Livereview: D-A-D - Simeon Soul Charger
26. Februar 2012, Pratteln - Z7
By Rockslave
Immerhin interessierten sich so viele Leute für das Konzert der dänischen Kult-Rocker, dass der ursprünglich in der Galery angesetzte Auftritt ins Z7 verlegt wurde. Es gab aber mal andere Zeiten, wo D-A-D beim heimatlichen "Roskilde Festival" in Kopenhagen mehrfach vor jeweils rund 50'000 Fans aufspielen konnten. Dazu kommt, was viele Leute wohl gar nicht mehr wissen, dass D-A-D im Jahre 2005 einen der Support-Slots des Abschiedskonzertes der Böhsen Onkelz vor 120.000 Zuschauern (!!) in der Lausitz hatten. Seither sind fast sieben Jahre vergangen und obwohl in der Zwischenzeit zwei weitgehend unbeachtete Alben erschienen sind, gibt es die Band der Binzer-Brothers Jesper (v/g) und Jacob (g) immer noch. Der unbestrittene Eyecatcher der Gruppe ist aber Bassist Stig Pedersen, der sehr eigenwillige Instrumente spielt, die sich nebst töften Lichteffekten und unüblichen Formen dadurch von der Masse abheben, dass stets nur zwei Saiten vorhanden sind. Vervollständigt wird das Lineup durch Drummer Laust Sonne, der seit 1999 hinter den Kesseln sitzt. Als Support spielten die mir bisher unbekannten Amis von Simeon Soul Charger aus Akron, Ohio auf.

Simeon Soul Charger

Rein von der Optik her dominierten eindeutig die 70ies und das passte zumindest zum derzeit grassierenden Retro-Hype. Es ist nicht mehr zu übersehen wie überhören, dass immer mehr junge und oftmals brillante Bands ihr Publikum zu erobern versuchen. Die musikalischen Wurzeln liegen dabei, wenn auch sehr oft, nicht nur bei Led Zeppelin und Black Sabbath. Der kompositorische Fundus von Simeon Soul Charger enthält die eben genannten Rock-Fossile natürlich auch, aber da kommt noch jede Menge mehr an songwriterischen Inspirationen zusammen, zu denen weitere Grössen wie Queen, Jethro Tull, Radiohead, Muse, Jimi Hendrix, Pink Floyd, King Crimson, The Beatles, T-Rex und noch viele mehr dazu gehören. Selbst härtere Bandagen wie Rage Against The Machine und Primus werden genannt. Das alles führt einerseits zu einem vermeintlich totalen Durcheinander oder lässt andererseits Raum für unbegrenzte Möglichkeiten. Das war es dann schliesslich, was Aaron Brooks (v/g/keyb), Rick Phillips (g/v), Spider Monkey (b) und Joe Kidd (d) während rund 45 Minuten zelebrierten. Dazu gehörten auch Songs mit Überlänge, die verschiedene Tempi und Stimmungen abdeckten. Damit war das Publikum aber offensichtlich mehr überfordert als angetan, denn ausser etwas Höflichkeitsapplaus regte sich bei den mehreren hundert Besuchern nicht viel. Simeon Soul Charger zeigten sich davon aber unbeeindruckt und spielten ihr Set mit Herzblut durch. Darüber hinaus blitzte das offensichtliche, technische Können wie die Lockerheit der vier Amerikaner deutlich auf und hinterliess zumindest von dieser Seite her einen sehr guten Eindruck. Die meisten Songs, wenn nicht gar alle, dürften ab dem letztjährigen Debüt-Album «Meet Me In The Afterlife» gewesen sein. Möglich ist aber auch, dass einzelne Stücke der beiden ersten EP's gespielt wurden. Fakt ist auf jeden Fall, dass es Simeon Soul Charger ohne all deren Vorbilder in dieser Form nicht geben würde und dass damit gleichaltrige, also jüngere Fans noch ziemlich ins Staunen kommen, wenn sie entdecken, aus welchen Sound-Ingredienzien dieser reichhaltige Klang-Kosmos besteht, den die Truppe selber relativ simpel, aber durchaus treffend, als Psychedelic Rock bezeichnet.



D-A-D
Als der heutige Headliner um Punkt 21.30 Uhr auf die Bühne des Z7 stieg, waren gut 500 Leute in der Halle, die natürlich so niemals in der Galery Platz gefunden hätten. So gesehen war es also für die Band wie die Fans ein klarer Gewinn, denn auf diese Weise kam man in den Genuss eines erstens viel besseren Sounds und zweitens ist das hauseigene Licht eh über jeden Zweifel erhaben. Dies gilt auch für die zeitlosen Rock-Songs von D-A-D, die ihr Set mit «A New Age Moving In», dem Opener des aktuellen, am 11.11.11 erschienenen Albums «DIC.NII.LAN.DAFT.ERD.ARK», eröffneten. Wer den Albumtitel übrigens mal genau anschaut, wird auf den alten, damals noch ganz ausgeschriebenen Bandnamen "Disneyland After Dark" stossen, der ja seit 1989 (durch die Walt Disney Company) auf die Kurzform hat umgewandelt werden müssen. Das dürfte aber nicht zum Nachteil gereicht haben, denn das letztlich so entstandene Bandlogo ist allseits bekannt. Wie erwartet heimste Bassist Stig Pedersen die grösste Beachtung durch seine coolen Instrumente und das sehr agile Spiel ein. Der Sound insgesamt war von Anfang recht gut und wider Erwarten konnten auch die Basslinien deutlich ausgemacht werden. Das kam auch dem Groover «Jihad» zugute, der mir wie eine alte Krokus-Nummer vorkam und voll abging. Spätestens bei der treibenden Midtempo-Walze «The End» (die herrlich nach den bei uns, ausser in ihrer Heimat Finnland, längst vergessenen Havana Black[s] klang) war die ganze Halle nun definitiv wach gerüttelt. In der Folge zeigten die Dänen ihre ganze Bandbreite, die mitunter auch ein paar Country-Sprengsel, wie bei «Point Of View» beinhaltete. Von ihren total elf Alben, die zwischen 1986 und 2011 erschienen sind, wurden deren sieben bezüglich der Setliste berücksichtigt. Der Fokus lag dabei klar bei der aktuellen Langrille, von der nicht weniger als sechs Lieder vorgetragen wurden. Darunter figurierte mit «We All Fall Down» eine schöne (Halb-) Ballade, der das über zwanzig Jahre alte «Grow Or Pay» voraus ging. Jesper Binzer's leicht kratzige Stimme kam dabei besonders in den oberen Lagen erstaunlich wie erfreulich gut und klar rüber. Nicht zu vergessen sind natürlich die unabdingbaren Backing-Vocals seiner Kollegen, die den Sound optimal ausschmückten. Überhaupt war die Mischung zwischen dem alten und neuen Material fliessend und abwechslungsreich zugleich. Während jüngere Songs mitunter einen leichten Alternativ-Modern-Touch verpasst bekommen haben, rocken alte Kamellen wie «Bad Craziness» nach wie vor ungebremst nach vorne los. Dass jedoch volles Vertrauen in die neuen Songs gesetzt wird, zeigte «The Place Of The Heart» als erste Zugabe. Das krachte mit etwas Led Zeppelin Vibes so richtig fett von der Bühne runter. Unvergesslich waren zudem die Momente, wo sich Stig Pedersen jeweils wieder einen anderen Bass umschnallte. Völlig abgefahren war dabei das Instrument mit der Form einer Cruise Missile Rakete (!) und nebst den zwei leuchtenden Ausführungen in Plexiglas ein schlichtweg richtig überdimensioniertes Modell. Zum Glück brauch(t)en D-A-D die längst legendären Gimmicks ihres zappeligen Tiefton-Musikers nicht, um über etwelche Schwächen hinweg zu täuschen. Er war die Freude pur, diese geile Band live erleben zu können. Meine besondere Aufmerksamkeit gehörte der genialen Akustik-Ballade «Laugh 'N' A ½» als zweitletztes Stück des Abends, wo Jesper und Jacob als Duo für echtes Gänsehaut-Feeling sorgen konnten. Den glanzvollen Schlusspunkt als karriereüberspannender Kontrast zum Opener setzte schliesslich «It's After Dark» vom Debüt-Album «Call Of The Wild» (1986) und entliess nach 90 eindrucksvollen Minuten ein durchwegs begeistertes Publikum nach Hause. Bleibt schwer zu hoffen, dass wir nach Pretty Maids auch die Landes-Kollegen von D-A-D bald wieder bei uns zu Gast haben und mit noch mehr Fans begrüssen werden.

Setliste: «A New Age Moving In» - «Jihad» - «The End» - «Everything Glows» - «Point Of View» - «Monster Philosophy» - «Reconstrucdead» - «Riding With Sue» - «Last Time In Neverland» - «Grow Or Pay» - «We All Fall Down» - «I Want What She's Got» - «Evil Twin» - «Bad Craziness» -- «The Place Of The Heart» - «Sleeping My Day Away» --- «Laugh 'N' A ½» - «It's After Dark».