Dieser Tag war bei mir von einigem Stress begleitet. Da kam es
somit wie gerufen, dass ich bisher noch nie (solls geben solche Sachen!) im Abart war und
diesen Laden zuerst noch finden musste, und das an einem Freitag Abend durch den Zürcher
Abendverkehr hindurch! Es klappte schliesslich durch Geduld und brachte die Erkenntnis,
dass dieser Ort eigentlich gut zu finden ist.
An diesem Abend standen also (nach Héroes del Silencio) die neuen spanischen
(Alternativ-) Rock-Helden auf dem Programm. Ich lernte diese geniale Combo erst mit ihrem
dritten Werk "Late at Night" von 1999 kennen. Diese Scheibe haute mich damals
echt aus den Socken (und dabei kannte ich noch nicht mal den in ihrer Heimat über 500'000
mal verkauften Vorgänger "Devil came to me"!) und machte den neuerlichen Besuch
der Kult-Band aus Madrid bei uns zur Pflicht für mich. Ich kenne keine Gruppe, die
brachiale Power mit lieblichen Ohrwurm-Melodien so nahe beieinander halten kann. Das wird
möglich durch das Geschwisterpaar Christina (g, voc) und Amparo Llanos (g, voc), ergänzt
durch Alvaro Diez (b) und Jesus Antunez (d). Diese Kombination hat eine Perle der
Alternativ-Szene geschaffen, die praktisch alles weit hinter sich lässt, was es auf
diesem Gebiet gibt und stellt zudem ein unglaubliches Potenzial in Aussicht. Ihr glaubt
mir nicht? Dann geht hin und fragt irgend jemanden der etwa 550 Leute (!!!), die Zeugen
dieses ultimativen und total ausverkauften Auftritts geworden sind!
Bevor es jedoch soweit war, stiegen She-Male Trouble aus Deutschland auf die
Bretter, um den Konzertabend zu eröffnen. Das Gedränge vor der Bühne des Abart war
bereits ordentlich und die niedere Decke vermittelte ein zusätzliches Engegefühl. Der
Punk-Rock, eigentlich mehr Rock als Punk, der sich oftmals nach den alten Motörhead
anhörte, kam beim Publikum gut an und heizte die Meute entsprechend auf. Die Vocals von
Sängerin Carola hörten sich dann und wann nach der seligen Wendy O'Williams (R.I.P.) an,
wennauch dessen Rauhheit fehlte. Nichts destotrotz versprühte die ganze Band viel gute
Laune und wurde lautstark abgefeiert.
|
Was nach der Umbaupause folgte, lässt sich kaum beschreiben.
Praktisch von der ersten Sekunde an (Opener: "My secret People") bebte der Laden
und eines der intensivsten Konzerte, das ich je gesehen hatte (ausser Slayer,
üüürgggghh..), nahm seinen Anfang. Amparo pfefferte, unterstützt von Christina
tonnenweise messerscharfe Riffs in den Schmelztiegel vor der Bühne hinein, die man ihr
von der eher zarten Postur her nie zugetraut hätte. Gleichzeitig kamen immer wieder total
ruhige Parts mit den unverwechselbaren Vocals von Christina (und Amparo), die das
Markenzeichen des Dover-Sounds bilden. Die Rhythm-Section mit Alvaro und Jesus powerte
ohne Ende und lieferte den Teppich für die Llanos-Sisters. Das Publikum schien
überraschenderweise gut mit dem Material vertraut zu sein und sang quasi bei jedem Song
(!) lauthals mit. Und da wären wir beim zentralen Punkt angelangt, was das Spezielle von
Dover ausmacht. Die Ohrwurmqualität des Songwritings ist beängstigend! Der Lärmpegel am
Ende der Songs steigerte sich ständig und nahm in der Folge gigantische Ausmasse an. Nach
kurzer Zeit wirbelten ausserdem pausenlos zuckende Körper (zuerst nur Jungs und später
folgten auch einige Mädels!! *sic*), getragen von dutzenden von Händepaaren über den
Köpfen der Menge umher und die wirklich fanfreundliche Security (!) betrieb lediglich
Schadensbegrenzung und spedierte solche, die der Bühne zu nahe kamen, wieder ins Gewühl
zurück. Allerdings gestaltete sich dieses Crowd-Surfen nicht ungefährlich, da die an der
wirklich niederen Decke befestigten Scheinwerfer etliche Male von Füssen getroffen wurden
und deswegen vereinzelt gar ihren Dienst aufgaben. Glücklicherweise kam aber niemand zu
Schaden und dieser Killer-Gig konnte ungehindert seinen Fortgang nehmen.
Die Temperatur, geschwängert von einem pervers dicken Zigarettenqualm, hatte
längst Fieberwerte erreicht und mein mehrmaliger Blick nach oben bestätigte meine
Vermutung: es tropfte mittlerweile wirklich von der Decke runter!! Sowas hatte ich in der
letzten Zeit nun wirklich nicht erlebt, der helle Wahnsinn! Die Setliste beeinhaltete alle
Schaffensperioden und das neue Material von "I was dead for 7 Weeks in the City of
Angels" wurde ebenso frenetisch bejubelt wie die älteren Klassiker der Währung
"Devil came to me" oder "Flashback". "Dj" und allem voran
"Cherry Lee" verwandelten das Abart in einen wahren Hexenkessel. Diese
Reaktionen beflügelten auch die Band, die wie aus einem Guss spielte. Nach knappen 75
Minuten verabschiedeten sich Dover schweissgebadet und ziemlich groggy von der Bühne und
hinterliessen ebenso ausgepowerte Fans. Eines ist so sicher wie das Amen in der Kirche:
diese Truppe hat, falls nicht Unvorhergesehenes geschieht, mehr als eine rosige Zukunft.
Wenn ich mir vorstelle, wie das in einem ausverkauften Volkshaus (in Zürich) abgehen
würde, dann sträuben sich mir die Nackenhaare schon jetzt, obwohl gerade Club-Konzerte
in kleinen Rahmen wie hier im Abart immer einen besonderen Reiz ausüben und gerade
deswegen noch lange in Erinnerung bleiben werden.
Setlist: "My secret People", "Better Day", "Four
Graves", "Devil came to me", "Lady Barbuda", "As I
said", "Flashback", "Rooster", "Recluser", "King
George", "Astroman", "Serenade", "Witness",
"Dj", "Cherry Lee", "Seawitch", "Far", "Loli
Jackson".
|