Prog im Doppelpack gab es Anfang Juli in Zürich. Zum gediegenen
Taktwechsel-Tanz luden die Genre-Könige Dream Theater ein, welche
bald mit einem neuen Album für die obligatorischen Verzückungen
sorgen werden. Quasi als Thronanwärter spielten Anathema. Diese
konnten heute ebenfalls auf eine treue Anhängerschaft zählen, auch
wenn richtige Euphorie (wenn man das beim Prog-Publikum überhaupt
verlangen kann) erst beim Headliner aufkam. Somit war es ein fast
perfekter Abend, bei dem einzig die etwas zu hohen Ticketpreise
dafür sorgten, dass das Komplex 457 nicht ganz ausverkauft war. (rog)
Anathema
Musik aus Liverpool, also der Stadt, die einst die Beatles
hervor brachte. Anathema passten wunderbar in das Vorprogramm von
Dream Theater. Mit «Thin Air» aus dem letzen Album «We're Here Cause
We're Here» startete der Familienbetrieb Cavanagh und Co. in den
Abend. Andere mögen es kritisieren, aber ich finde es wunderbar, wie
Anathema ihre Lieder mehr oder weniger immer gleich aufbauen. Nach
einem sanften besinnlichen Einstieg steigern sich die Songs bis hin
zu einer Explosion, was live zu magischen Momenten führt(e). Auch
das Publikum passte sich dieser Gegebenheit an, das heisst während
den Songs verhielt man sich ruhig und lauschte aufmerksam, um danach
in euphorisches Klatschen zu verfallen. Mit dem eher rockigen «Deep»
ging es weiter. Was bin ich für die musikalische Kehrtwende dieser
Band dankbar! Die Entscheidung den Doom/Gothic Metal Sound zu
begraben, um sich eher den sphärischen Art Rock Klängen zu widmen,
war richtig gewählt. Eine ausgewogene Setliste, die dunkle,
mystische Bühnenbeleuchtung und die engelsgleichen Gesangseinlagen
von Lee Helen Douglas rundeten einen für mich perfekten Einstieg ab,
auch wenn es wohl zu Beginn soundtechnisch nicht so ganz klappen
wollte. Zuerst dachte ich es lag daran, dass ich mir die ersten
Lieder von der linken Bühnenhälfte anhörte. Bekanntlich ist es ja
klüger, das Ganze vom Mischpult aus zu geniessen. Glaubt man den
Publikumsstimmen, war es auch beim "Front of house" nicht anders. Es
sei ihnen verziehen, denn Anathema sind live absolut sehenswert. (lia)
Setliste: «Thin Air» «Deep» «Everything» - «Natural Disaster» «Closer»
«Flying» - «Fragile Dreams».
Dream Theater
Es war ein spezieller Abend mit Dream Theater, denn zum ersten
Mal durfte man dem neuen Schlagzeuger Mike Mangini lauschen. Und der
Bursche stand seinem Vorgänger in fast nichts nach. Einzig auf das
Flirten mit dem weiblichen Publikum verzichtete der Neuling.
Ansonsten zog er aber alle Register und schien bei all den Becken
die Übersicht nicht zu verlieren. Dazu konnte Mangini ein
Dauerlächeln nicht verkneifen. Der Mann wirkte, als ob er im Lotto
gewonnen hätte. Aber auch die alten Hasen in der Band überzeugten
durch eine selten gesehene Spielfreude. Klar, geschieht optisch bei
Prog-Metal nicht allzu viel auf der Bühne. Dieses Manko machten sie
aber mit den Songs in grandiosen Versionen mehr als wett. Zu den
Höhepunkten zählten für mich die beiden früh im Set gespielten
Lieder «Forsaken» und «Endless Sacrifice». Bei Letzterem kamen mir
aus unbekannten Gründen sogar die Tränen. Auf Soloeinlagen
verzichteten Dream Theater heute weitgehend und liessen dafür auf
die eher ruhige Meute Lieder los, welche den Instrumenten genug
Platz liessen. Paradebeispiel dafür war zum Beispiel «The Great
Debate» von «Six Degrees Of Inner Turbulence». Einzig Schlagzeuger
Mike Mangini durfte seinen
Einstand mit einem kurzen Solo feiern.
«Fatal Tragedy» von «Metropolis Part II» markierte einen weiteren der
zahlreichen Höhepunkte. Mit «On The Backs On Angels» wurde gar ein
neues Stück des Anfangs September erscheinenden «A Dramatic Turn of
Events» gespielt. Nach gefühlten 15, aber effektiv leider schon
vergangenen 90 Minuten war bereits Schluss mit dem regulären Set.
Nach euphorischen Zurufen enterten Dream Theater aber nochmals die
Bühne und spielten zur Verblüffung vieler «The Count Of Toscany».
Erstaunlich war das deshalb, weil dieses 20-minütige Monster von
Ex-Schlagzeuger Mike Portnoy geschrieben wurde und seinem Vater gewidmet
ist. Nach dieser "kurzen" Zugabe war Schluss, das Publikum zufrieden
und in froher Erwartung auf das im Interview angekündigte, nächste
Konzert im Frühling 2012. Hoffen wir, dass die Prog-Götter unsere Herzen
in der gleichen Verfassung erobern werden. (rog)
Setliste: «Intro» - «Under A Glass Moon» - «These Walls (cued Intro)»
- «Forsaken» - «Endless Sacrifice» - «Drum Solo Mike Mangini» - «Ytse
Jam» - «Peruvian Skies» - «The Great Debate» - «On The Backs Of
Angels» - «Caught In A Web» - «Through My Words» - «Fatal Tragedy»
-- «The Count Of Tuscany (cued Intro)».
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