Livereview: D-A-D - Hong Faux

30. April 2014, Pratteln – Z7
By Tinu
 
Eins muss ich ja sagen! In letzter Zeit werde ich immer sehr gut von den auftretenden Bands unterhalten. Neben The Poodles, U.D.O., Gamma Ray, Iced Earth und Axxis sollten mir nun die dänischen D-A-D musikalisch meinen Allerwertesten versohlen. Meine erste Begegnung mit der Truppe hatte ich 1989, als «No Fuel Left For The Pilgrims» veröffentlicht wurde. Mit Songs wie «Sleeping My Day Away», «Girl Nation» und den dazu gehörenden Musikvideos, oder «Overmuch», «Lords Of The Atlas» und «Wild Talk». Die Vermischung aus straighten Rhythmen, Wildwest-Sounds und einem Schalk, der aus jedem Lied sprang, katapultierte mich immer in eine positive Lebenslage. Darum gehört der Vierer noch heute zum Unterhaltsamsten, was es zu sehen und zu hören gibt. – Auch wenn die Jungs zwischenzeitlich modernen Sounds nicht abgeneigt waren – Die Brüder Jesper (Gesang, Gitarre) und Jacob Binzer (Gitarre), Stig Pedersen (Bass) und Laust Sonne (Schlagzeug) boten auch an diesem Mittwochabend eine Show, die sich gewaschen hatte. Es gab was zu feiern und dies betonte Jesper immer wieder in seinem mit starkem Akzent versehen Deutsch. Die Band feiert auf dieser Tour ihr 30-jähriges Jubiläum. Drei Jahrzehnte mit arschtretendem Sound und humorvollen Texten. 30 Jahre Spass auf der Bühne und 360 Monate mit musikalischen Neuerfindungen, in denen die Truppe aber immer sich selbst blieb.

Hong Faux

Bevor die Dänen die Bühne betraten, musste man sich durch die Vortruppe Hong Faux kämpfen. Selten habe ich eine dermassen gelangweilte Performance gesehen, oder sollte dies schon wieder cool rüber kommen? Selten so auswechselbare Songs gehört, die im Ansatz ihren Reiz zwar hatten, aber schnell zur Massenware mutierten. Selten blieb bei einem Konzert dermassen wenig hängen, dass selbst ich mein Review über diesen Auftritt mit wortlosen Fetzen versuche zu beschreiben. Als wäre die Grunge-Phase, rein von der Attitude (gelangweilt, alles schlecht, keinen Spass, will ja gar nicht Musiker sein), auf den aktuellen Retro-Rock geprallt und beide Teile regungslos am Boden liegen geblieben, schlich der Auftritt still und belanglos an mir vorbei. Das beschreibt es in meinen Augen recht gut. Die Ansagen vom Sänger glichen auch eher einem frustrierten Versuch, die Fans für und nicht gegen sich zu gewinnen, was aber beim Versuch blieb. Nun ja, Musik ist und bleibt Geschmackssache. Allerdings ist die Würze im Ganzen noch immer die Performance der Truppe, und wenn da der Spassfaktor gleich Null ist, dann hat man als Combo einen sehr, sehr schweren Stand!

D-A-D
Der Spassfaktor bei D-A-D war da schon ganz anders. Der hätte locker für Dutzende von Truppen gereicht. Das fing an, bei den wie immer sehr speziellen Anfertigungen des Handwerkzeugs von Stig. Mehr als zwei Saiten sind für den Guten eh unakzeptabel. Das Design des jeweiligen Basses wechselte von übergrossen (Klavier-) Körpern bis zum Raketenmodell, an welchem aber mittlerweile der Bremsfallschirm fehlt. Mit seiner Latex-Lederhose, auf welcher fett «N.A.S.T.Y.» auf dem Hiterteil zu lesen war, hatte der Kurzhaarträger den Lacher einmal mehr auf seiner Seite. Ganz am Schluss des Sets spielte der schlaksige Bassist «oben ohne» und verzauberte nicht nur mit einem fundamentstarken Groove, sondern auch mit seinen Lead-Vocals bei «Jackie O'» und «It's After Dark» die Besucher. Jacob spielte mit seinem schwarzen Zylinder und einer unglaublichen Ruhe fette Riffs und packende Soli. Der Master der guten Unterhaltung, Jesper, animierte das Publikum mit seinen Ansagen und seiner faszinierenden Gestik und Mimik. Die in einem sehr gut verständlichen, aber auch mit viel Akzent untermalenen Deutsch vorgetragenen Ansagen, brachten die Anwesenden immer wieder zum Lachen. «Wir haben öite einen speschielle Abend!» war das Leitmotto dieses Konzertes. 30 Jahre D-A-D gab es zu feiern, und dies nicht zu knapp. «Meine Damen und Herren. Sie verstehen mich?», war die pure Absicherung, dass Jacob seine Fans im Griff hatte und das ging so weit, dass er sie beinahe hypnotisierte. «Sie schliessen jetzt die Augen und hören meinen Worten. Heute Abend ist Samstag! Pratteln, sie öffnen nun die Augen! Welcher Tag ist heute?». Der laute Chor schrie den singenden Gitarristen förmlich an: «SAMSTAG!!!». Das Befinden der Fans war dem Frontmann immer wieder ein Anliegen: «Alles Gut in der Schweiz? Ja? Bei uns auf der Bühne auch!».

Der Geburtstag der Band erklärte Jacob auf seine Weise: «Wir feiern 30 Jahre. Also eigentlich feiern wir 15 Jahre! 15 Jahre Ehe, zwischen diesem jungen Mann (Laust) und den drei alten Männern!». Somit war auch das geklärt. Schön aber, wie harmonisch diese Ehe immer noch ist, da haben andere ehelichen Verbindungen schon früher das Zeitliche gesegnet. Dies Formation tritt jeden Abend Arsch und besticht mit einer fantastischen Spielfreude. «Heute ist ein speschielle Abend, weil morgen ist keine Schule, sondern nur schlafen…», verkündete Mister Binzer als Einstieg zu «Sleeping My Day Away». Der Sound knallte aus den Boxen, bestand jede Prüfung und zeigte, welche tollen Songs der Vierer im Verlauf der letzten drei Jahrzehnten geschrieben hatte. Dazu eine ausgefeilte und phänomenale Lichtshow, was will man mehr? Alleine, dass die Jungs, nur in blaues Licht getaucht, den Opener «Rin Tin Tin» spielten, war eine optische Offenbarung, die vom grossen Kuhschädel mit seinen langen Hörner als Backdrop flankiert wurde. Das kleine Schlagzeug von Laust hatte eine grössere Wirkung als mancher Aufbau anderer Drummer, die weitaus weniger effektiv den Rhythmus vorgaben. Man könnte den Herren vorwerfen, dass sie nicht mehr so wild über die Bühne rennen, wie noch in den neunziger Jahren. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass die Herren still auf der Bühne standen. Der Saiten-Dreier wechselte immer wieder die Positionen und poste wie Rock-Götter.

Die Setliste war bestückt mit einem Blumenstrauss an guter Unterhaltung. Auch wenn nicht jedes Album berücksichtigt wurde, die sechzehn Tracks boten einen sehr guten Überblick für was die Truppe musikalisch steht. Anstatt die Lieder aber nur originalgetreu runter zu spielen, flochten die Jungs immer wieder kleine Parts ein, die man so nicht kannte. Die Band hatte ihren Spass und die Fans auch. Das belegte auch der Dreier-Zugabe-Block, der von «Bad Craziness» eröffnet wurde. «Guten Abend meine Damen und Herren. Dies ist eine speschielle Abend und wir sind eine Volksband», sprach der gutgelaunte Sänger, als nur er und sein Bruder bei «Laugh 'n' A ½» auf der Bühnen standen. «Wir sind die Käsebrüder. Oder sagt man in Deutsch die Brüder Käse? Wir spielen keinen Käse! Wir SIND die… Wie sagt man in französchisch… Frère fromage. The fromage frère».

Jungs, echt! Herzlichen Dank für diese tollen Abend. Ich hatte Tränen in den Augen und habe mich bestens unterhalten gefühlt! Dass Stig «It's After Dark» mit den folgenden Worten einleitete: «Sad to say good-bye», besass mehr als nur einen Funken Wahrheit. Als Jesper verlauten liess: «Pratteln!!! Jet isch fertig! Schluss! Aus! Feierabend! Ganz fertig», hatte die grandiose Show sein Ende gefunden. Danke! Und gerne bald wieder, denn solche Bands, mit einem solchen Unterhaltungswert gibt es leider viel zu wenige. D-A-D machen den Besucher nicht mit Knüppelorgien oder Härte fertig, sondern mit einer hammergeilen Unterhaltung, die nachhaltig im Kopf hängen bleibt und von der man seinen Enkelkindern noch erzählt! «Dies ist eine speschielle Abend von den Brüdern Käse, den fromage frères».

Setliste: «Instrumental (Rin Tin Tin)» - «Jihad» - «Evil Twin» - «Overmuch» - «Cloudy Hours» - «Jackie O'» - «Nineteenhundredandyesterday» - «Grow Or Pay» - «Reconstrucdead» - «Monster Philosophy» - «Everything Glows» - «I Want What She's Got» - «Sleeping My Day Away» - «Bad Craziness» - «Laugh 'n' A ½» - «It's After Dark».