Eins muss ich ja sagen! In letzter Zeit werde ich immer sehr gut
von den auftretenden Bands unterhalten. Neben The Poodles, U.D.O.,
Gamma Ray, Iced Earth und Axxis sollten mir nun die dänischen D-A-D
musikalisch meinen Allerwertesten versohlen. Meine erste Begegnung
mit der Truppe hatte ich 1989, als «No Fuel Left For The Pilgrims»
veröffentlicht wurde. Mit Songs wie «Sleeping My Day Away», «Girl
Nation» und den dazu gehörenden Musikvideos, oder «Overmuch», «Lords
Of The Atlas» und «Wild Talk». Die Vermischung aus straighten
Rhythmen, Wildwest-Sounds und einem Schalk, der aus jedem Lied
sprang, katapultierte mich immer in eine positive Lebenslage. Darum
gehört der Vierer noch heute zum Unterhaltsamsten, was es zu sehen und
zu hören gibt. – Auch wenn die Jungs zwischenzeitlich modernen
Sounds nicht abgeneigt waren – Die Brüder Jesper (Gesang, Gitarre)
und Jacob Binzer (Gitarre), Stig Pedersen (Bass) und Laust Sonne
(Schlagzeug) boten auch an diesem Mittwochabend eine Show, die sich
gewaschen hatte. Es gab was zu feiern und dies betonte Jesper immer
wieder in seinem mit starkem Akzent versehen Deutsch. Die Band
feiert auf dieser Tour ihr 30-jähriges Jubiläum. Drei Jahrzehnte mit
arschtretendem Sound und humorvollen Texten. 30 Jahre Spass auf der
Bühne und 360 Monate mit musikalischen Neuerfindungen, in denen die
Truppe aber immer sich selbst blieb.
Hong Faux
Bevor die Dänen die Bühne betraten, musste man sich durch die
Vortruppe Hong Faux kämpfen. Selten habe ich eine dermassen
gelangweilte Performance gesehen, oder sollte dies schon wieder cool
rüber kommen? Selten so auswechselbare Songs gehört, die im Ansatz
ihren Reiz zwar hatten, aber schnell zur Massenware mutierten. Selten
blieb bei einem Konzert dermassen wenig hängen, dass selbst ich mein
Review über diesen Auftritt mit wortlosen Fetzen versuche zu
beschreiben. Als wäre die Grunge-Phase, rein von der Attitude
(gelangweilt, alles schlecht, keinen Spass, will ja gar nicht
Musiker sein), auf den aktuellen Retro-Rock geprallt und beide Teile
regungslos am Boden liegen geblieben, schlich der Auftritt still und belanglos
an mir vorbei. Das beschreibt es in meinen Augen recht gut.
Die Ansagen vom Sänger glichen auch eher einem frustrierten
Versuch, die Fans für und nicht gegen sich zu gewinnen, was aber
beim Versuch blieb. Nun ja, Musik ist und bleibt Geschmackssache.
Allerdings ist die Würze im Ganzen noch immer die Performance der
Truppe, und wenn da der Spassfaktor gleich Null ist, dann hat man als
Combo einen sehr, sehr schweren Stand!
D-A-D
Der Spassfaktor bei D-A-D war da schon ganz anders. Der hätte locker
für Dutzende von Truppen gereicht. Das fing an, bei den wie immer
sehr speziellen Anfertigungen des Handwerkzeugs von Stig. Mehr als
zwei Saiten sind für den Guten eh unakzeptabel. Das Design des
jeweiligen Basses wechselte von übergrossen (Klavier-) Körpern bis zum
Raketenmodell, an welchem aber mittlerweile der Bremsfallschirm
fehlt. Mit
seiner Latex-Lederhose, auf welcher fett «N.A.S.T.Y.» auf
dem Hiterteil zu lesen war, hatte der Kurzhaarträger den Lacher
einmal mehr auf seiner Seite. Ganz am Schluss des Sets spielte der
schlaksige Bassist «oben ohne» und verzauberte nicht nur mit einem
fundamentstarken Groove, sondern auch mit seinen Lead-Vocals bei
«Jackie O'» und «It's After Dark» die Besucher. Jacob spielte mit
seinem schwarzen Zylinder und einer unglaublichen Ruhe fette Riffs
und packende Soli. Der Master der guten Unterhaltung, Jesper,
animierte das Publikum mit seinen Ansagen und seiner faszinierenden
Gestik und Mimik. Die in einem sehr gut verständlichen, aber auch
mit viel Akzent untermalenen Deutsch vorgetragenen Ansagen, brachten
die Anwesenden immer wieder zum Lachen. «Wir haben öite einen
speschielle Abend!» war das Leitmotto dieses Konzertes. 30 Jahre
D-A-D gab es zu feiern, und dies nicht zu knapp. «Meine Damen und
Herren. Sie verstehen mich?», war die pure Absicherung, dass Jacob
seine Fans im
Griff hatte und das ging so weit, dass er sie beinahe
hypnotisierte. «Sie schliessen jetzt die Augen und hören meinen
Worten. Heute Abend ist Samstag! Pratteln, sie öffnen nun die Augen!
Welcher Tag ist heute?». Der laute Chor schrie den singenden
Gitarristen förmlich an: «SAMSTAG!!!». Das Befinden der Fans war dem
Frontmann immer wieder ein Anliegen: «Alles Gut in der Schweiz? Ja?
Bei uns auf der Bühne auch!».
Der Geburtstag der Band erklärte Jacob auf seine Weise: «Wir feiern
30 Jahre. Also eigentlich feiern wir 15 Jahre! 15 Jahre Ehe,
zwischen diesem jungen Mann (Laust) und den drei alten Männern!».
Somit war auch das geklärt. Schön aber, wie harmonisch diese Ehe
immer noch ist, da haben andere ehelichen Verbindungen schon früher
das Zeitliche gesegnet. Dies Formation tritt jeden Abend Arsch und
besticht mit einer fantastischen Spielfreude. «Heute ist ein
speschielle Abend, weil morgen ist keine Schule, sondern nur
schlafen…», verkündete Mister Binzer als Einstieg zu «Sleeping My
Day Away». Der Sound knallte aus den Boxen, bestand jede Prüfung und
zeigte, welche tollen Songs der Vierer im Verlauf der letzten drei
Jahrzehnten geschrieben hatte. Dazu eine ausgefeilte und phänomenale
Lichtshow, was
will man mehr? Alleine, dass die Jungs, nur in blaues
Licht getaucht, den Opener «Rin Tin Tin» spielten, war eine optische
Offenbarung, die vom grossen Kuhschädel mit seinen langen Hörner als
Backdrop flankiert wurde. Das kleine Schlagzeug von Laust hatte eine
grössere Wirkung als mancher Aufbau anderer Drummer, die weitaus
weniger effektiv den Rhythmus vorgaben. Man könnte den Herren
vorwerfen, dass sie nicht mehr so wild über die Bühne rennen, wie
noch in den neunziger Jahren. Das bedeutet aber noch lange nicht,
dass die Herren still auf der Bühne standen. Der Saiten-Dreier
wechselte immer wieder die Positionen und poste wie Rock-Götter.
Die Setliste war bestückt mit einem Blumenstrauss an guter
Unterhaltung. Auch wenn nicht jedes Album berücksichtigt wurde, die
sechzehn Tracks boten einen sehr guten Überblick für was die Truppe
musikalisch steht. Anstatt die Lieder aber nur originalgetreu
runter zu spielen, flochten die Jungs immer wieder kleine Parts ein,
die man so nicht kannte. Die Band hatte ihren Spass und die Fans
auch. Das belegte auch der Dreier-Zugabe-Block, der von «Bad Craziness»
eröffnet wurde. «Guten Abend meine Damen und Herren. Dies ist
eine speschielle Abend und wir sind eine Volksband», sprach der
gutgelaunte Sänger, als nur er und sein Bruder bei «Laugh 'n' A ½»
auf der Bühnen standen. «Wir sind die Käsebrüder. Oder sagt man in
Deutsch die Brüder Käse? Wir spielen keinen Käse! Wir SIND die… Wie
sagt man in französchisch… Frère fromage. The fromage frère».
Jungs, echt! Herzlichen Dank für diese tollen Abend. Ich hatte
Tränen in den Augen und habe mich bestens unterhalten gefühlt! Dass
Stig «It's After Dark» mit den folgenden Worten einleitete: «Sad to
say good-bye», besass mehr als nur einen Funken Wahrheit. Als Jesper
verlauten liess: «Pratteln!!! Jet isch fertig! Schluss! Aus!
Feierabend! Ganz fertig», hatte die grandiose Show sein Ende
gefunden. Danke! Und gerne bald wieder, denn solche Bands, mit einem
solchen Unterhaltungswert gibt es leider viel zu wenige. D-A-D
machen den Besucher nicht mit Knüppelorgien oder Härte fertig,
sondern mit einer hammergeilen Unterhaltung, die nachhaltig im Kopf
hängen bleibt und von der man seinen Enkelkindern noch erzählt!
«Dies ist eine speschielle Abend von den Brüdern Käse, den fromage
frères».
Setliste: «Instrumental (Rin Tin Tin)» - «Jihad» - «Evil Twin» -
«Overmuch» - «Cloudy Hours» - «Jackie O'» - «Nineteenhundredandyesterday» -
«Grow Or Pay» - «Reconstrucdead» - «Monster Philosophy» - «Everything
Glows» - «I Want What She's Got» - «Sleeping My Day Away» - «Bad
Craziness» - «Laugh 'n' A ½» - «It's After Dark».
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