Wenn die Könige
zum Tanz bitten, dann kommen die Fans natürlich in Scharen angereist, auch von weit her,
was unschwer an den vielen ausländischen Nummernschildern auf den Parkplätzen beobachtet
werden konnte. Schauspiel für das diesjährige Schweizer Gastspiel der amerikanischen
Prog Kult-Metaller war die Festhalle Rüegerholz in Frauenfeld. Diese Location war mir
bisher nicht bekannt, was natürlich immer eine gewisse Spannung und Erwartungshaltung mit
sich bringt. Die Fahrt in die Ost-Schweiz dauerte so seine Zeit, aber einmal angekommen,
war dies alles vergessen, zumal man vor Ort gleich einige Kollegen und sonst ein paar
bekannte Gesichter antraf. Da es schweinekalt war, sorgte bei vielen Fans eine heisse
Bratwurst oder Cervelat vor dem Eintritt in die Halle für wohltuende Abhilfe und stillte
gleichzeitig den kleinen Hunger. Gestärkt begehrte man darauf um Einlass und konnte sich
auf einen Mega-Event der Sonderklasse freuen.
Dass Dream Theater gelegentlich gut und gerne drei Stunden oder noch mehr spielen, ist ja
mittlerweile nichts Neues, aber dieses Mal war die Länge des Konzertes schon zum Voraus
bekannt! Drei Stunden ohne Vorband mit einer Pause von fünfzehn Minuten dazwischen
sollten es sein. Und, um es gleich vorweg zu nehmen: Es war wirklich so! Punkt 19.30 Uhr
startete die Show mit einem längeren Intro, das mit Video-Bildern von den drei grossen
aufgehängten Bühnen-Monitoren untermalt wurde. Der Bühnenaufbau sah eigentlich eher
karg aus und wurde hauptsächlich durch das opulente Schlagzeug von Mike Portnoy
dominiert. Auf der linken Seite, leicht erhöht, stand das Keyboard von Tastenflitzer
Jordan Rudess und der Rest waren die Effekt-Geräte von John Myung (b) und John Petrucci
(g). Keine Spur von aufwändigen Dekors und sonstigen Spielereien. Was zählt, ist die
Musik und diese wird in der edelsten Form zelebriert! Als Opener wurde "As I
am", das erste Stück des neuen Album's "Train of thought" gewählt. Dabei
ging es gleich ziemlich hart zur Sache und auch der zweite (neue) Track "This dying
soul" kam ziemlich brachial daher. Der Sound war zu Beginn etwas matschig und
undifferenziert. Das änderte sich aber laufend und spürbar bis hin zu einem Mix, der
einen glatt umhaute. Die recht hohe Halle mit der massiven Giebelkonstruktion aus Holz und
den darin anwesenden etwa knapp 3000 Fans geriet immer mehr aus dem Häuschen. Als
Saitenhexer Petrucci bei "Hollow years" erstmals zu einem ausgedehnteren Solo Anlauf nahm, blieben
abermals eine Horde frustrierter Gitarristen und Hobby-Musiker unter dem Publikum zurück,
die zu sehen und vor allem zu hören bekamen, was möglich wäre, wenn man es nur könnte.
James LaBrie schien auch einen guten Tag erwischt zu haben, denn seine Vocals klangen
sowas von klar und kraftvoll (genial: "Under a glass of moon"), dass es eine
wahre Freude war. Die geschickt eingesetzten Bühnenkameras, die zum Beispiel die
Arbeitsplätze von Rudess und Portnoy perfekt von oben gesehen auf die drei Monitoren
brachten, vermittelten ein grandioses Bild des Könnens dieser Ausnahme-Truppe. Im
Gegensatz zu anderen Konzerten dieser Tour verzichtete man in Frauenfeld auf ein
Drum-Solo, was erstens ein Gewinn und zweitens auch gar nicht unbedingt nötig war, weil
durch die Kamera laufend raumfüllende Bilder des filigranen Schlagzeug-Spiels vermittelt
wurden. Nach dem amtlichen Gebretter folgten aber auch leisere Töne, die genau so
überzeugen konnten. "Trial of tears", das auf das erste Key-Solo von Jordan
Rudess folgte, beendete den ersten Part des Konzertes nach etwa gut achtzig Minuten.
Während an dieser Stelle schon unzählige Konzerte zu Ende gewesen sind, respektive
wären, konnte man sich nochmals auf mindestens die gleiche Dauer einstellen und freuen!
Es fühlte sich schon ein wenig komisch an, als das Licht das erste Mal anging und niemand
die Halle verliess. Auf den Punkt eine Viertelstunde später, die eine runterzählende Uhr
auf dem mittleren Monitor begleitet hatte, begann der zweite Teil des Abends mit
"Metropolis Part. 1". Sekunden später verwandelte sich die Halle wieder in
einen Hexenkessel, dass einen glatt das Blut in den Adern einfror. Diese Stimmung...,
einfach unbeschreiblich geil! Unterstützt durch dezentes, aber sehr effektvoll
eingesetztes Licht nahm die Show seinen Fortgang. Es gibt wohl kaum eine andere Band in
dieser Sparte, die den Spagat zwischen brachialer Härte und wunderbaren Melodien derart
auf den Punkt bringt. Die jetzige Besetzung scheint mir ohnehin die bisher Beste zu sein.
Derek Sherinian, der Vorgänger von Jordan Rudess, ist ja ohne Zweifel auch ein Meister
seines Fachs, aber irgendwie hat man das Gefühl, dass die Band jetzt noch mehr zur
Einheit gewachsen ist. Das Level der Musikalität ist dermassen hoch, dass daneben
praktisch alles abfällt. Beim Improvisations-Teil zu "Beyond this life" jagten
sich Petrucci und Rudess gegenseitig wie gemeinsam durch haarsträubende Solo-Orgien hindurch, die auch auf der Stufe Blast Speed keinen
einzigen Aussetzer, geschweige denn einen einzigen Spielfehler hervorbrachten. Die
Leichtigkeit dieses Spiels ist schlicht umwerfend und begeisterte das Publikum vollends.
"Finally free" setzte dann erstmals den vorläufigen Schlusspunkt, aber ein
Blick auf die Uhr deutete noch mindestens eine Zugabe an, die in Form von "In the
name of God" auch prompt folgte. Damit wurde schliesslich der verbleibende,
respektive noch fehlende der insgesamt sieben Tracks des neuen Albums live vorgestellt.
Als die Band unter frenetischem Jubel die Bühne um 22.35 Uhr endgültig verliess, war
eines der besten Konzerte, das ich in den letzten fast 25 Jahren überhaupt gesehen hatte,
leider schon Geschichte. Allen, die diesem Event ebenfalls beigewohnt haben, wird dieses
Hammer-Konzert mit Sicherheit noch lange Zeit in sehr guter Erinnerung bleiben!
Set-Liste: "As I am", "This dying soul", "Under a glass
moon", "Hollow years (w/ extended Guitar Solo)", "War inside my head
(w/ altered Intro)", "The test that stumped them all", "Endless
sacrifice", "Honor thy father", "Keyboard Solo", "Trial of
tears" - Pause 15 Min. - "Metropolis Part 1", "Caught in a Web (w/
Zappa breakdown)", "Only a matter of time", "Beyond this life (w/
extended Improv Section)", "Through her eyes", "Vacant",
"Stream of consciousness", "Finally free", "In the name of
God".
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