch
an den Songs selbst. Als härteste Band des Abends überzeugten sie
mit einer Mischung aus Folk, Heavy Metal, Death Metal-Gekeife und
Deutschen Texten. Das klang irgendwie anders, und irgendwie auch
gut. Traditionalisten suchten bei dieser explosiven Mischung gerne
das Weite, während das Jungvolk steil ging. Die fordere Front der
Bühne wurde mit den beiden Gitarristen dem Sänger gut gefüllt. Ein
Bassist fehlt bisher noch, dafür sorgte der Keyboarder für allerlei
mittelalterlichen Klänge. Etwas hüftsteif wirkte die Show zwar noch.
Das Potential war aber klar seh-, hör- und spürbar. Man darf
gespannt sein, was von Nidhöggr künftig noch alles kommen wird. Thun
erwacht!
Jane Reaction
Anderer
Sound und eine andere Show war bei Jane Reaction angesagt. Die
langjährige Erfahrung der Berner sah man ihnen sofort an. Dazu kamen
Lieder, die irgendwo zwischen Rock’n’Roll, Hard Rock und Heavy Metal
einzuordnen sind. Eigenständigkeit wird hier grossgeschrieben. Die
vier Jungs hatten sichtlich Spass und wirkten sowohl musikalisch wie
auch showmäsig äusserst agil. Sänger Raff Daehler glänzte durch
einen rebellisch anmutenden Ausdruck. Dazu kam die druckvolle
Spielweise, welche Jane Reaction in eine härtere Richtung drückt,
als die Songs an sich vielleicht sind. Wer nun denkt, dass die Band
nur durch ihr Set bolzte, liegt falsch. Denn immer schlichen sich
sanftere Klänge ein, ohne dass die Songs gleich in die progressive
Richtung drifteten. Dafür war ein gewisser grungiger Unterton nicht
zu leugnen. Jane Reaction glänzten und bewiesen, dass sie definitiv
bereit sind für weitere Grosstaten.
Crow’s
Flight
Die Gretchen-Frage wurde nun aufgelöst: Kann Sänger Crow an diesem
Abend singen oder nicht? Man erinnere sich, dass der Deutsche mit
allerlei Mittelchen von der Bar (öhm… Tee!) versuchte, seine
Stimmbänder in die richtigen Schwingungen zu versetzen. Ja, er
konnte. Auch wenn es mehr ein gequältes Rausröcheln war. Crow selber
schien dabei am wenigsten von sich überzeugt zu sein, und wirkte
gequält. Sichtlich nicht zufrieden mit seiner Leistung, senkte er
die Merchpreise um je 5 Franken, damit die Fans sich das Original
anhören konnten. Dabei war das Gehörte nicht mal so schlimm, denn
zwei Faktoren halfen ihm: Erstens seine Mitsinger am Keyboard und am
Bass und anderseits die besonders laute Abmischung, welche
Feinheiten im Sound etwas kaschierte. Und so kamen Perlen wie „Elf
King’s Lies“, das Hitverdächtige „Heroes Dying Alone“ oder das
schnelle „Gabriel“ wie aus einem Guss. Besonders die selten
eingesetzten, an Rob Halford erinnernden Schreie traf Crow
einwandfrei, während (laut eigener Aussage) die Mitten völlig weg
waren. Crow’s Flight gaben vor dem merklich geschrumpften Publikum
mächtig Gas. Und gegen Schluss rang sich sogar Crow ein Lächeln ab.
Mit „Breaking The Law“ zollten die fliegenden Krähen zum Schluss den
Metalgöttern Judas Priest Tribute. Hoffen wir, dass diese beim
nächsten Mal milde gestimmt sind, und Crow seine einmalige Stimme
wieder erhält. Ein schöner Abend war es auf jeden Fall. Auf ein
Wiedersehen! Ob in Finnland oder der Schweiz!
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