Die Geschichte der Solinger Stahlschmiede Accept ist
untrennbar mit dem Mann verbunden, der seit 2009 definitiv nicht
mehr zum Line-Up zählt: Udo Dirkschneider! Seine unverkennbare
Reibeisenstimme war nebst den kernigen Hardrock und Heavy Metal
Riffs stets das Markenzeichen und manch einer gab seinem Nachfolger
Mark Tornillo (Ex- TT-Quick) zu Beginn kaum eine Chance. Die
Geschichte hat uns in Sachen Erfolg inzwischen was anderes gelehrt,
aber Udo baute sich sein zweites Standbein ja schon seit 1987 auf,
und nach ein paar On/Off-Geschichten mit seinem einstigen
Hauptgespann Baltes/Hoffmann legten U.D.O. als Band erst recht los.
Es folgten zumeist gute bis sehr gute Alben, obwohl sich das
Besetzungskarussell auch in dieser Formation zu drehen begann. Live
war es in der jüngeren Vergangenheit dann halt stets so, dass Master
Dirkschneider nicht umhin kam, zumindest gegen den Schluss der Gigs
hin ein paar Accept-Kracher zu bringen. Diese Situation wurde
überdacht und man kam zum Schluss, dass dieses Kapitel definitiv
geschlossen wird. Das Vehikel dazu wurde simpel auf „Dirkschneider“
getauft und mit Anvil sowie Palace als Support-Acts bestückt.
Palace Letztes Jahr feierten die deutschen Heavy
Metaller um Meanman Harald „HP“ Piller ihr 25-jähriges Jubiläum. In
der Zeit sind sieben Studioalben und ein Live-Album erschienen. «The
7th Steel» als aktuelle Scheibe ist allerdings auch schon gegen zwei
Jahre alt, und obwohl sich die Truppe in der Vergangenheit mit
Sicherheit den Arsch abgespielt hat, ist der grosse Erfolg nach wie
vor ziemlich weit weg bis unerreichbar. Mag ja sein, dass man sich
als lokale Grösse etwas besser behaupten kann, aber hier in der
Schweiz können Palace auch Anno 2016 absolut nichts reissen. Vor ein
paar wenigen Dutzend Leuten steigt der Opener des heutigen
Konzertabends im Z7 auf die Bühne und macht gute Miene zum bösen
Spiel. Nicht dass die Performance an sich übel wäre, aber die Songs
von Palace verfügen über weite Strecken einfach nicht über die
Klasse, um andere Combos spürbar in die Schranken zu weisen. Das war
vor einigen Jahren in Wettingen als Opener für Destruction schon so
und hat sich seither nicht verändert. Wenn man zum Beispiel Grave
Digger, Primal Fear oder Saxon als spontanen Vergleich heran zieht,
wird einem klar, dass hier handwerklich zwar keine extrem
grossen
Unterschiede bestehen, aber Palace als Band haben einfach keine
guten Songs am Start. Sie sind zwar bemüht, technisch ausreichend
fähig und haben offenbar den Spass an der Sache immer noch nicht
verloren. Um im Haifischbecken des Heavy Metals oder Rock’n’Rolls im
Grundsatz letztlich bestehen zu können, braucht es aber das goldene
Händchen des Songwritings, und das haben Palace auch nach einem
Vierteljahrhundert nicht am Start. Es gibt praktisch überhaupt keine
Hooks, die einem in Erinnerung bleiben und selbst wenn „HP“ und
seine Mannen drei Stunden spielen würden. Die Mucke ist schlicht und
einfach auf den Punkt gebracht stinklangweilig! Das klingt jetzt
alles ziemlich hart, aber sämtliche sieben Palace-Alben werden
beispielsweise von «Battering Ram», dem Opener des aktuellen
Saxon-Krachers, lockerst an die Wand geklatscht! Ganz zu schweigen
von all den anderen zahlreichen wie unsterblichen Klassikern der
Briten!! Immerhin muss man den Deutschen zugutehalten, dass sie
bisher offenbar nur eigenes Material veröffentlicht haben, doch
damit lässt sich bisher kein Blumentopf gewinnen und erst recht
nicht das Etikett einer ewigen Gurkentruppe im Vorprogramm der
Headliner abstreifen!
Anvil
Wenn man jetzt ganz böse sein will, lässt sich der oben stehende
Verriss mindestens zu einem Teil auch auf die Kanadier Anvil
übertragen, dessen Karriere auch schon mehrere Jahrzehnte andauert
und wohl nie mehr grösser als jetzt werden wird. Doch es gibt einen
wesentlichen Unterschied und der gebührt zum einen den überraschend
guten Releases der jüngeren Vergangenheit, angeführt durch das
brandneue tolle Album «Anvil Is Anvil» und dem Umstand, dass
Steve „Lips“ Kudlow (g/v) und Robb Reiner (d) als Metal-Urgesteine mit
massig positiver Aura gesegnet sind. Man kann gar nicht anders, als
sie lieb haben. Mit den beiden Frühwerken «Metal On Metal» (1982)
und «Forged In Fire» (1983) hatte man zwar zwei Genre-Klassiker der
Kategorie Speed und Thrash am Start, doch es sollte kurz darauf
Metallica und Slayer vorbehalten sein, die grossen Erfolge
einzufahren und beispiellose Karrieren hinzulegen. Doch Unkraut
vergeht bekanntlich nicht und nach dem Versuch, mit weiteren Alben
wenigstens etwas des verlorenen Bodens wieder wett zu machen, wurden
Anvil mit der Kino-Doku-Verfilmung ihrer Geschichte « Anvil! Die
Geschichte einer Freundschaft» (2009) wieder zum Thema und
spätestens mit dem Album «Juggernaut Of Justice» (2011) meldeten
sich die
Canucks
auch musikalisch definitiv wieder zurück. Damit einher ging die
erfreuliche Rückkehr auf zahlreiche Festival-Bühnen, wo man bewies,
dass der Tank offenbar noch lange nicht leer zu sein scheint. Als
persönlicher wie musikalischer Glücksfall wird der Einstieg von
Chris Robertson am Bass bezeichnet, der Anvil nach Aussagen von Lips
den Karren seit 2014 endlich wieder dorthin führen konnte, wo sich
das Trio am besten entfalten kann. Die endgültige Bestätigung dessen
wurde mit der neuen Scheibe überzeugend getätigt, und so durfte man
sich heute Abend auf einen Auftritt voller Leidenschaft und
Spielfreude einstellen. Auch wenn der Stil der Band nicht jeden
Metaller und jede Metallerin in Ekstase zu versetzen vermag, war
schon nach kurzer Zeit bemerkbar, dass die anwesenden Fans vor der
Bühne auf jeden Fall ihre helle Freude am Ahornblatt-Trio hatten.
Dass man „nur“ als Special-Guest aufspielte, erklärte die Tatsache,
dass mit «Daggers And Rum» und «Die For A Lie» nur gerade zwei neue
Songs gezockt wurden. Dafür wurde «Metal On Metal» (1982) gleich mit
vier Tracks bedacht und insgesamt gab es Songs zu hören, die man
bisher selten bis gar nie live gespielt hat. Ein wiederkehrender
Gimmick war hingegen Lips‘ Vibrator-Solo-Einlage bei «Mothra» und
ein kurzes Drum-Solo von Robb durfte ebenso wenig fehlen. Nach der
obligaten Zugabe «Metal On Metal» und gut einer Stunde Spielzeit
brachte der aufbrausende Schlussapplaus die glasklare Erkenntnis,
dass Anvil lebendiger und besser als je zuvor sind.
Setliste:
«March Of the Crabs» - «666» - «Oooh Baby» - «Badass Rock 'n' Roll»
- «Winged Assassins» - «Free As The Wind» - «Daggers And Rum» -
«Mothra» - «Swing Thing» - «Die For A Lie» -- «Metal On Metal».
Dirkschneider
Eigentlich hätte ich es ja nicht tun sollen, aber im Zeitalter des
Internets muss man längst nicht mehr auf offzielle Live-Alben
warten, und so wusste ich zumindest im Sinne eines Appetizers, dass
diese Accept-Songs Abschieds-Tour von Udo Dirkschneider unter
simpler Verwendung seines Nachnamens etwas ganz Grosses werden wird.
Dass es dann aber noch besser kam, unterstreicht die Notwendigkeit
des jeweiligen persönlichen Konzertbesuches, dem keine Ton- und/oder
Bildträger-Nachlese auch nur annähernd Paroli bieten kann. Dass es
Udo damit wirklich ernst ist, also das Kapitel Accept in Würde
abzuschliessen, beweist ein Blick auf den Eurotour-Kalender, den
fast fünfzig (!) Konzerte zieren. Keine Spur also von wegen „ein
leidiges Thema“ aus der Welt zu schaffen, sondern vielmehr ein
würdiges Abschiedsgeschenk an alle Fans, die diese Band erst zu dem
machten, was sie heute (mehr oder weniger) immer noch ist. Ich
selber habe mit Mark Tornillo als Nachfolger von Udo überhaupt kein
Problem und sehe die Sache, wenn auch die Ausgangslage nicht die
Gleiche ist, wie bei Gotthard mit Nic Maeder anstelle von Steve Lee
(R.I.P.) – Es passt und jedem ist freigestellt, wie er damit umgeht.
Die Urstimme von Accept wird aber immer Udo Dirkschneider sein und
auch bleiben. Somit stellte sich nur noch die Frage, welchen Songs
die Ehre gereicht wurde, dass sie ein letztes Mal in diesem Rahmen
zu hören sind und welche Klassiker notgedrungen über die Klinge
springen mussten. Das aktuelle Line-Up von
Dirkschneider
entspricht natürlich eins zu eins dem vom U.D.O., das heisst hinter
dem Frontmann agieren Fitty Wienhold (b), Sven Dirkschneider (d),
Andrey Smirnov (g) und Kasperi Heikkinen (g). Letztere zwei sorgen
ja seit 2013 für neue Saitenpower und Sohnemann Sven darf seinem
Vater seit 2015 als Nachfolger von Francesco Jovino den Takt
vorgeben.
Nach dem anregenden Intro «Just A Gigolo»
(interpretiert von…, natürlich David Lee Roth aus seiner Solozeit)
gings mit dem Opener «Starlight» gleich volle Kanne los! Damit wurde
man zum Album «Breaker» und auf einen Schlag 35 Jahre zurück
versetzt. Es war kaum zu glauben, mit welcher Frische einem dieser
Oldie um die Lauschklappen geknallt wurde! Keine Spur von blosser
Pflichterfüllung, sondern die ganze Ladung voll auf den Punkt
gebracht. Udos Stimme war glasklar, sprich kreischte wie in alten
Tagen, und die Band gab von Anfang an Vollgas. Nicht unwesentlich
war dabei die jugendlich bedingte Power, die von Dirkschneider
Junior ausging. Das war genau das, was den Unterschied mitunter
ausmachte auch U.D.O. zugute kommt. Was danach mit insgesamt 24
Songs bei weit über zwei Stunden Spielzeit geboten wurde, ist schwer
in Worte zu fassen, und man kriegt umgehend Mitleid mit all denen,
die
sich das haben entgehen lassen. Der Blick auf die unten stehende
Setliste treibt einem wahrlich die Tränen in die Augen im Wissen
darum, dass man dies so live nie mehr wird erleben können. Immerhin
wurde die Show vom Vorabend in Memmingen (D) für die schon fast
obligate DVD-Nachlese mitgeschnitten, doch angesichts der schieren
Power, die das Hammer-Konzert befeuerte, ein schwacher Trost. Nach
einem Highlight befragt, muss ich echt passen, denn es gab nicht
einen Hänger, und selbst die Ballade «Winterdreams» (von «Balls To
The Wall», 1983) erzeugte eine millimeterdicke Gänsehaut par
excellence. Müssig zu erwähnen, dass sich die Stimmung laufend nach
oben schaukelte und in lautstarken Mitsing-Parts, wie bei «I'm A
Rebel» und der letzten Zugabe «Burning», mündete. Davor walzte das
unzerstörbare «Balls To The Wall» bereits alles in Grund und Boden.
Wo es bei anderen Bands womöglich peinlich klingt, befiel einen
während des Outros mit Frank Sinatras «My Way» wirklich etwas
Schwermut und man empfand gleichzeitig eine beinahe greifbare
Dankbarkeit darüber, nochmals Zeuge der grandiosen Symbiose dieser
legendären Gesangsstimme der Szene und den zugehörigen Songs
geworden zu sein. Danke Udo Dirkschneider für dieses unvergessliche
Erlebnis und auf weitere Erfolge mit U.D.O. – Flasche leer, ich habe
fertig.
Setliste: «Just A Gigolo (Intro)» - «Starlight» -
«Living For Tonite» - «Flash Rockin' Man» - «London Leatherboys» -
«Midnight Mover» - «Breaker» - «Head Over Heels» - «Neon Nights» -
«Princess Of The Dawn» - «Winterdreams» - «Restless And Wild» - «Son
Of A Bitch» - «Up To The Limit» - «Wrong Is Right» - «Midnight
Highway» - «Screaming For A Love-Bite» - «Monsterman» - «T.V. War» -
«Losers And Winners» -- «Metal Heart» - «I'm A Rebel» - «Fast As A
Shark» - «Balls To The Wall» - «Burning» - «My Way (Outro)».
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