Das Traum Theater lädt
zum Träumen ein! So oder ähnlich könnte man den Abend beschreiben, den
die amerikanischen Progressiv-Metal-Götter im altehrwürdigen
züricherischen Volkshaus gestalteten. Seit dem letzten Besuch ist viel
passiert. Neben dem neuen schlicht „Dream Theater“ betitelten
Studioalbum ist mit „Live At Luna Park“ auch ein hochwertiges Live
DVD/CD-Paket erschienen. Zudem feiert die Band heuer den 20. Geburtstag
ihres dritten Album Awake und das 15-jährige Jubiläum des
Konzept-Werkes „Scenes From A Memory“. Viele Gründe sprachen also für
den Zürich-Trip. Dass das Volkshaus ausverkauft war, kann als gutes
Zeichen gewertet werden und lässt hoffen, dass die Prog-Metal Helden
beim
nächsten Mal in einer grösseren Halle noch mehr Fans verzaubern werden.
Der Abend begann jedoch erstmal mit einer gewissen Verwirrung.
Angekündigt war nämlich eine namenlose Supportband. Dream Theater
hatten aber neben das „Along For
The Ride-Tour“-Schildchen noch ein “An Evening With Dream
Theater“-Schriftzug gesetzt. Wir erinnern uns: Bereits vor einigen
Jahren hatte die Band unter diesem „An Evening with…“-Banner drei
stündige Konzerte gespielt. In den letzten Jahren waren es dann „nur“
noch circa zwei Stunden. Was nun galt, wurde mir bei der Überreichung
des Fotopasses mitgeteilt und liess mein Fan-Herz gleich höher
schlagen:
Keine Vorband, dafür viel, viel Dream Theater! Um es gleich vorweg zu
nehmen: Es dauerte fast drei Stunden - und das ohne explizite
Keyboard-,
Gitarren- oder Schlagzeugsoli! Also drei Stunden pur mit Dream
Theater-Liedern!
Eine
weisse Leinwand versperrte den Zuschauern den Blick auf die Bühne. Als
die Lichter gelöscht wurden, erschien darauf eine kleine filmische
Zeitreise, bei der sämtliche Albumcovers in chronologischer Reihenfolge
gezeigt wurden. „The Enemy Inside“ führte anschliessend direkt ins
Geschehen. Das Bühnendekor war einem städtischen Hinterhof
nachempfunden, wobei über der gesamten Breite im oberen Bereich
Filmeinspielungen oder Live-Aufnahmen vom gerade aktuellen Konzert
gezeigt wurden. Der Fokus wurde dabei oft auf die Fingerfertigkeiten
von Gitarrist John Petrucci und Keyboarder Jordan Ruddess gelegt.
Apropos Fokus: Die ersten eineinviertel Stunden gehörten mehrheitlich
dem neuen
Album. Davon wurde neben dem bereits erwähnten „Enemy Inside“ das
Instrumental „Enigma Machine“, „The Looking Glass“ und das ruhigere
„Along For The Ride“ gespielt. Der Abschluss gehörte aber dem epischen
„Breaking All Illusions“ vom Vorgänger-Album „A Dramatic Turn Of
Events“. Dieses sorgte besonders bei den Gitarren-Soli für Gänsehaut.
Es wäre für jede andere Band der perfekte Schluss für ihr Konzert
gewesen. Nicht aber für Dream Theater. Sänger James LaBrie kündigte dem
erstaunten Publikum an, dass sie sich lediglich für eine 15-minütige
Pause zurückziehen würden. Dazu wurde auf der Leinwand ein Countdown
aufgeschaltet.
Wer jetzt aber zum Bierholen oder aufs WC ging, hatte verloren. Denn
nach etwa der Hälfte der Pause schaltete der Countdown auf ein
unterhaltsames Filmchen um. Hier tauchten die Dream Theater-Musiker mal
als Superhelden auf, mal als selbstironische Selbst-Veräppelung oder
auch mal bei Backstage-Aufnahmen. Dazu wurden immer wieder
YouTube-Filmchen von Dream Theater Covers gezeigt.
Aber eigentlich war man ja für das Original da. Und dieses schickte
sich an, für noch einmal eineinhalb Stunden aufzuspielen. Dazu erwähnte
James
LaBrie die beiden Geburtstagsalben. Wären Dream Theater dabei so
verfahren wie beim Jubiläum von „Images And Words“, als sie das ganze
Album gespielt hatten, würden wir der Band wohl heute noch gebannt
lauschen. Ein Kompro-miss musste also her, und so gab es mit „The
Mirror“,
„Lie“, „Lifting Shadows Off A Dream“, „Scarred“ und „Space Dye Vest“
zuerst fünf Songs vom Awake-Album zu hören. Nur meine beiden
CD-Highlights „Voices“ und „The Silent Man“ blieben aussen vor, was
aber definitiv nur eine Klagen auf sehr hohem Niveau ist. Die
Songreihenfolge folgte einer eigener Dramaturgie und machte durchaus
Sinn. So war es auch toll, dass Dream Theater den Jubiläumsreigen mit
dem 23-minütigen „Illumination Theory“ vom neuen Album unterbrachen.
Für die Amerikaner dabei ungewöhnlich ist, dass sie das längere von
einem Symphonie-Orchester aufgenommene, filmmusikartige Intro komplett
ab Band brachten und dieses lediglich mit einer geschmackvollen
Lichtshow bereicherten.
Wie
angekündigt, fehlte danach aber noch ein Jubilar. Und auch hier bewies
die Band ein Händchen für Originalität, in dem sie den Bandhit und
berechtigen Setlisten-Dauergast „The Spirit Carries On“ nicht spielte.
Dafür gab es mit „Overture 1928“, „Strange Déja Vu“, „The Dance Of
Eternety“ und Finaly Free” gleich vier nicht mehr so oft gezockte
Perlen von „Scenes Of A Memory“. Die Band war nach exakt zwei Stunden
und 45 Minuten
glücklich, aber am Ende. Und so spendete das dankbare, aber insgesamt
etwas ruhige Publikum herzlichen und ernst gemeinten Applaus. A propos
höflich: Wer die Band im Volkshaus mit der unglaublichen „Live At Luna
Park“-DVD-Aufnahmen vergleicht, stellt fest, dass sich Dream Theater in
Zürich insgesamt zurückhaltender verhielten. Das Dauergrinsen bei
Trommler Mike Mangini fand man nur bei genauem Hinschauen. Ebenso
musste man die Gesichter der Musiker schon sehr genau studieren, um die
gehörte unglaubliche Spielfreude auch zu sehen. Diese Tatsache
schmälerte das Erlebnis an „unserem“ Konzert aber nicht wesentlich und
so werden die Volkshaus-Besucher bereits jetzt gespannt auf den
nächsten Dream Theater-Termin warten – und dann mindestens je drei
weitere Bekannte mit ans Konzert schleppen.
Setliste:
Act I: «The Enemy Inside» - «The Shattered Fortress» - «On The Backs Of
Angels» - «The Looking Glass» - «Trial Of Tears» - «Enigma Machine» -
«Along For
The Ride» - «Breaking All Illusions».
Act II: «The Mirror» - «Lie» - «Lifting Shadows Off A Dream» -
«Scarred» - «Space-Dye Vest» - «Illumination Theory».
Zugaben: «Overture 1928» - «Strange Déjà-Vu» - «The Dance Of Eternity»
- «Finally Free».
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