Ein Reiterkonzert ist immer etwas Spezielles. Wird das
letztjährige Gastspiel der Weimarer noch heute in hohen Tönen
gelobt, weil die Vorband Saltatio Mortis nach dem Konzert spontan
eineinhalb Stunden(!) im Publikum gespielt hat, so werden dieses
Jahr vor allem die Faxen auf der Bühne in Erinnerung bleiben. Der
Auftritt im Z7 bildete das Tourende. Und wie üblich, wurde auch
dieses Finish mit vielen lustigen Aktionen der nicht spielenden
Bands gefeiert. Dabei fielen zwei Sachen auf: 1.: Das musikalische
Niveau und die Bühnenpräsenz sämtlicher Bands ist beachtlich. 2.:
Die Bands schienen eine super Zeit miteinander verbracht zu haben.
Dazu kommt, dass die von den Reitern selbst ausgesuchten Bands einen
musikalischen bunten Strauss bildeten. Die Gastreise bestätigte aber
auch, dass es gut kommt, wenn zwei schwedische und zwei deutsche
Bands miteinander unterwegs sind.
Marionette
Aus Schweden kommen die noch ziemlich grünäugigen Jungs von
Marionette. Grünäugig gilt zwar nur für das Alter, denn musikalisch
hat die Band ziemlich was drauf. Mit Krawatten und Smoking gekleidet
schmetterte die Truppe ihren schwierig einzuordnenden Mix zwischen
Death und Heavy Metal in die Meute. Immer aggressiv keifte der
Gesang, zu der Gitarre und Keyboard schöne Melodieteppiche webten.
Dazu gab es eine wilde Rhythmus-Gitarre, donnernde Bassläufe und
gewaltige Drums. Marionette kosteten ihre 25 Minuten Spielzeit voll
aus, dass es eine wahre Freude war. Das Publikum blieb zwar
vorwiegend passiv, schien aber trotzdem Gefallen daran zu finden.
Dazu kamen die Spässe der Reiter, die als Abwarte verkleidet mitten
in einem Song begannen, diese zu wischen. Wenn Marionette auf der
ganzen Tour mit derselben Leidenschaft wie im Z7 die Bühnen gestürmt
haben, dann dürfte es mit den Jungspunden wohl demnächst steil nach
oben gehen.
Honigdieb
Schon ein paar Jahre mehr auf dem Buckel haben dagegen Honigdieb.
Allen voran deren Boss Sir Hannes, der mit Bands wie The Idiots oder
Phantoms Of Future sowohl die Punk- als auch die Hardcore-Szene in
Deutschland prägen durfte. Zum kruden Stilmix aus Krautrock, NDW und
Folk zieht dieser dabei eine burleske One-Man-Show ab, die mit einem
etwas peinlichen Beigeschmack durchaus auch mal zu verstören oder
belustigen weiss. So äussert sich der Geltungsdrang von Sir Hannes
unter anderem in hübschen Accessoires wie Leopardenmantel,
Leuchtohrringe, schräge Masken oder in Form einer an einer Schnur
befestigten, um seinen Kopf fliegenden Kuh. Dass dabei die
Begleitmusiker durch die Bank, sei es Drummer Mathias Bonheger-Kadel,
Gitarrist Stefan Göbel oder Raimund Gitsels an der Geige, verdammt
tight und versiert spielen fällt somit wohl den Wenigsten im
Publikum auf, welches meist zwischen Irritierung und Lachanfällen
schwankend überfordert wirkt. Die Refrains von fröhlich kranken
Songs wie «Mädchen», «Auf der Suche nach dem Glück» oder «Ich Gott»
gehen dabei zwar blitzschnell ins Ohr, der an sich aber doch nahe am
Schlager kratzende Sound macht Honigdieb aber zu einem Ensemble, mit
welchem man sich eingehender beschäftigen muss. Als Anheizer der
Reiter geht das aber durchaus klar, erst recht, wenn die Herren
Fuchs und Co. zu «Pornostar» die Bühne entern und leicht bekleidet
und mit Wunsch-gemächten ausgestattet (Klebeband-prothesen) zusammen
mit einem in pinkiges Negligee gekleideten Sir Hannes eine eher
anekelnde als prikelnde Sex-Show liefern.
Mustasch
Mustasch hatten leichtes Spiel ihre Fans an sich zu binden und neue
zu gewinnen. Bereits während dem Soundcheck prostete Sänger und
Gitarrero Ralph Gyllenhammer der vordersten Reihe zu und provozierte
sie mit einem kräftigen „Prost ihr Säcke!“ zu einem noch lauteren
„Prost du Sack!“. Diese Rufe sollten in der Folge auch immer wieder
während dem Mustasch-Konzert und nach dem Reiter-Gig erschallen.
Natürlich konnte die Band mehr, als nur Sprüche zu klopfen. So
hauten sie einem ihren gewaltigen Stoner-Metal um die Ohren, der
zwar mit der Zeit ein wenig eintönig wurde, aber prima
Party-Stimmung verursachte. Dazu kam, dass der erwähnte schwedische
Sänger noch andere Sätze auf Deutsch drauf hatte, und sich nicht
schämte, diese auszusprechen. Natürlich durften auch hier die Spässe
der anderen Bands nicht fehlen, und so überraschte Honigdieb-Sänger
Sir Hannes die Band mit einem Leuchtstab in der Hand und die neue
Reiter-Gitarristin Lady Cat-Man verteilte plötzlich Süssigkeiten.
Zur Zugabe schnallten sich der Reiter-Gitarren-Techniker und die
Merchandiserin die Klampfen und den Hals und zockten den Song
zusammen mit Mustasch und dem Marionette-Sänger am Bass. Mustasch
zeigten aber, dass sie auch ohne diese einmaligen Spässe eine Macht
sind, und machten hungrig auf mehr.
Die Apokalyptischen Reiter
Was nun folgte, war irgendwie absehbar, das Ausmass dessen
überraschte dann aber doch. Denn was die anderen Bands während der
1½ Stunden der Reiter einstreuten, war meist lustig, zum Teil aber
auch grotesk. Für die Fans ging es in erster Linie um die Musik, und
diese bot in Form vieler neuer Liedern, gestreut mit einigen alten
Songs eine Setliste, die natürlich Wünsche offen liess, aber
trotzdem ausschliesslich zufriedene Gesichter hervorrief. Der
Titelsong des neuen Albums „Licht“ eröffnete den Wahnsinn und ging
über in „Revolution“, bei welchem Sänger Fuchs Iron Maiden-Artig
eine Fahne schwang. Auch den Reitern sah man die Freude an der Tour
und am Auftritt deutlich an. War Keyboarder Dr. Pest auf der letzten
Tour in einem grossen Vogelkäfig eingesperrt, hatte er heuer eine
Schaukel um sich auszutoben. Bei „Es wird schlimmer“ stand plötzlich
wieder der Honigdieb-Sänger auf der Bühne, hielt sich aber vorerst
brav im Hintergrund. Ganz neu gibt es bei den Reitern die Wall of Death. Sänger Fuchs verlangte diese zu „Adrenaline“ ohne zu wissen,
dass er mit diesem
Song noch ziemlich verwirrt werden sollte. Denn
plötzlich stürmte die Schwedenfraktion (Marrionette und Mustasch)
auf die Bühne um ebenfalls zu bangen, „unten ohne“ versteht sich und
nur mit schwarzen Jacken bekleitet. Kommentar vom völlig aus dem
Häuschen geratenen Fuchs: „Es gibt wohl immer noch eine Steigerung!“
Es fiel ihm danach sichtlich schwer, auf das ernsthafte „Der Elende“
umzusteigen. Und bevor ich’s vergesse, die Reiter haben eine neue
Gitarristin. Diese hört auf den Namen Lady Cat-Man und hat sich wohl
auf der Tour schwer in den Tourmanager verliebt. Vor „Auf die Liebe“
brachte er ihr einen riesigen Strauss roter Rosen auf die Bühne.
Leider war diese Szene für die Fans ziemlich verwirrend, so dass
erst ein Blick auf der offiziellen Reiterhomepage Klarheit schaffte,
ob es sich hier um einen Heiratsantrag handelte oder nicht. Die
Hochzeitsglocken klingen aber vorerst noch nicht. Verliebt hätte
sich auch gerne der bereits mehrmals erwähnte Mustasch-Sänger. „Der
Seemann“ lockte 9 weibliche Geschöpfe aus dem Publikum auf die
Bühne, welche gleich spasseshalber zwischen Fuchs und Ralph
aufgeteilt wurden (Fuchs eine, Ralph acht). Dazu gesellte sich der
Honigdieb Geiger. Alles muss ein Ende haben, und so auch dieses
Konzert. Vor der Zugabe wurden die Boote aufgetrieben und zu „Reitermania“
durchs Publikum getragen. Ein Spass eher übler Sorte gab es
anschliessend im Zugabenteil mit Sonne. Nein, auch wenn der
Tourmanager verliebt ist, sollte er nicht den Refrain von „Die
Sonne“ ins Mikrofon singen, das klingt nämlich schauerlich, aber,
zugegeben, auch lustig. Auf den Bandklassiker „Dschingis Khan“ wurde
im Z7 verzichtet, dafür erklang „Unter Asche“, welches sich der
Lichtmann sehnlich gewünscht hatte, aber bisher auf Tour nicht
kriegte. Mit „Metal Will Never Die“ verabschiedeten sich die Reiter
zusammen mit allen anderen Bands. Wehmut war zwar zu spüren, aber
auch Dankbarkeit für eine Konzertreise, die, falls sie nur halb so
gut wie im Z7 angekommen ist, immer hochklassig war.
Setlist: Wir sind das Licht, Revolution, Gone, Riders on the Storm,
Friede sei mit dir, es wird schlimmer, Der Weg, Adrenalin, der
Elende, Nach der Ebbe, Uralt-Lied, Auf die Liebe, Der Seemann, Die
Erde ist sehr stark erregt, Reitermania, We will never die, Die
Sonne, Unter Asche, Metal will never die.
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