Ein ganzer Abend
mit den Prog-Göttern aus Übersee, wie könnte man das Wochenende besser einläuten? Da
keine Vorband zu erwarten war, fingen die Leute an zu schreien, sobald die Uhr 20:00
zeigte. Das Intro setzte ein, das Licht ging aus, der Lärm der Masse wurde
ohrenbetäubend.
Als dann der Vorhang fiel, wurde er schon undefinierbar. Die Musiker begannen mit
"The root of all evil" vom neuen Album, wobei LaBrie's Stimme anfangs etwas
comicartig klang. Das Publikum blieb relativ ruhig, was Schubsen und Drücken anging, aber
das sollte sich später noch ändern. Wahrscheinlich war es zunächst leicht gelähmt von
der extremen Lightshow. Ruddess präsentierte sich mit wild wachsendem Bart, während
Petrucci tief in den Topf mit Haargel gegriffen hatte. Auf der Leinwand sah man entweder
die Band in Grossaufnahme oder dann Bilder aus alten Tagen sowie CD-Covers -natürlich
immer passend zu den jeweiligen Songs. Nach dem fünften Stück war dann mal 'ne
Begrüssung fällig, inklusive Dank fürs Erscheinen und der Mitteilung, dass es Dream
Theater nun doch schon 20 Jahre gebe (Majesty-Zeit mit eingerechnet). Mike Portnoy hatte
voraus gedacht und -entweder im Wissen um die flirrenden Lichter oder der Coolness wegen-
eine Sonnenbrille montiert. Das Publikum war auffallend gemässigt erschienen in Bezug auf
Metaller-Attitüde. Da waren keine "krassen" Gestalten zu bewundern, man sah
viel mehr Leute, für die gute Musik nicht mit gutem Aussehen zu tun hat. Will heissen, es
ging mal 100%ig um die Band und nicht ums Posen. Dann gab es noch die andere
Garde, die Leute, die in ihrer Schulzeit (die in vielen Fällen noch nicht beendet war)
nicht nur beliebt gewesen sein konnten. Ich will natürlich hier keinen Konzertbesucher
beleidigen, das Statement wird später noch genauer erklärt.
James sang mit stoischer Miene und wallender Mähne, teilweise glich er einem Seefahrer
aus der griechischen Antike. Bei "About to crash" sang Petrucci mit tiefer
Stimme mit und sein Einsatz wurde mit Gekreisch honoriert. Gerade als ich mich ans Spirit
Of Music-Openair in Uster vom 12. Juni zurück erinnerte und mich darüber freute, dass
dieses Mal keine ungeduldigen und halb wahnsinnigen Maidenfans pushten, fing das Gerangel
an. Ein paar Klassentrottel mit Zahnspangen und fettigen Haaren konnten sich nicht mehr
beherrschen und wollten einen Pit eröffnen -an einem Dream Theater-Konzert, man stelle
sich das vor. Ausserdem hatte keiner von denen je etwas von Anstandsregeln wie
"Kleine Leute vor grossen Leuten" oder "Damen bevorzugt behandeln"
gehört. Nach der viertelstündigen Pause, in der man sich kaum einen Millimeter bewegen
konnte, ging es frisch und fröhlich weiter. Die Band hatte Freude am Spielen, gewisse
Besucher am Drängeln. Das Thermometer stieg stetig an. Vielleicht auch, weil der zweite
Teil durch "As I am" eingeleitet worden war.
Danach ging es weiter mit einer "Octavarium"-Session, der in Jordans Solo
gipfelte, das wiederum die Einleitung für den Titelsong der neuen Scheibe war. Aber
zurück zum Keyboarder. Sein Instrument (nicht das "normale" Keyboard, das Ding
daneben) sah aus, als wären die Tasten durch eine Filzmatte ersetzt worden, unter der
sich durch Fingerdruck Töne bildeten. Es schien irgendwie überirdisch und die Hitze nahm
zu
Natürlich wurde munter weiter gedrängelt, da keinem die Ansicht des seltsamen
Instruments auf der Leinwand zu genügen schien. So fand ich mich jedenfalls plötzlich
über die Schulter eines Security geworfen wieder und wurde nach draussen abtransportiert.
An dieser Stelle eine Kritik an Hallenverwalter und Veranstalter: Eine klitzekleine
Sanitätseinrichtung wäre ja wohl nicht zu viel verlangt. Denn die Schreiberin dieser
Zeilen war nicht die einzige die würgend in der Kälte stand
Zum Glück hatte meine
Kollegin, übrigens ein riesiger Dream Theater-Fan, wenn nicht sogar der allergrösste,
sich meiner Notizen angenommen und meinen Job weitergeführt. Ein Küsschen für Sandy
an dieser Stelle! Bekanntlich geht "Octavarium" 24 Minuten und laut Sandy
rasteten die Fans im Zwischenteil aus, klatschten euphorisch mit und genossen Petruccis
geniale Soli. Die Zugabe begann mit "Pull me under", was natürlich auf keinen
Fall fehlen durfte und auch ich war da wieder mit dabei- musste mich doch am
Schlussapplaus beteiligen.
Wenn man bedenkt, dass das Konzert als "Abend mit Dream Theater" angekündigt
gewesen war, hätten sie ruhig etwas länger spielen können. Drei Viertel der neuen
Platte hatten sie zum Besten gegeben, mir persönlich hat "Sacrificed sons"
gefehlt. Aber es bleiben mehr als zwei Stunden genialer Sound und etwas zu viel Enge in
meiner Erinnerung und in der vieler anderer Konzertbesucher. In diesem Sinne: Kommt bald
wieder, Jungs!
Set List:
"In the name of god outro (intro tape)" - "The root of all evil" -
"Panic attack" - "Another won" - "Afterlife" - "Under a
glass moon" - "Caught in a web" - "Fatal tragedy (Ass & Balls
version)" - "About to crash (Reprise)" - "Losing fime/Grand finale
(final chord containing excerpts of "Whole lotta love", "Run to the
hills" & "Hot for teacher")" ---Pause--- "As I am" -
"These walls" - "I walk beside you" - "Never enough" -
"Octavarium" "Pull me under/Metropolis pt 1 (up through the
black-out)" "Metropolis pt 1 (continued)"
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