The Dillinger Escape Plan haben schon eh und je die Massen
gespalten, das wird sich wohl nie ändern - Brachten sie in der
Vergangenheit mit ihrem nervösen Mathcore Massen von Anhängern an
den Rand der Ekstase und den Rest der Welt an den Rand der
Verzweiflung, so haben sich die Lager anno der Veröffentlichung des
letztjährigen Scheibe 'Ire Works' erneut gespalten: Die Band setzt
mehr denn je auf überraschend simple Strukturen, um sie dafür in den
unberechenbarsten Momenten zu durchbrechen. Was sich wohl aber
definitiv nie ändern wird, sind die Live-Shows der Kappelle: The
Dillinger Escape Plan machen auf der Bühne nach wie vor keine
Gefangenen und gehören wohl zum wildesten, was die Welt in Sachen
energiegeladene Shows zu bieten hat - Ein Grund, der sogar
eingesessene Fribourger wie mich überzeugen kann, der Band live
aufzuwarten…
Zatokrev
Die Basler von Zatokrev verbindet bei ersten Betrachtung nicht viel
mit dem Hauptact des Abends - Mal davon abgesehen, dass das Quartett
den Status des Lokalmatadors schon ein Weilchen inne hat, scheint
die Kombination mit The Dillinger Escape Plan dann doch etwas weit
her geholt zu sein. Tatsächlich steht es allerdings so, dass
Zatokrev mindestens so extreme Mucke wie die Amis auf's Parkett
zaubern, wenn auch aus einer vollkommen anderen Richtung. Zatokrev
drosseln das Tempo ihrer Musik gerne bis zum Anschlag, und lassen
jedem Ton die nötige Zeit, sich im Raum zu entfalten - Was daraus
entsteht, übersteigt im Laufe des Sets oftmals sämtliche
Dimensionen, und lässt sich dabei logischerweise nur schwerlich in
treffende Worte fassen: Doom, ja klar. Sludge, aber sicher. Drone?
Hm, irgendwie schon, so manchmal halt. Groove? Jup, trotz allem
ständig präsent. Es mag am simplen aber auf den Punkt gespielten
Drumming von Fellgerber Silvio liegen, aber egal wie schleppend sich
Zatokrev auch vorwärts bewegten, die schwere Masse an Musik
pulsierte unaufhaltsam weiter, während Sänger Fredy den emotionalen
Kontrastpunkt setzte: Es ist immer wieder fesselnd, dem Mann dabei
zu zusehen, wie er Gift und Galle speit, und den Rotz dabei aus
den
hintersten Ecken seiner Schleimhäute fischt. Dass die Band bei all
der Schwerstarbeit tight und ordentlich spielte, versteht sich
natürlich von selbst. Egal ob 'Starlight Leader' mit seinem
hinausgezögerten Ende, 'Void' mit seinem schweren Groove, das
mächtige 'Bury The Ashes', oder ältere Songs der Marke 'Reveal', und
vor allem '…Zato Krev', die Band gab Vollgas. Für zusätliche
Gänsehaut sorgte zudem das fast schon stoische Bangen von Fredy und
Basser Marco, die gegen Ende des Sets dann auch noch gleich vor den
Amps in die Knie gingen, und sich dem Gott des Feedbacks zu Füssen
legten. Das Publikum hatte zu Beginn des Sets klar Mühe mit der
Band, aber gegen Ende der Show war ich mir ziemlich sicher, einige
glänzende Augen in der Masse gesichtet zu haben… Mission gegückt!
The Dillinger Escape Plan
Aber halt, da gab's ja noch den Headliner… Als ich Dillinger das
letzte Mal im Fribourger Fri-Son live gesehen hatte, befürchtete
ich, dass die Band dann doch etwas vom ursprünglichen Feuer verloren
hatte. Aber wer soll's ihnen den verübeln, sich jeden Abend Kopf
voran in die Meute zu werfen und etliche Gitarren an den Schädel
geschleudert zu kriegen, dafür ist man halt nicht lange gemacht.
Doch mein leiser Verdacht verflüchtigte sich nach einem kurzen Intro
ab Band schneller als eigentlich physikalisch möglich: DEP stürzten
sich mit 'Lurch' ins Chaos, und vor allem Klampfer Ben Weinman und
Fronter Greg Puciato gingen in ihrer Rolle von Beginn weg auf - Da
wurden Gitarren geschwungen und Grimassen geschrissen, was das Zeug
hergab. Während Zweitklampfer Jeff Tuttle anfangs mit technischen
Problemen zu kämpfen hatte, und sich Basser Liam Wilson wie eh und
je ans Drumset klebte, überraschte dabei vor allem Drummer und
Neuzugang Billy Rymer - Der offensichtlich jüngste Musiker der
ganzen Kappelle legte einen aggressiven Stil an den Tag, und drosch
die Polyrythmen nicht nur in sein Kit hinein, sondern quasi auch
daraus heraus.
Die Band ballerte sich während den folgenden 55 Minuten durch neuere
Kracher der Marke 'Milk Lizzard', 'Horse Hunter' und 'Fix Your
Face', wob dazwischen aber auch gekonnt Klassiker wie 'Sunshine The
Werewolve', 'Panasonic Youth', 'Sugar Coated Sour' und '43% Burnt'
ein. Richtig fett kamen meiner Meinung nach aber vor
allem
speziellere Tracks wie das Aphex Twin-Cover 'Come To Daddy', das mit
E-Piano vorgetragene 'Dead As History' oder aber 'Weekend Sex
Change' daher, hier konnten Dillinger klar die neuerdings so stark
kultivierte dynamische Schlagseite voll ausspielen. Das Publikum
übte sich indes in vornehmer Zurückhaltung - Oder wusste, wie so oft
bei DEP, einfach nicht, wie man sich zu den queren Beats zu bewegen
hatte. Richtig geil war dabei der Anblick der Handvoll
Hardcore-Kiddies, die wohl nur das '-core', nicht aber das 'Math-'
auf dem Showplakat gelesen hatten… Wie man es über fünfzig Minuten
schafft, in der Mitte das Saales in voller Hoodie- und Baseball-Cap-
/ Bandana-Montur rumzustehen, und dabei die beleidigte Fresse zu
reissen, ist mir echt schleierhaft. Schade, dass der Gig an der
Kasse nicht mehr als 20.- Sfr gekostet hat, da hätten die Kiddies
sicher ein hübsch schmerzendes Loch in der Brieftasche gehabt.
Doch zurück zu DEP: Die Band steigerte sich offensichtlich in einen
Rausch, und bei den letzen drei Songs wurde noch mal ordentlich nach
allen Seiten ausgeteilt - Während Klampfer Ben schon im Vorfeld ohne
Anlauf auf die Gitarrenboxen hechtete, hatte er sich mittlerweile
den Weg auf die doch etwas höhere Bassbox erkämpft, und suchte Halt
in den Lichttraversen, während Zweitklampfer Jeff
urplötzlich mit Instrument im Publikum auftauchte, und Fronter Greg
mal eben nett den Bass von Liam ans Ohr geknallt kriegte. Die
vorderen Reihen des Publikums schrien sich dabei nach wie vor die
Lungen aus dem Leibe, während Greg überraschend oft das Mikro in die
Meute steckte - vier Meter weiter von der Bühne entfernt übte sich
der Rest des Saales in bewegungstechnisch vornehm zurückhaltender
Art, applaudierte dem Geschehen aber nach Kräften zu. Dem Wunsch der
Besucher nach dem Song 'Black Bubblegum' konnte die Band dann leider
nicht nachkommen, scheinbar sorgte das lädierte Ohr von Fronter Greg
dann doch für ernstzunehmendere Probleme - Aber viel mehr hätte eh
nicht mehr in den Abend gepasst. The Dillinger Escape Plan räumten
klar ab, und dafür ist diese Band umso mehr zu lieben.
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