Montagabend und die winterliche Kälte lädt eigentlich zu einem
gemütlichen Abend auf dem Sofa ein. Gute Musik hören, ein Buch
lesen oder sich eine DVD anschauen. Trotzdem nahmen ein paar
Thrash-Heads den Weg ins Kofmehl unter die Räder. Nur ein paar, denn
es war schon fast eine Frechheit, wie unbesucht sich die Solothurner
Konzertlocation präsentierte. Ob es daran lag, dass es Montag war,
oder dass gleich drei Bands die deutsche Thrash-Institution
begleiteten? Zumindest dies hatte seinen Grund. Waren die
helvetischen Gonoreas beim ersten Teil Toursupport, so spielten
beim zweiten Part Rezept auf. Da der Gig im Kofmehl der letzte der
«Under Attack»-Konzertreise war, liess Mastermind
Schmier gleich beide Truppen aufspielen.
Rezet Doch der Reihe nach. Die Deutschen Rezet
eröffneten den Abend mit einer guten Mischung aus alten Megadeth,
Anthrax und Testament. Allerdings ohne jemals die Qualität der
Ami-Bands zu erreichen. Ricky Wagner konnte mit seinem "cleanen"
Gesang Pluspunkte sammeln und hob sich damit sehr gut von der
Flut an neuen Thrash-Sänger ab. Zusammen mit dem zweiten Gitarristen
Thorben Schulz solierte und dudelte sich Ricky dabei fast die
Finger wund. Genau hier liegt aber das Problem. Die Lieder sind
technisch sehr gut, aber der Hit-Faktor, sprich das Element, an
welches man sich auch nach dem Konzert erinnert, fehlte. Optisch
boten die Jungs, sicher auch wegen ihren vertrackten Songs, eher ein
stehendes Bang-Feuer. Die Finger flogen über die Saiten, die
eingestreuten politischen Ansagen mussten offenbar sein, und auch wenn
der Vierer wirklich eine hörenswerte Truppe ist, am Schluss blieb
kaum was hängen.
Gonoreas,
die Truppe um Flitzefinger Damir Eskic liess nicht viel anbrennen.
Der Power Metal der Schweizer enthielt neben seiner urgewaltigen
Energie auch sehr viele technische Kabinettstückchen. Inmitten der
Gitarren-Heldentaten stand Bassist Pat, der mich mit seinen langen
Haaren und seinem Posing immer wieder an Joey DeMaio erinnerte. Der
Hass-Würfel in Form von Sänger Leandro trieb die wenigen Anwesenden
immer wieder an. Daneben shoutete er in den höchsten Höhen, konnte
sich aber auch in den Tiefen behaupten. Der Meister im Ring bleibt
aber Damir, der mit seiner Malmsteen-artigen Spielweise den Liedern
seinen Stempel aufdrückte. Ab und zu wären hier weniger Solos mehr
gewesen. Nicht dass Damir etwa schlecht spielt, davon ist er meilenweit
entfernt, aber ein Lied lebt eben auch von Emotionen und einem roten
Faden. Lass mal einen Ton etwas länger stehen, ich denke, das kommt
dem Song zugute… Pat, Damir und Leandro nutzten die Bühne aus,
wechselten oftmals ihre Positionen und liessen neben den wehenden
Matten auch die Pommes-Gabel nicht vermissen. Als sich Leandro
am Schluss auch noch in den Fotograben begab und so die Nähe zu den
vordersten Leuten suchte, hatten Gonoreas das Publikum völlig auf
ihre Seite gezogen.
Nervosa
Schon im September 2016 spielten Nervosa zusammen mit Destruction in
der Schweiz. Damals im Z7, bei den ersten «Under Attack»-Konzerten.
Das Frauen-Thrash-Trio aus Sao Paulo heizte den männlichen Besuchern
auch an diesem Abend ein und liess das Blut pochen wie die Hormone
verrückt spielen. Fernanda ist die perfekte Frontlady, hämmert dazu auf den
Bass ein, growlt und kreischt sich durch das Set. Ihre Mimik
kennt keine Grenzen und dabei kann sie sympathisch lächeln und dich
im nächsten Moment ansehen, als wolle sie einen mit dem kleinen
Fingernagel aufschlitzen. Sie verführt mit ihren dunklen Augen und
tötet dich im nächsten Moment mit ihrem Blick. Fernanda lebt den
Thrash-Sound und hat mit ihrem Sidekick Prika die ideale Partnerin.
Das Trio zelebrierte ein musikalisches Inferno und präsentierte sich
in Form eines schwarzhaariger Teufels (Fernanda) und eines blonden
Engels (Prika). Ein Freundenfest, wenn man den Double-Propeller-Banger
der beiden Girls sieht. Dazu röchelt Fernanda liebevoll
oder hasserfüllt ins Mikrofon und schreit sich die Seele voller
Aggression aus dem Leib. Der Slayer-, Morbid Angel-
und Venom-like Sound sollte eigentlich eine breitere Masse
ansprechen, und ich bin mir sicher, dass die drei Brasilianerinnen
mit diesen Shows beste Werbung in eigener Sachen tätigten. Denn
musikalisch überfuhren die Ladies das Publikum wie eine Dampfwalze,
boten auf eine sehr authentische und sympathische Art die perfekte
Balance zwischen «good» und «evil». Es war die brachiale Urgewalt,
die mit einem diabolischen Schlag ins Gesicht und einem lieblichen
Vampirbiss vorgetragen wurde. Bitte mehr davon!
Destruction Schmier, lass dir eins sagen, es ist
bitter wie schade zugleich, wenn man dich und deine beiden Mitstreiter
vor lauter Nebel fast durch die komplette Show hindurch nicht sieht. Weniger grauer
Dunst, und die Lichtshow hätte um einiges mehr geknallt wie euch als
Band bedeutend besser präsentiert. Und wenn wir schon beim Meckern
sind, auch wenn die Konzertreise anstrengend war, inklusive dem typischen
Grippevirus im Tourbus und Solothurn sich vom Zuspruch her sehr bescheiden
präsentierte, deswegen gleich «Black Death», «Second To None» und
das göttliche «Invisible Force» von der Setliste zu streichen, ist
ein No-Go! Okay, mit dem Exploited-Klassiker «Fuck The USA» hatte
niemand gerechnet, aber so ein richtiger Ersatz war der Track nun
auch nicht. Das waren dann aber schon alle Kritikpunkte. Ansonsten
lieferten der singende Bassist Schmier, sein langjähriger
Gitarrist Mike und Trommler Vaaver eine vorzügliche Show ab. Mit dreizehn
Alben im Gepäck ist es nicht einfach, eine ausgewogene Setliste
zusammen zu stellen. Dass das deutsche Thrash-Urgestein dabei
unverzichtbare Keulen im Gepäck hat, wie die Urkracher «Mad
Butcher», «Bestial Invasion» oder Neueres wie «Thrash 'Til Death»
und «Nailed To The Cross» und dabei auch die neuste Scheibe «Under
Attack» mit gleich drei Nummern einfliessen lässt, ist amtlich. Leider
blieben dabei Kracher wie «Soul Collector», «The Alliance Of
Hellhoundz», «Day Of Reckoning» oder «Cyanid» auf der Strecke.
"Geiler Laden, wie das Z7. Wir waren noch nie im Solothurn!",
begrüsste Schmier die mittlerweile auf Betriebstemperatur stehenden
Besucher. "Es wäre die erste Show ohne Mosh-Pit. Kriegen wir das
hin?" wollte Schmier wissen und liess das Publikum sogleich zu den
brachialen Klängen von «Nailed To The Cross» tanzen. "Es hat heute
erschreckend wenig Leute! Sitzen die Schweizer alle auf dem Sofa?
Ihr seid gekommen und die wahren Metal-Heads!" Mit solchen Ansagen
hatte der Destruction-Boss das Publikum schnell auf seiner Seite,
lautes Gejohle war ihm gewiss und somit auch, dass die Fans ihm aus
der Hand fressen. Schmier wechselte zusammen mit Mike immer die
Position, nutzte die drei Mikrophone auf der Bühne aus und liess
seine bekannten und berüchtigten Screams aufheulen. Kein anderer hat
diese Schreie im Repertoire und sich damit unsterblich in die Herzen
und Köpfe der Thrash-Gemeinde geshoutet wie er. Er ist eine
verdammt geile Rampensau, der das Publikum zu knacken weiss und wie
ein Verrückter auf der Bühne ackert. – Leider konnte man dies an
diesem Abend dank des Nebels nicht sehen! – Mit Mike Sifringer hat
der Frontmann einen Zauberer an seiner Seite. Was der Gitarrist
alles aus seinen Saiten erklingen lässt, dabei völlig gedankenverloren
seine Rübe schüttelt und ein noch geileres Riff oder Solo zelebriert,
hat schon was Einzigartiges. Oder gibt es etwas Cooleres als der
Einstieg von «Mad Butcher»? Mit diesem Track hatte die Band das Kofmehl auf
seiner Seite. Ob sie sich im Mosh-Pit austobten oder für sich einen
kleinen Thrash-Orgasmus feierten, dieser Song war der Einstieg zur
Thrash-Party und einem Siegeszug bei fast minimaler Besucherzahl.
Auch wenn die alten Klassiker die meiste Resonanz einheimsen
konnten, die neuen Abrissbirnen haben dabei ebenso ihre Berechtigung
und machen keine Gefangenen. So bedankte sich Schmier in astreinem
Schwyzerdütsch mit «…huere geil!» nach den letzten Klängen von «Life
Without Sense». "Es sind wenige Leute, dafür gute Leute hier. Wir
haben Spass, ihr habt Spass. Was wollen wir mehr?" Stimmt! Nichts,
denn Vaaver trat allen mit einer unglaublichen Gewalt in den Arsch
und sorgte für ein thrashiges Fegefeuer. «Fuck The USA» wurde Donald
Duck oder besser gesagt Donald Trump gewidmet (Originalton Schmier),
um dann schnell mit «The Butcher Strikes Back» das offizielle Set
zu beenden. Auch wenn «Eternal Ban» noch als Zugabe auf der Setliste
stand, es blieb schlussendlich bei der Schlussoffensive mit «Thrash
'Til Death» (ein klares Zitat seitens der Band) und dem
unsterblichen und nie alt werdenden «Bestial Invasion». Schade, dass
zum Tourabschluss die oftmals beliebten Spässe der Bands ausblieben.
So konnte man aber nach einem geilen Konzert zufrieden den
Nachhauseweg mit dem Bewusstsein unter die Räder nehmen, dass man
nicht in die germanischen Charts auf Platz 1 einsteigen muss, um
eine der besten Thrash-Truppen der Welt zu sein!
Setliste: «Under Attack» - «Curse The Gods» - «Pathogenic» - «Nailed
To The Cross» - «Mad Butcher» - «Dethroned» - «Life Without Sense»,
«Psycho Theme (Intro)» - «Total Desaster» - «Thrash Attack» - «Fuck The
USA» - «The Butcher Strikes Back» - «Intermission» -- «Thrash 'Til Death» -
«Bestial Invasion».
|
|