«Lieber spät als nie!» – Redewendungen können noch so abgelutscht
und verbraucht klingen, oftmals haben sie etwas Wahres an sich und
passen auf dutzende Situationen. So auch auf das Gastspiel von
Disturbed. Eigentlich schon für den Juli angekündigt, schafften es
die amerikanischen Megasellers erst kürzlich, den Weg in die Schweiz
zu finden. Nachtragend schienen die Fans der Band aber nicht im
Geringsten zu sein, denn die «Verstörten» (so die Übersetzung des
Bandnamens) zogen Horden von jung bis alt ins ehrwürdige Zürcher
Volkshaus, welches infolgedessen tobte wie schon lange nicht mehr.
Dies nicht nur beim etwas enttäuschend statischen Hauptact, sondern
auch bei den um Längen agileren Youngsters von Shinedown. Zieht man
das unverständliche Rauchverbot und dessen mir immer noch
schleierhafte Gründe ab, so darf man das nächste abgedroschene
Sprichwort bringen: «Ende gut, alles gut!»
Shinedown
Ist man das erste Mal in einem Land, dann freut man sich gewaltig.
Shinedown, die in den USA schon seit einigen Jahren unzählige
Jugendliche zum Abgehen bringen, sind in Europa für Viele noch ein
unbeschriebenes Blatt. Um dies zu ändern liess der Fünfer aus den
Südstaaten vom ersten Ton von «Devour» an nichts anbrennen und
moshten bzw. zappelten wie die Irren über die Bühne. Fronter Brent
Smith zeigte sich dabei stimmgewaltig wie auf Scheibe und intonierte
gerade groovende Tracks von «Us And Them» (2005) wie grandiose «Heroes»
als wäre er ein zweiter Chris Cornell. Das Publikum hätte derweil
nicht dankbarer sein können und feierte jeden Song, auch wenn für
die meisten wohl vorher ungehört, ab. Den Enthusiasmus der Menge
lobt Smith, der insgesamt fast ein wenig zu viel Smalltalk betreibt,
daraufhin mit der Beteurung, dass die Schweizer «das beste Publikum
Europas» seien, was wiederum frenetisch bejubelt wurde. Nicht
zuletzt die Setlist dürfte sich dafür verantwortlich zeichnen,
verzichtete man bis auf das gemässigtere «Save Me» und das
melancholische, semiballadeske «Second Chance» von der aktuellen
Platte «The Sound Of Madness» fast ausschliesslich auf ruhigere (man
könnte sagen Teenie-) Töne und liess es mit «Cyanide Sweet Tooth
Suicide» und «Fly From The Inside» doch so richtig krachen. Was
geschieht, wenn man infolge Zeitknappheit keinen Soundcheck machen
darf, manifestierte sich leider im Sound: Wummernde, undurchsichtige
Gitarren stellten den Wehrmutstropfen eines ansonsten überaus
gelungenen Schweiz-Debüts dar, welches wohl nicht nur eine handvoll
Leute am 09.01.09 ins Abart wandern werden lässt, wo Shinedown ihre
erste Headliner-Show bei uns spielen werden.
Setlist Shinedown:
Devour – Heroes – Cyanide Sweet Tooth Suicide – Sound Of Madness –
Left Out – 45 – Save Me – Second Chance – Fly From The Inside
Disturbed
Eine zweischneidige Angelegenheit waren darauf leider Disturbed.
Noch euphorischer als zuvor begrüsste das Publikum die langerwartete
Ausnahmeband, sodass schon vom eröffnenden «Perfect Insanity» an
geklatscht, gesungen und gehüpft wurde was das Zeug hielt. Anders
als bei Shinedown jedoch blieb die Band hinter der Bewegungsfreiheit
ihrer Fans zurück. Bis auf Frontglatze David
Draiman liess man es
nämlich eher behäbig zu und her gehen, schlenderte ein wenig hin und
her und konnte sich meist nicht einmal dazu überwinden einmal
richitg den Kopf auf und ab zu schütteln. Mehr oder weniger
wettgemacht wurde dies von einer mächtigen Licht- bzw. Bühnenshow:
Eine perfekt auf rhythmische Nummern wie «Liberate» oder das
mächtige «Just Stop» (von der meines Erachtens immer noch besten
Disturbed-Scheibe «Ten Tousand Fists») abgestimmte Lichtanlage
(inklusive dem momentan so beliebten, epileptischen Blitzlicht)
beleuchtete stimmungsvoll eindrückliche Backdrops, die von zeit zu
zeit ausgewechselt wurden. Der wahre Dämpfer des Abends war aber
nicht die fehlende Agilität der Band, sondern der zu Beginn echt
klägliche Sound. Zu dürre Gitarren, zu dürre Bassdrum, von einem
Bass zuerst gar keine Spur und der dünne Gesang von Draiman – da
entwickeln Nummern wie «Indestructible», «Prayer» oder «Deify» ab
Konserve eine ganz andere Gewalt. Das wie aus dem Häuschen wirkende
Publikum schert das jedoch wenig. Zu älteren Tracks wie «Stupify»
wird tatkräftig mitgesungen, beim rasenden «Divide» tobt der Mob wie
von Sinnen und beim heftigen Medley bestehend aus «Guarded», «Violence
Fetish», «Criminal», «Devour» und «Meaning Of Life» ist auch der
letzte Gast im Volkshaus pitschnass, egal ob er sich selber
verausgabt oder einfach von anderen angeschwitzt wird. Gitarrist Dan
Donegans Trägheit während dem ganzen Tohuwabohu zeigt dabei eines
mal wieder ganz klar: die Songs machen die Sache aus. Umso besser
der Song, umso schlechter darf das Stageacting sein, damit die Fans
immer noch jubeln. Disturbed hat diese Songs und vielmehr nach
diesen und weniger nach einer überzeugenden Band schreit das
Publikum, als nach «The Game» der vorläufige Schlussstrich gezogen
wird. «Inside The Fire» eröffnet die hitgeladene Zugabenpalette,
gefolgt von «Stricken» (fulminant!), einem kurzen, knackigen Drumsolo und dem berauschenden, endgültigen Finale «Down With The
Sickness». Um die Fans, die nach 80 Minuten immer noch nicht genug
haben, dann endgültig aus der Puste zu bringen, wird von Draiman
angeführt das Volkshaus noch schnell in seinen Grundmauern
erschüttert, indem alles, was auf dem Balkon ist (der auch
überraschend mitgemacht hat bei der ganzen Sause) zum Stampfen
animiert wird. Danach ist aber wirklich Schluss im Schacht und man
ist sich als Rezensent unschlüssig, was man von dieser Show nun
halten soll. Eines steht aber fest: ein solch energiegeladenes
Publikum hab ich schon lange nicht mehr gesehen. Dieses hatte
definitiv Spass und genau das ist ja das soll ja erreicht werden.
Setlist Disturbed:
Perfect Insanity – Liberate – Just Stop – Voices – Indestructible –
Prayer – Land Of Confusion – Torn – Deify – Stupify – Divide –
Hunted – Medley (Guarded, Violence Fetish, Criminal, Devour, Meaning
Of Life) – The Game
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Inside The Fire – Stricken – Drum Solo – Down With The Sickness
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