Livereview: Dillinger Escape Plan - Zatokrev
09. Juli 2009, Sommercasino, Basel
By El Muerte
The Dillinger Escape Plan haben schon eh und je die Massen gespalten, das wird sich wohl nie ändern - Brachten sie in der Vergangenheit mit ihrem nervösen Mathcore Massen von Anhängern an den Rand der Ekstase und den Rest der Welt an den Rand der Verzweiflung, so haben sich die Lager anno der Veröffentlichung des letztjährigen Scheibe 'Ire Works' erneut gespalten: Die Band setzt mehr denn je auf überraschend simple Strukturen, um sie dafür in den unberechenbarsten Momenten zu durchbrechen. Was sich wohl aber definitiv nie ändern wird, sind die Live-Shows der Kappelle: The Dillinger Escape Plan machen auf der Bühne nach wie vor keine Gefangenen und gehören wohl zum wildesten, was die Welt in Sachen energiegeladene Shows zu bieten hat - Ein Grund, der sogar eingesessene Fribourger wie mich überzeugen kann, der Band live aufzuwarten…

Zatokrev
Die Basler von Zatokrev verbindet bei ersten Betrachtung nicht viel mit dem Hauptact des Abends - Mal davon abgesehen, dass das Quartett den Status des Lokalmatadors schon ein Weilchen inne hat, scheint die Kombination mit The Dillinger Escape Plan dann doch etwas weit her geholt zu sein. Tatsächlich steht es allerdings so, dass Zatokrev mindestens so extreme Mucke wie die Amis auf's Parkett zaubern, wenn auch aus einer vollkommen anderen Richtung. Zatokrev drosseln das Tempo ihrer Musik gerne bis zum Anschlag, und lassen jedem Ton die nötige Zeit, sich im Raum zu entfalten - Was daraus entsteht, übersteigt im Laufe des Sets oftmals sämtliche Dimensionen, und lässt sich dabei logischerweise nur schwerlich in treffende Worte fassen: Doom, ja klar. Sludge, aber sicher. Drone? Hm, irgendwie schon, so manchmal halt. Groove? Jup, trotz allem ständig präsent. Es mag am simplen aber auf den Punkt gespielten Drumming von Fellgerber Silvio liegen, aber egal wie schleppend sich Zatokrev auch vorwärts bewegten, die schwere Masse an Musik pulsierte unaufhaltsam weiter, während Sänger Fredy den emotionalen Kontrastpunkt setzte: Es ist immer wieder fesselnd, dem Mann dabei zu zusehen, wie er Gift und Galle speit, und den Rotz dabei aus den hintersten Ecken seiner Schleimhäute fischt. Dass die Band bei all der Schwerstarbeit tight und ordentlich spielte, versteht sich natürlich von selbst. Egal ob 'Starlight Leader' mit seinem hinausgezögerten Ende, 'Void' mit seinem schweren Groove, das mächtige 'Bury The Ashes', oder ältere Songs der Marke 'Reveal', und vor allem '…Zato Krev', die Band gab Vollgas. Für zusätliche Gänsehaut sorgte zudem das fast schon stoische Bangen von Fredy und Basser Marco, die gegen Ende des Sets dann auch noch gleich vor den Amps in die Knie gingen, und sich dem Gott des Feedbacks zu Füssen legten. Das Publikum hatte zu Beginn des Sets klar Mühe mit der Band, aber gegen Ende der Show war ich mir ziemlich sicher, einige glänzende Augen in der Masse gesichtet zu haben… Mission gegückt!


The Dillinger Escape Plan
Aber halt, da gab's ja noch den Headliner… Als ich Dillinger das letzte Mal im Fribourger Fri-Son live gesehen hatte, befürchtete ich, dass die Band dann doch etwas vom ursprünglichen Feuer verloren hatte. Aber wer soll's ihnen den verübeln, sich jeden Abend Kopf voran in die Meute zu werfen und etliche Gitarren an den Schädel geschleudert zu kriegen, dafür ist man halt nicht lange gemacht. Doch mein leiser Verdacht verflüchtigte sich nach einem kurzen Intro ab Band schneller als eigentlich physikalisch möglich: DEP stürzten sich mit 'Lurch' ins Chaos, und vor allem Klampfer Ben Weinman und Fronter Greg Puciato gingen in ihrer Rolle von Beginn weg auf - Da wurden Gitarren geschwungen und Grimassen geschrissen, was das Zeug hergab. Während Zweitklampfer Jeff Tuttle anfangs mit technischen Problemen zu kämpfen hatte, und sich Basser Liam Wilson wie eh und je ans Drumset klebte, überraschte dabei vor allem Drummer und Neuzugang Billy Rymer - Der offensichtlich jüngste Musiker der ganzen Kappelle legte einen aggressiven Stil an den Tag, und drosch die Polyrythmen nicht nur in sein Kit hinein, sondern quasi auch daraus heraus.

Die Band ballerte sich während den folgenden 55 Minuten durch neuere Kracher der Marke 'Milk Lizzard', 'Horse Hunter' und 'Fix Your Face', wob dazwischen aber auch gekonnt Klassiker wie 'Sunshine The Werewolve', 'Panasonic Youth', 'Sugar Coated Sour' und '43% Burnt' ein. Richtig fett kamen meiner Meinung nach aber vor allem speziellere Tracks wie das Aphex Twin-Cover 'Come To Daddy', das mit E-Piano vorgetragene 'Dead As History' oder aber 'Weekend Sex Change' daher, hier konnten Dillinger klar die neuerdings so stark kultivierte dynamische Schlagseite voll ausspielen. Das Publikum übte sich indes in vornehmer Zurückhaltung - Oder wusste, wie so oft bei DEP, einfach nicht, wie man sich zu den queren Beats zu bewegen hatte. Richtig geil war dabei der Anblick der Handvoll Hardcore-Kiddies, die wohl nur das '-core', nicht aber das 'Math-' auf dem Showplakat gelesen hatten… Wie man es über fünfzig Minuten schafft, in der Mitte das Saales in voller Hoodie- und Baseball-Cap- / Bandana-Montur rumzustehen, und dabei die beleidigte Fresse zu reissen, ist mir echt schleierhaft. Schade, dass der Gig an der Kasse nicht mehr als 20.- Sfr gekostet hat, da hätten die Kiddies sicher ein hübsch schmerzendes Loch in der Brieftasche gehabt.

Doch zurück zu DEP: Die Band steigerte sich offensichtlich in einen Rausch, und bei den letzen drei Songs wurde noch mal ordentlich nach allen Seiten ausgeteilt - Während Klampfer Ben schon im Vorfeld ohne Anlauf auf die Gitarrenboxen hechtete, hatte er sich mittlerweile den Weg auf die doch etwas höhere Bassbox erkämpft, und suchte Halt in den Lichttraversen, während Zweitklampfer Jeff urplötzlich mit Instrument im Publikum auftauchte, und Fronter Greg mal eben nett den Bass von Liam ans Ohr geknallt kriegte. Die vorderen Reihen des Publikums schrien sich dabei nach wie vor die Lungen aus dem Leibe, während Greg überraschend oft das Mikro in die Meute steckte - vier Meter weiter von der Bühne entfernt übte sich der Rest des Saales in bewegungstechnisch vornehm zurückhaltender Art, applaudierte dem Geschehen aber nach Kräften zu. Dem Wunsch der Besucher nach dem Song 'Black Bubblegum' konnte die Band dann leider nicht nachkommen, scheinbar sorgte das lädierte Ohr von Fronter Greg dann doch für ernstzunehmendere Probleme - Aber viel mehr hätte eh nicht mehr in den Abend gepasst. The Dillinger Escape Plan räumten klar ab, und dafür ist diese Band umso mehr zu lieben.